SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

27JUN2021
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Die Taufliturgie der katholischen Kirche schließt mit einer Reihe von Symbolen. Sie verdeutlichen der Taufgemeinde, was eben geschah: Dass ein Kind – von Gott geliebt – zum Leben kommt. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich dann andeutungsweise Mund und Ohren des Täuflings berühre und ihm auf aramäisch zusage: „Effata“, das heißt „Tu dich auf“. Mit diesen Worten hat einst Jesus einem Tauben die Ohren geöffnet und ihn so zum Sprechen gebracht, erzählt das Markus-Evangelium (7,31-37).

Christinnen und Christen sind – entgegen landläufiger Meinung – Sinnesmenschen. Sie sollen hellwach, mit allen Antennen auf Empfang geschaltet, durchs Leben gehen. Hellhörig lauschen auf das, was um sie herum geschieht. Nicht, um im Leben anderer Leute herumzuschnüffeln, sondern an ihrem Leben teilzunehmen.

Aufmerksam zuhören – das ist auch in der Seelsorge schon mal die halbe Miete. Wenn sich Menschen am Ende eines Gesprächs überschwänglich bedanken, weiß ich oft gar nicht, wofür. Ich hab ja kaum was gesagt, sondern vor allem zugehört.

Dass jemand „ganz Ohr“ ist – danach sehnen sich viele. Wenn man dabei die Zwischentöne nicht überhört, wird aus Zuhören Mitfühlen, Empathie, und darauf kommt es an.

„Effata“ – das heißt für die Getauften aber auch: Tu deinen Mund auf! Halt nicht hinterm Berg!

Nun gut, aber werden wir in dieser lauten Gesellschaft nicht schon genug zugedröhnt und unter mails, apps und tweets geradezu verschüttet? Von Tausenden zugepostet, die  sich in banalen Blogs und Foren wichtig tun. Wir auch noch? Ja, sagt die Bibel, aber sie gibt die Richtung vor: „Tu deinen Mund auf für die Stummen, für die Sache aller, die verlassen sind!“ (Buch der Sprüche 31,8). Und tatsächlich: Aus der Ecke ist verdammt wenig zu hören.

Das könnte bedeuten, für eine Kollegin, die ständig gehänselt und getrietzt wird, ein gutes Wort einzulegen. In einem anderen Fall, einem Anti-Semiten übers Maul zu fahren oder offen Partei zu ergreifen für Flüchtlinge, Arbeitslose oder Strafgefangene. - Man macht sich dadurch nicht gerade beliebt. Vor allem dann nicht, wenn man gegenüber Rechtsradikalen eine kesse Lippe riskiert.

„Effata“ – tu deinen Mund auf! Leisetreterei und Duckmäusertum vertragen sich nicht mit jenem Auftrag, den wir uns in der Taufe eingehandelt haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33395
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