Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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20APR2022
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Es mir mal wieder so richtig gut gehen lassen! Kann ich das eigentlich noch? Ich kenne nicht wenige, die sich das gerade fragen. Denen es jetzt schwer fällt, das Leben unbeschwert zu genießen. Zu viel ist da gerade an Sorgen und auch Ängsten. Die kaum zu ertragenden Kriegsbilder, die mir jeden Tag ins Haus schwappen. Steigende Preise und Versorgungsprobleme. Die immer dramatischeren Warnungen des Weltklimarats. Das alles gleichzeitig verunsichert und viele können das nicht mehr so einfach ausblenden. Froh sein geht sozusagen nur noch mit angezogener Handbremse.

Ich glaube ja, dass die verklärte gute alte Zeit, die in Wahrheit auch nicht nur gut war, nicht mehr wiederkommt. Dass Unsicherheit und belastende Krisen mich nun ständig begleiten werden. Und dass es darum umso wichtiger wird, die kleinen Momente des Glücks, die es gibt, noch bewusster zu genießen. Nicht mit schlechtem Gewissen und angezogener Handbremse. Nicht mit einem diffusen Schuldgefühl, weil ich jetzt glücklich sein darf und so viele andere nicht. Aber wie?

In einer sehenswerten Doku des SWR sagt eine Frau, die aus der Ukraine stammt, aber seit Jahren im Rheinhessischen lebt: „Ich glaube, das ist auch eine gewisse Art von Trauma, wenn man das Gefühl hat, dass es einem viel zu gut geht.“[1] Sie leidet darunter. Davon erzählt die Doku. Und davon, wie sie es schafft, dieses Trauma zu überwinden. Indem sie nämlich anfängt, Hilfe zu organisieren für die Menschen in ihrer alten Heimat. Indem Sie etwas tut für andere und gegen die eigene Hilflosigkeit.

Vielleicht können wir ja nur dann wirklich glücklich sein, wenn wir wissen, dass auch andere diese Chance haben. Dafür kann ich etwas tun. Jeden Tag.

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[1] Der Krieg vor meiner Haustür - Wie es ist, zu helfen und doch hilflos zu sein, ARD Mediathek

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35254
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