Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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24MRZ2022
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Der russische Präsident hat vor einigen Tagen die Bibel zitiert: Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt, hat er gesagt (Joh 15,3). Der Satz findet sich beim Evangelisten Johannes. Er hat es in sich. In der Bibel markiert er so etwas wie den ultimativen Höhepunkt der Nächstenliebe. Die Bereitschaft nämlich, für einen anderen Menschen im äußersten Fall auch in den Tod zu gehen ohne selbst Gewalt anzuwenden. Jesus hat sein Lebensschicksal so gedeutet, als sich abzeichnete, dass es nicht gut für ihn enden würde. Und immer wieder haben Menschen später dasselbe getan. Der polnische Ordensmann Maximilian Kolbe zum Beispiel, der im KZ für einen Mithäftling freiwillig in den Tod ging und ihm so das Leben gerettet hat. Der russische Präsident allerdings versucht mit dem Satz religiös zu verklären, wie seine Soldaten in einem grausamen Krieg agieren. Junge Leute oft, die selbst nun zu tausenden den Tod finden. Wohl kaum aber aus selbstloser Liebe zu ihren Freunden.

Die Bibel ist ohne Frage ein wunderbares Buch voll tiefer Lebensweisheit. Das verbindet sie übrigens mit einer andern Heiligen Schrift, dem Koran. Aber beiden Büchern ist auch gemeinsam, dass sie missbraucht werden. Von Menschen, die sich nur die Sätze herauspicken, die ihnen in den Kram passen. Die Heiligen Schriften wollen aber kein Steinbruch sein, um mit ihnen alles Mögliche zu rechtfertigen. Sie sind auch keine Eins-zu-Eins-Anleitung fürs konkrete Handeln. Nur als Ganzes atmen sie den einzigartigen Geist, der sie ausmacht. Gottes Geist. Und in diesem Geist kann ich dann versuchen zu leben und entsprechend zu handeln.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35103
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