SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

06FEB2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im Jahr 1968 erschien der Hollywood-Streifen „In den Schuhen des Fischers“. In der Hauptrolle damals Antony Quinn als Erzbischof, der überraschend zum Papst gewählt wird. Und der damit urplötzlich in den „Schuhen des Fischers“ steht. In den Schuhen jenes Simon nämlich, der ein einfacher Fischer am See Genezareth war. Aber nicht als solcher ist Simon in die Geschichte eingegangen. Unter seinem Beinamen Petrus ist er bekannt als der erste Jünger Jesu. Als Sprecher des Jüngerkreises, nachdem ihr Meister Jesus gestorben war. Und damit quasi auch der erste Papst der damals noch ganz jungen und bescheidenen Kirche. Der Überlieferung nach soll Jesus selbst ihm zu Lebzeiten diese Verantwortung übertragen haben. Darauf jedenfalls berufen sich die Päpste seit nunmehr 2000 Jahren und sehen sich so in direkter Linie zum Fischer Simon aus Galiläa. Was aus dem einfachen Fischer von damals in zwei Jahrtausenden geworden ist, darüber allerdings kann man sich wundern. Mächtige Männer, die sich auch schon mal juwelengeschmückt in Hermelinpelzen präsentiert haben – und damit das Bild einer Kirche prägten, die Jesus so sicher nie im Sinn hatte.

Dabei fing alles so einfach an. Davon berichtet der kleine Bibeltext, der heute in den Katholischen Kirchen verlesen wird. Er erzählt, wie Jesus und Simon sich zum ersten Mal am See begegnen. Wie Jesus ihn auffordert auf den See rauszufahren und die Netze auszuwerfen, obwohl die Fischer das zuvor erfolglos versucht haben. Ein gelernter Zimmermann, der nun Wanderprediger ist, erklärt da einem gestandenen Fischer, wie der seinen Job machen soll. Das skeptische Gesicht des Simon kann ich mir lebhaft vorstellen. Und dann, heißt es, seien die Netze plötzlich so voll gewesen, dass sie zu zerreißen drohen. Besonders glaubwürdig klingt das nicht. Aber vielleicht geht es ja auch gar nicht um das vermeintliche Wunder. Vielleicht ist die Geschichte vom angeblichen Riesenfang ja ein Stilmittel, um etwas ganz Anderes zu sagen. Dass Simon nämlich seinen Fischerberuf aufgeben und mit Jesus herumziehen wird. Und dass er zum ebenso erfolgreichen Fischer auf einem ganz anderen Gebiet werden soll. Jesus sagt es so: „Von jetzt an wirst du Menschen fangen“.

Es ist ein zentraler Satz der kleinen Geschichte. Und es ist einer, mit dem ich mich immer schwergetan habe. Zu viel Mehrdeutiges klingt da mit. Da ist das Bild vom Fischernetz, in dem die Fische zappeln. Will ich das ernsthaft? Will ich als Gläubiger einer dieser bedauernswerten Fische sein, die sich im Netz verheddert haben? Ausgeworfen von wem auch immer? Und gefangen wird man auch selten in freier Entscheidung. Eher überrumpelt. Das Bild erscheint heute einfach schräg. Bleiben wir also noch etwas bei der zentralen Figur der Geschichte. Beim Fischer Simon, den sie später Petrus nennen.

MUSIK

Eigentlich weiß man gar nicht allzu viel von ihm. Vom Fischer Simon bar Jona, der später den Beinamen Petrus bekam, der Fels. Dass er wahrscheinlich in Kafarnaum am See Genezareth lebte, verheiratet war und Familie hatte. Dass er um das Jahr 65 herum, als Kaiser Nero unter den Christen wütete, wohl in Rom gestorben ist. Der Legende nach hingerichtet am Kreuz. Und dass sein Grab unter der Petersbasilika im Vatikan liegen soll. Zumindest wird es seit Jahrhunderten dort verehrt.

Immerhin, die Bibel erzählt keine strahlende Heldensaga. Macht ihn weder zur heroischen Lichtgestalt noch zum fanatischen Jesus-Jünger. Erzählt eher von einem, der sich oft besonders eifrig bemüht, Jesus nachzufolgen. Und der dann doch immer wieder ins Schlingern kommt. Am schlimmsten wohl in jener Nacht, nachdem Jesus verhaftet worden ist. Als Simon verdächtigt wird, auch zu den Anhängern dieses Jesus zu gehören - und dann dreimal abstreitet, ihn überhaupt zu kennen. Er hat es später bitter bereut. Der sich später mal heftig mit dem Apostel Paulus fetzt und kleinlaut beigeben muss. Der aus all dem aber auch lernt und für die junge Christengemeinde später wohl wirklich zu einem Fels in der Brandung wird.

Es sind gerade diese Ecken und Kanten, die mir diesen Simon aber auch menschlicher und nahbarer machen. Weil ich manchmal ja auch so bin. Und weil ich mir so die Führungskräfte meiner Kirche wünsche. Als Menschen mit Lebenserfahrung, mit Brüchen, mit Ecken und Kanten. Menschen, die in ihrer Einschätzung auch mal danebenliegen, die aber auch bereit sind, dafür gerade zu stehen und daraus zu lernen. Leute wie dieser Simon eben. Und auf die, so erzählt es jedenfalls die Bibel, kann man dann auch die Kirche bauen.

Doch da ist ja auch noch die Sache mit dem Menschen fangen. Mit dem Auftrag also, den Jesus selber ihm gegeben haben soll. Damals auf dem See. Ich fürchte, dass die Kirche in ihrer langen Geschichte das mit dem Fangen oft furchtbar missverstanden hat. Indem sie Menschen Angst gemacht hat. Indem sie ihnen Strafen und Verderben angedroht hat, wenn die Menschen nicht so spurten, wie die Kirche es von ihnen erwartete. Indem sie die menschliche Freiheit nicht geachtet hat. Menschen gewinnen, so wie ich die Geschichte vom Fischfang am See verstehe, geht aber nur in Freiheit. Mit Argumenten, die Kopf und Herz berühren. Mit Aufrichtigkeit und überzeugenden Lebensvorbildern. Solchen wie dem Simon, den sie später Petrus nannten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34817
weiterlesen...