Ich habe eine Begabung: Ich kann richtig gut Hilfe annehmen. Da bin ich wirklich stolz drauf. Denn das ist ja trotzdem nicht einfach. Ich muss immerhin offen zugeben, dass ich etwas nicht auf die Reihe bringe. Ich bin nicht gut darin, etwas ganz allein zu machen. Oder ich mag es zumindest nicht. Ich brauche bei Entscheidungen Menschen, mit denen ich mich beraten kann. Vor meinem letzten Umzug zum Beispiel: da wollte ich einmal kräftig ausmisten und habe dafür Hilfe gebraucht. Allein konnte ich mich einfach nicht entscheiden, was weg soll. Oder wenn ich Texte schreibe, die veröffentlicht werden, soll: Da brauch ich immer jemand, der nochmal drüber schaut. Denn irgendeinen Fehler mache ich eigentlich immer. Egal, wie sehr ich mich anstrenge – allein find ich die nicht alle.

Manchmal nervt mich das. Wenn ich feststelle, dass ich ohne andere Menschen ganz schön aufgeschmissen wäre. Und merke, dass ich ganz allein ganz schön aufgeschmissen wäre. Aber am Ende glaube ich, dass es wirklich eine Begabung ist. Zu realisieren, dass ich nicht alles können kann. Ich glaube, das kann eigentlich niemand. Dafür sind wir Menschen einfach nicht gemacht.  Das wäre ja auch eine langweilige, richtig öde Welt: Wenn alle wie gut geölte Allround-Roboter für sich funktionieren würden. Da mag ich‘s doch lieber, wie unsere Welt ist: Eine Welt voller unterschiedlich begabter Menschen, deren Fähigkeiten sich im besten Fall ergänzen: Wenn man sich gegenseitig hilft. Und vor allem: Wenn man sich auch helfen lässt.