SWR3 Gedanken

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06JUN2023
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Auf einer Wandertour durch die Vogesen hab ich am frühen Morgen schon einen gefühlten Marathon hingelegt. Und das ohne einen Krümel Frühstück im Magen. „So, jetzt machen wir mal ne Pause“, hechele ich meinem Kumpel Thomas in den Nacken. Erschöpft ziehe ich meine schmerzenden Füße aus den Wanderschuhen. Dann sagt Thomas mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht: „Na, da haben wir uns wohl etwas verschätzt, mein Bester“. Thomas scheint sich gar nicht darüber zu ärgern, dass wir blauäugig davon ausgegangen sind, dass es in französischen Dörfchen immer eine Bäckerei gibt. Ich zieh den Hut, wie Thomas das so einfach wegsteckt. Seine Füße müssen doch auch wehtun und sein Loch im Bauch müsste mindestens genauso groß sein wie meins.

Dann philosophiere ich in Thomas Richtung: „Es ist immer eine Frage der Perspektive. Meine Laune ist im Keller und du bist super drauf, obwohl wir Dasselbe erlebt haben“. Dann antwortet Thomas: „Also ich könnte definitiv auch was zu essen vertragen. Aber ich bin hier, während meine Frau übers Wochenende ihre Präsentation vorbereiten muss. Die Auszeit mit dir ist nicht selbstverständlich!“

Ich weiß noch wie wir dann die Zähne zusammengebissen haben und bis ins nächste Dorf gelaufen sind, wo es endlich ein paar Croissants gab. Und wie mir durch unser Gespräch was klargeworden ist: Jeden Tag gibt mir der liebe Gott 24 Stunden und ich entscheide auf was ich mich konzentriere. Geht mein Blick auf die eine Sache, die nicht läuft, werden daraus fünf weitere Missgeschicke. Es ändert sich aber alles, wenn ich an das denke, was super war: An den Wald- und Wiesen-Duft, oder an das Gefühl von Freiheit als wir vom Berg in die Ferne geschaut haben. Nichts ist selbstverständlich. Alles eine Frage der Perspektive.

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