SWR2 Wort zum Tag

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24FEB2022
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Erinnern Sie sich, wann Sie zuletzt gerührt waren? Ich meine an den Moment, in dem Ihnen das letzte Mal die Augen feucht geworden sind? Oder Ihnen eine Gänsehaut den Rücken herunter gelaufen ist?

Mir geht es so, wenn mich ein kleines Kind an der Hand nimmt. Wenn mir nach Jahren ein Mensch schreibt, was ihm unser Gespräch vor Jahren bedeutet hat. Wenn ich Solidarität erlebe, die Menschen gegenüber denen aufbringen, die von einem Unglück getroffen sind. Wir bei der Überschwemmungskatastrophe an der Ahr.

Psychologen haben herausgefunden, dass Rührung ein menschliches Gefühl ist, bei dem mir beides bewusst wird: die Besonderheit, aber auch die Vergänglichkeit meines Lebens. Und, dass ich über dieses Gefühl mit anderen tief verbunden bin.

In der Bibel wird in vielen Geschichten davon erzählt, dass Jesus sich von anderen Menschen hat rühren und berühren lassen.

„Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben“, heißt es an einer Stelle im Neuen Testament. Dieses Jammern meint aber kein unzufriedenes Herumnörgeln, wie in unserer Alltagssprache.

Wenn es Jesus jammert, dann bedeutet es so viel wie: was er erlebt, das schlägt ihm auf den Magen. Es wühlt ihn im Innersten auf. Wenn er Zeuge davon wird, wie orientierungslos Menschen durchs Leben irren. Wie manche besessen sind von Ängsten und Hass. Und aus den Augen verloren haben, was gut ist für sie und ihre Umgebung.

Wie manche leiden unter Krankheiten, aber auch unter Missachtung und Ausgrenzung. Alles das löst bei Jesus geradezu körperliche Reaktionen aus. Es jammert ihn. Er lässt sich berühren, ist gerührt.

Aber – das ist nicht alles! Denn Jesus tritt dem Jammer auch selbst entgegen. Stellt sich einem Menschen zur Seite, der hilflos ist. Geht mit durch das, was jemand erlitten hat. Oder, was man ihm oder ihr zugefügt hat.

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“, hat Jesus einmal gesagt. Das ist eine Haltung, die wir mit einem modernen Wort als „Empathie“ bezeichnen würden. Sie ist weit mehr als das bloße Gefühl der Rührung. Sie äußert sich in Einfühlung und Zuwendung. Und drückt aus: „Ich sehe dich. Ich lasse mich von dir berühren. Du lässt mich nicht kalt.“

Ich glaube, das ist eine Haltung, die allen gut tut. Und von der wir mehr brauchen. Heute.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34909
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