SWR2 Wort zum Tag

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23JUN2021
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Eigentlich ist Charly Handlungsreisender - seine Firma versorgt Betriebe mit Schmierstoffen für ihre Maschinen. In Schlips und Kragen verhandelt er mit den Bossen und etwas später steht er im Blaumann mit den Malochern am Band. Da kommt er schon auf ein paar Tausend Kontakte im Jahr, vor Corona und hoffentlich bald auch wieder.

Aber eigentlich bin ich so was wie ein Betriebsseelsorger, sagt er. Er ist trockener Alkoholiker und geht ganz offen damit um. Auch als Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern.

Was glaubst du, wie viele Leute morgens schon bechern müssen, damit sie überhaupt ans Arbeiten kommen… Charly merkt das und spricht das Thema an – die Kollegen oder Chefs haben manchmal ja selbst ein Alkoholproblem, sind workaholics oder vom Internet abhängig. Die haben weder Zeit für noch Lust auf die Probleme von anderen…

Keine Ahnung, was er den Kollegen in den Betrieben dann sagt. Aber die Botschaft der Anonymen Alkoholiker ist einfach: Wo Menschen sich ehrlich und mit anderen zusammen ihrem Problem und der gemeinsamen Krankheit stellen, da beginnt eine Kraft zu wirken, die ist größer als der einzelne Mensch und mehr als die beiden zusammen. Vielleicht hat Jesus das ja auch im Blick gehabt mit dem Wort, „wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind…“ Charly selbst macht diese Erfahrung jeden Tag aufs Neue. Jetzt gerade, in Pandemie-Zeiten, übrigens weltweit: Statt Kontakt-Sperre haben viele Anonyme Alkoholiker ihre GruppenTreffen digitalisiert und damit noch internationaler aufgestellt. Dass wenigstens zwei sich treffen, das geht jetzt 24 Stunden pro Tag – rund um den Globus…

An Charly denke ich, wenn ich im Trierer Dom vor der Figur von Peter Friedhofen stehe. Der Tagesheilige von heute war Schornsteinfeger – ähnlich wie Charly unterwegs von Haus zu Haus. Viel Elend und Krankheit und Not bekam er da zu sehen, jeden Tag. Er hat hingeschaut und sich engagiert, zuerst allein; aber bald schon hat er mit anderen zusammen seinen Krankenpflege-Orden gegründet: die Barmherzigen Brüder.

Ihr Motto: Not sehen und handeln – das ist christlich, das macht heilig; und Not gibt es überall und schon lange vor Corona-Zeiten. Aber gerade in der Pandemie lernt auch unsere reiche Gesellschaft, wie wichtig es ist, den Menschen in Not zu helfen und dabei zusammenzuhalten.

Charly will, glaube ich, wohl kein Heiliger werden, aber die Botschaft gibt er weiter, jeden Tag: wo zwei oder drei so zusammen sind, wirkt die große Kraft…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33379
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