Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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25MRZ2022
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Ich erinnere mich noch gut an eine frühere Kollegin, der ich bei der Arbeit am liebsten gar nicht begegnet bin. Weil sie in meiner Wahrnehmung ständig gereizt und genervt war. Und weil manchmal schon banale Kleinigkeiten ausreichten, um von ihr angeraunzt zu werden. Natürlich kenne ich das an manchen Tagen auch von mir selbst. Dass ich mies drauf bin. Weil ich Stress habe, total überarbeitet oder einfach nur hundemüde bin. Und dass ich dann so gar keine Lust mehr habe auf andere Leute. Einfach das Gefühl habe, bloß noch von elenden Nervensägen umgeben zu sein.

Bevor ich mein Gegenüber dann aber wirklich anblaffe kann es helfen, mal kurz den Blickwinkel zu verändern. Klar, der Kollege, der im Büro ständig laut telefoniert. Der Fahrgast, der mir im Zug gegenübersitzt und die ganze Zeit auf seinem Handy rumdaddelt. Oder die Autofahrerin, die da viel zu langsam vor mir herfährt? Das kann echt nerven. Aber könnte es nicht auch so sein, dass die anderen in Wahrheit eigentlich so drauf sind wie immer? Ich aber nicht. Weil ich gerade genervt, übermüdet oder sonst was bin. Und weil mich darum gerade einfach alles stört.

Die Bibel hat dafür ein ganz schönes Bild gefunden. Dass es in solchen Situationen gut ist, nicht immer gleich jeden Splitter im Auge des Anderen zu suchen. Sondern auch mal bei mir nachzusehen. Weil es nämlich gut sein kann, dass ich da gerade einen dicken Balken im eigenen Auge hab, den ich selbst schon gar nicht mehr wahrnehme. Zu akzeptieren, dass ich manchmal auch ein Kotzbrocken sein kann und schwer zu ertragen bin, ist nicht besonders angenehm. Aber wenn ich das kann, dann fällt es mir deutlich leichter, die Fehler der anderen einfach auch öfter mal zu ertragen.

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