SWR3 Gedanken

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17MRZ2022
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Meine Bekannte Conni strahlt mich an und sagt: „Ich bin jeden Millimeter glücklich.“ Dabei fährt sie sich mit der Hand durch ihre kurzen grauen Löckchen. Conni hat vor anderthalb Jahren ihre tolle lange Lockenpracht verloren. Denn sie musste an der Kopfhaut operiert werden, weil da ein Tumor gewachsen ist. Alles ist gut gegangen, Conni fühlt sich wieder gesund und jetzt sieht sie viele Sachen völlig anders als vorher. Lange Haare zum Beispiel, die sind für sie richtiger Luxus. Und überhaupt, wie anders viele Leute mit einem umgehen, wenn im Leben plötzlich nicht mehr alles gut ist. Das war anstrengend, sagt Conni. Aber es ist überstanden und ihre Haare wachsen wieder.

Der Satz, den Conni zu mir gesagt hat, finde ich so stark, den möchte ich mir am liebsten für immer merken. „Ich bin jeden Millimeter glücklich.“ Das wäre doch ein Ding, wenn ich mich auch bei mir über winzige Schritte so richtig freuen könnte. Zum Beispiel, wenn ich abends merke, dass es einen Tag lang gut geklappt hat Job und Familie unter einen Hut zu kriegen. Oder wenn mich diese eine unsympathische Frau im Bus plötzlich nicht mehr so aufregt, weil sie jeden so aufdringlich anquatscht. Und ich sie mal eine Busstrecke lang so lassen kann, wie sie eben ist. Das wäre was, wenn ich mich wie Conni auch über die kleinsten Dinge freuen könnte: Ein Millimeter mehr Achtung vor mir selbst, ein Millimeter mehr Zuversicht. Ein Millimeter mehr Respekt für jeden. Ein Millimeter kann schon so viel sein.

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