SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

16JAN2022
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Kann man sich überhaupt noch auf etwas freuen? Lohnt es sich überhaupt noch, etwas Schönes zu planen? Was musste ich in den letzten zwei Jahren alles absagen! Verabredungen mit Freunden, Ausflüge. Und erst bei meiner Arbeit, in der Kirche: Da hatten sich junge Paare auf ihre Hochzeit gefreut. Familien auf die Taufe oder Konfirmation ihres Kindes. Meine Gemeinde hatte ein schönes Konzert geplant, einen interessanten Vortrag. Oder die Jugendbegegnung in Israel: verschoben, neu geplant, wieder gestrichen. Oft sind mir da die spöttischen Verse von Bert Brecht eingefallen: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.“

Das ist die eine Seite, wenn ich auf die letzten zwei Jahre zurückschaue. Aber auf der anderen Seite: Was hab ich alles gelernt! Hochzeiten lassen sich auch in Nachbars Garten feiern. Und Treffen am Computerbildschirm – die kriegen wir inzwischen richtig gut hin! Beruflich wie privat. Man sagt ja: Not macht erfinderisch. Gerade wenn ich mit älteren Menschen spreche, höre ich zwischen der Angst und Sorge auch viel Gelassenheit. Besonders bei denen, die sich noch an den Krieg und die Nachkriegszeit erinnern können. Wo die Not Alltag gewesen ist. Und man trotzdem gelebt hat. Da ist viel Gottvertrauen. So wie es die älteren noch aus einem alten Satz aus der Bibel kennen: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“

Die flapsigen Verse von Bert Brecht bringen es schon auf den Punkt. Natürlich planen wir in unserem Leben. Aber nicht jeder Plan funktioniert. Dafür muss ja nicht erst ein Virus kommen und die ganze Welt auf den Kopf stellen. Meine Pläne können doch auch jeden Tag aus anderen Gründen durchkreuzt werden. Was hatten meine Frau und ich uns letztes Jahr auf einen bestimmten Ausflug gefreut! Aber just an dem Tag ging etwas Entscheidendes an unserem Auto kaputt. Und der Mechaniker in der Werkstatt meinte: „Lassen Sie den Wagen lieber stehen. Übermorgen kann ich Ihnen einen Termin geben.“ Wir haben dann einen wunderschönen Ausflug mit den Rädern gemacht.

Solche Beispiele fallen Ihnen bestimmt auch ganz viele ein! Das Rezept dahinter heißt: Mach dich nicht abhängig von deinen Plänen. Und auch nicht von deinen Erwartungen. Arbeite dich nicht an deiner Enttäuschung ab, sondern mach was draus!

Ich gebe ja zu: Das ist oft leichter gesagt als getan! Vor allem, wenn es nicht nur um einen Ausflug oder eine verschobene Feier geht. Sondern um richtig ernste Dinge. Aber auch da gilt: Lass dich nicht von gescheiterten Plänen beherrschen. Wage einen neuen Schritt. Wie kann der aussehen

Ich lebe auf dem Hunsrück und bin gerne draußen unterwegs. Da kommt es schon mal vor, dass ein Waldweg einfach aufhört. Da war vielleicht mal ein Weg. Jetzt ist da nur noch Gestrüpp und Geröll. Ich muss also einen anderen Weg finden. Und zwar aus dem, was da ist. Wo kann ich treten und rutsche nicht ab? Wo kann ich mich festhalten, wo kann ich mich abstützen? Was kann mir als Weg dienen, bis ich wieder auf einen richtigen Weg stoße?

In den letzten zwei Jahren haben viele Menschen sich so durchgehangelt. Genommen, was da war. Etwas benutzt und weiterentwickelt. Und das ging überraschend gut!

Wenn ich so unterwegs bin, abseits der gewohnten Wege, dann brauche ich Vertrauen. Vertrauen darauf, dass es weitergeht. Auch wenn ich gerade nicht sehen kann, wie. Dass ich rauskomme aus dem unwegsamen Gelände. Ich habe vorhin einen alten Satz aus der Bibel zitiert. Der erinnert daran, was der Grund für so ein Vertrauen ist: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“

Ich mache große Pläne. Ich setze mir Ziele. Das soll ich auch ruhig tun. Ich denke mir einen Weg aus. Aber es ist Gott, der meine Schritte lenkt. Vielleicht geht es über Stock und Stein. Vielleicht habe ich Angst vor dem Abgrund, der sich neben mir auftut. Aber ich habe das Vertrauen, dass Gott mich führt. Ich vertraue mich ihm an. Er wird mir zeigen, wo ich hintreten und weitergehen kann. Ich werde sicher und habe keine Angst mehr.

Bis jetzt habe ich aus jedem Wald wieder herausgefunden. Und habe dabei Dinge gefunden, die ich sonst nicht gesehen hätte. Ich habe Vertrauen geübt und Sicherheit gelernt. Und ich habe unterwegs einiges gefunden, über das ich mich freuen konnte. Ganz überraschend, ungeplant.

Das hilft mir auch auf den Wegen, die gut weitergehen. Die gehe ich ohne Angst. Auch wenn sie aufhören: ich werde wieder einen Weg finden.

Und das hilft mir auch in Situationen wie jetzt der Pandemie. Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Der Weg hat aufgehört. Vor mir ist Gestrüpp und Geröll. Meine Pläne kann ich vergessen. Aber es wird weitergehen. Gott wird mir einen Weg zeigen. Und wird ihn mich führen, Schritt für Schritt. Und wird mir Überraschendes zeigen, über das ich mich freuen kann.

Ich wünsche Ihnen gesegnete Wege!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34639
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