Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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30SEP2021
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Es gibt Tage, da wird mir alles zu viel. Egal wo mein Blick hinfällt: Chaos. Das Mailpostfach quillt über, die Bäder müssten auch mal dringend geputzt werden und dann ruft auch noch der Zahnarzt an, weil ich zum zweiten Mal in Folge den Termin verbaselt habe. An solchen Tagen fühle ich mich wie gefangen. Der Alltag kommt mir vor wie ein Netz, das sich immer dichter um mich zuzieht. Die Termine und Todos sind wie enge Maschen. Ich verheddere mich darin. Und je mehr ich strample und mich abmühe, desto mehr verstricke ich mich. Wenn ich Pech habe, dann kann ich mich am Ende kaum noch rühren.

In den Gebeten der Bibel ist öfters von Netzen die Rede. Die da beten, beschreiben so, wie sie sich fühlen: eingeengt und gefangen. Verstrickt und auch hilflos. In ihrer Not wenden sie sich an Gott. Ich mache im Alltag die Erfahrung: Ein Gebet kann helfen, mit dem Chaos umzugehen. Weil es mich und mein hektisches Strampeln unterbricht. Weil es mich zur Ruhe ruft. Und das ist ja oft schon der Anfang einer Lösung: Ruhe. Denn wenn ich mich in einem echten Netz aus Schnüren verheddern würde, dann wäre das auch das einzige, was hilft: Ruhe bewahren. Sich so wenig wie möglich bewegen. Stillstehen und erst einmal meine Lage einschätzen. Welche Stricke verlaufen wo. Wo steckt mein Fuß fest und wo mein Arm. Welches Körperteil kann ich überhaupt noch bewegen? Und dann, wenn ich mir einen Überblick verschafft habe, dann kann ich langsam anfangen, mich zu befreien.

Die Ruhe des Gebetes hilft mir. Wenn ich ruhig bin, dann kann ich mir viel besser einen Überblick verschaffen. Dafür setze ich mich an meinen Schreibtisch und schreibe alles auf, was zu tun ist. Erst einmal ganz wahllos. So wie es mir in den Kopf kommt: Bäder, Zahnarzt, Emails. In einem zweiten Schritt sortiere ich dann: was ist wichtig, was nicht so sehr. Was muss sofort gemacht werden und was kann noch ein bisschen warten. Und dann mache ich einen Zeitplan. Manchmal bleibt dann trotzdem noch das Gefühl, das alles ein bisschen viel ist. Und durch das Sortieren ist die Arbeit ja auch noch nicht erledigt. Aber das Chaos lichtet sich ein wenig und ich fühle mich nicht mehr so hilflos. Irgendwie befreiend. In einem Gebet in der Bibel wird es so beschrieben: Unsre Seele ist wie ein Vogel dem Netz … entkommen; das Netz ist zerrissen und wir sind frei.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33967
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