SWR2 Wort zum Tag

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29DEZ2021
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Eine alte Geschichte erzählt von einer Familie, in der die Kinder flügge geworden sind. Bald werden sie das Elternhaus verlassen. Der Vater gibt ihnen noch einen guten Rat mit auf den Weg. Jedes Kind bekommt einen Stock in die Hand mit der Aufgabe, den zu brechen. Kein Problem, wie sich zeigt.

Dann erhält jedes noch einmal einen Stock. Diesmal sollen sie die Stöcke fest zusammenschnüren. Und jetzt, sagt der Vater, versucht, das Bündel durchzubrechen!Das aber, merken die Kinder schnell, ist nicht zu schaffen! Denn zusammen und miteinander verbunden sind sie stark.

Eine alte Geschichte mit einer aktuellen Moral. Mich hat in der letzten Zeit nämlich die Frage beschäftigt: was hält die einzelnen Teile unserer Gesellschaft noch zusammen? Wo ist das Band, das die verschiedenen Teile verbindet?

Was heute bedrohlich zugenommen hat, ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Überall ist das zu beobachten. Nicht nur bei der Frage, wie man der Corona-Epidemie am besten entgegentritt. Auch im Blick auf unsere gemeinsame Zukunft. Die Antwort darauf werden wir sicher auch im kommenden Jahr noch suchen: wo und was ist das gemeinsame Band?

In der Weisheitsliteratur der Bibel steht ein wichtiger Satz: „Ein Volk ohne Visionen geht zu Grunde.“ Es verwildert.

Darin steckt die Einsicht, dass es für ein Gemeinwesen nicht genügt, zu essen und zu trinken zu haben. Es bedarf eines Bandes, einer Perspektive, um als Gesellschaft Zukunft zu haben.

In der wunderbaren Sprache von Psalm 85 heißt es: die Erinnerung an Gottes Güte kann Menschen miteinander verbinden. So „dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen.“

Ich höre heraus: da geht es um viel mehr als persönliches Glück. Da schauen Menschen über den Tellerrand. Weil sie spüren: es geht nur miteinander. Indem wir uns umeinander kümmern. Uns miteinander auf den Weg der Gerechtigkeit, des Friedens und der Begegnung machen.

Sicher, das sind erst einmal große Worte! Aber es sind wegweisende Worte! Sie machen mir deutlich: ich kann etwas dafür tun, Tag für Tag, um die großen Worte in das praktische Kleingeld des Alltags zu wechseln. Und damit das Band, das uns verbindet, stärken helfen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34551
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