SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

24OKT2021
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„Aber nicht anfassen!“ das habe ich als Kind wohl tausendmal gehört. Sie auch? Und immer gerade dann, wenn es mir so richtig in den Fingern gejuckt hat, und ich eben mit großer Lust und Neugier nach etwas greifen wollte... Und dann dieser Spielverderber-Satz von ganz oben: „Aber nicht anfassen!“

Klar, in den meisten Fällen hat das sicher Sinn gemacht. Nicht alle Gegenstände vertragen es, von Kinderhänden angefasst zu werden. Und auch nicht alle Lebewesen... - Aber was ist mit den Erwachsenen: Dürfen die nach Lust und Laune alles anfassen, was sie gerade interessiert?

Schwarze Frauen bei uns beklagen, dass ihnen erwachsene Leute unvermittelt in die Haare fassen. Offenbar sind sie neugierig, wie sich das anfühlt. Und womöglich ist es auch nicht weiter böse gemeint. - Aber ist es deswegen auch erlaubt?

„Das muss man sich mal vorstellen!“ hat eine Freundin von mir gesagt, als wir es gerade mit dem Thema hatten. „Das ist doch so was von respektlos und übergriffig! - Dir hat bestimmt noch nie einer ungefragt in die Haare gefasst, nur um mal zu sehen, wie sich das anfühlt.“

„Doch...“, habe ich geantwortet. Denn miteinemmal ist eine tiefe Kindheitserinnerung in mir wachgeworden: Hände, die nach meinen Haaren greifend und sie staunend befassen...Es ist schon sehr, sehr lange her - ich war gerade vier Jahre alt, da sind wir für ein paar Jahre nach Latein-Amerika gezogen. Und dort bin ich mit meinen feinen, weißblonden Haaren überall aufgefallen. Ständig wurden sie von irgend-jemandem befingert.

Zwar hab ich gespürt: Das war nicht böse gemeint; es war eher so ein Gemisch aus Neugierde und Staunen, über das, was man nicht kennt... Und dennoch - ich habe es ziemlich unangenehm gefunden. Am liebsten hätte ich mir ein Schild umgehängt: “Aber bitte nicht anfassen!“

Wir Erwachsenen haben niemand mehr, der uns von oben ermahnt. Schilder um den Hals sind auch keine Lösung  – aber trotzdem keine schlechte Idee: So ein Warnschild vor dem inneren Auge aufstellen: “Aber bitte nicht anfassen!“ Schließlich geht es um Respekt. Und Würde. Und die sollte niemand antasten.

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