Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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09DEZ2021
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Es geht ganz schön rau zu, da draußen, und kalt ist es auch. Aber das liegt nicht nur an dem nahenden Winter – da würde ein dicker Mantel ja schon helfen. Sondern daran, wie unversöhnlich und rau miteinander gesprochen wird. Da streiten Großeltern mit ihren erwachsenen Kindern darum, ob die Enkel geimpft werden sollen oder nicht. Kollegen entzweien sich über die Homeofficepflicht und in Kirchenvorständen wird heftig debattiert, wer nun in den Gottesdienst darf und wer nicht. Die Positionen sind verhärtet. Nichts bewegt sich. Ich merke an mir selbst: Ich bin in diesem zweiten Corona Winter auch weniger beweglich. Ich kann mich weniger gut einlassen – auf andere Menschen und andere Meinungen. Ich habe mir ein dickes Fell angeschafft, einen dicken Mantel für die Seele. Es schützt ganz gut vor Verletzungen, das dicke Fell, aber es macht auch unbeweglich. Und starr. Es verhindert echten Kontakt. Aber ohne Kontakt bleibt es in den Debatten beim Schlagabtausch – miteinander in Berührung kommen die Menschen nicht.

Ich glaube was gegen den rauen Ton helfen würde, wären heilsame Begegnungen. Begegnungen bei denen man ganz unbesorgt das dicke Fell im Schrank lassen kann. Zärtlich sein kann. Mitfühlend und verletzlich. Jesus ist den Menschen so begegnet. Er hat sie berührt ganz im Wortsinn. Und so berührt konnten viele heil werden. Und weich. Und beweglich. Ich glaube er hat das geschafft, weil die Menschen ihm geglaubt haben, wenn er gesagt hat: Vor Gott zählt das, was uns verbindet immer mehr als das, was uns trennt. Für Gott sind wir alle gleich, nämlich seine geliebten Geschöpfe. Und nichts kann uns Menschen von dieser Liebe trennen. Vielleicht ist es ja möglich einander so zu begegnen. So, dass ich im anderen immer auch den Menschen sehe, den Gott liebt. Vielleicht kann man das üben. Erst einmal mit den Lieblingsmenschen – da ist es leicht. Aber dann auch mit denen, die so ganz anders sind, als ich. Mit denen, die ganz andere Meinungen vertreten und anders handeln als ich. Vielleicht wäre es dann weniger kalt und rau da draußen. Und man könnte das dicke Fell öfters im Schrank lassen. Vielleicht gelingt dann auch echter Kontakt, ab und an, und man versteht sich – besser als gedacht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34427
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