SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

11JUL2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Wovon das Herz überfließt, davon spricht der Mund“. Ich mag diesen Satz aus der Bibel, weil es für mich einer ist, in dem Lebensweisheit steckt. Es ist ja wirklich so: Wenn ich von einer Sache total begeistert bin, dann erzähle ich so auch davon. Voller Begeisterung eben und voll Feuer und Flamme für das, was mich umtreibt. Ein neues Projekt etwa, oder der letzte Urlaub. Und kaum etwas ist so motivierend, wie einem Menschen zuzuhören, der für sein Herzensanliegen brennt und begeistert davon erzählt.

Allerdings hat der Satz auch eine Kehrseite. Und auch die kenne ich gut. Wenn ich nämlich müde bin, überarbeitet, schlechte Laune habe, dann werde ich wortkarg, bin reizbarer und manchmal auch aggressiv. Begeisternd oder motivierend für andere ist das ganz sicher nicht. Beim Lesen der Kommentarspalten in manchen Online-Magazinen frage ich mich deshalb öfter, was wohl mit Leuten los ist, die da rumpöbeln und wildfremde Menschen anblaffen. Weil die anders reden, anders ticken und anders denken als sie selbst. Was als digitaler Stammtisch gedacht ist, als Möglichkeit, ein Thema mit anderen zu diskutieren, wird so zum verbalen Schlachtfeld. Um bessere Argumente geht es selten. Eher schon darum, mal Dampf abzulassen.

Wenn das Herz aber voll ist von dem, wovon der Mund spricht. Was muss wohl einer im Herzen haben, der so drauf ist? Wieviel Ärger, Frust, Traurigkeit oder Enttäuschung über was oder wen auch immer? Und dann denke ich mir nach der ersten Wut über diesen ungehobelten Typ: Der Mensch hat ein Problem und vielleicht sogar ein großes. Wahrscheinlich täte es ihm gut, wenn er sein Herz mal jemandem ausschütten könnte, der zuhören will. Um dadurch wieder ein bisschen Platz in seinem Herzen zu schaffen für was Schönes, das ihm gut tut. Denn dann hätte auch der Mund wieder etwas zu sagen, dem man gerne zuhört.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33481
weiterlesen...