SWR3 Gedanken

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07JUN2023
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Die goldene Regel ist gut – aber die Platin-Regel ist noch besser. Die Goldene Regel des Miteinanders heißt ja: Behandle andere so, wie du selbst gern behandelt werden möchtest. Dabei sehe ich aber die Welt von meiner Warte aus. Der Platinregel reicht das nicht. Sie besagt: „Behandle andere so, wie sie gerne behandelt werden wollen“.

Wie viel das ausmacht, ob ich nach Gold oder Platin handle, habe ich letztens verstanden. Mein Freund Johannes hat mir ein Buch geschenkt, aber ich hab schon viel zu viele davon. Gemäß der goldenen Regel war mein Kumpel der Meinung: Ich liebe Bücher, jeder liebt Bücher – Stephan kriegt auch eins. Und ich hab Johannes dann direkt gesagt, dass ich lieber was anderes bekommen hätte. Mit der goldenen Regel sind Johannes und ich nicht weit gekommen: Ich hatte ein doofes Geschenk – und er war vor den Kopf gestoßen.

Mit der Platin-Regel wäre es uns besser gegangen: Johannes kann mich vorher fragen, worüber ich mich freuen würde. Und ich kenne ja eigentlich Johannes und weiß, dass er bei schwierigen Gesprächen gutes Timing und Einfühlungsvermögen braucht. Ich kann nicht einfach von mir ausgehen und sofort alles klären wollen.

Wenn ich mir beide Regeln anschaue, ist die Platin-Variante anstrengender: Ich muss mich in andere hineinversetzen und nachfragen. Dafür ist der Gewinn fürs Miteinander umso größer: Wir reden darüber, was wir brauchen und wo unsere Grenzen sind. Und wenn wir uns dann irgendwann über den Weg laufen, stehen Menschen vor uns, die etwas Geniales ausstrahlen. Menschen, die Platin wählen und sagen: „Auch wenn ich ganz anders bin: jetzt geht es nicht um mich – jetzt bist du dran!“ 

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