SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

11APR2021
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Menschen sind Gemeinschaftswesen und sollten nicht nur allein sein. Aber in der Corona-Zeit bleibt oft nichts anderes. Vielleicht kann man diese Zeit nutzen, um sich besser kennenzulernen.

Die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Zeit haben etwas verändert: Ich bin häufiger mit mir allein. Das macht mir zu schaffen. Das merke ich, obwohl ich ja immerhin noch täglich meine Familie um mich herum habe. Wie muss es dann Menschen gehen, die nicht mit einem Partner oder in einer Gruppe zusammenleben?Als Mensch brauche ich den Austausch mit anderen. Ich genüge mir nicht selbst. Das hat Corona mir deutlich gezeigt.

Aber zugleich gilt ja auch: Als Mensch bin ich ein Alleinstehender. Es gibt Situationen, in denen bin ich immer für mich. Schon bei meiner Geburt zum Beispiel – und auch den allerletzten Weg des Sterbens muss ich allein gehen. Auch manche große Lebensentscheidung muss ich letztlich allein verantworten, niemand nimmt mir das ab. Das kann ich nicht ändern – egal, mit wie vielen Leuten ich mich umgebe.

Vielleicht ist es ja sogar so: Nur wer es mit sich selbst gut aushält, kann dann auch mit anderen Menschen sinnvoll Zeit verbringen. Wenn jemand in einer Runde einfach nicht schweigen kann, ständig neue Witze zum Besten geben oder gute Laune verbreiten will, dann finde ich das sehr anstrengend.

Jesus hat sehr viel Zeit mit anderen Menschen verbracht. Garantiert war er alles andere als ein Einzelgänger. Aber ganz am Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit hat er vierzig Tage für sich in der Wüste verbracht [vgl. Markus 1,12-13 und Parallelstellen]. Und es wird erzählt, wie er sich auch danach noch regelmäßig an einsame Orte zurückzieht. Offenbar hat er das gebraucht, um im Gleichgewicht zu sein.

So gesehen könnte ich die Corona-Zeit doch auch als Chance sehen: In den ungewohnten längeren Phasen des Alleinseins kann ich mir selbst auf die Spur kommen. Mich besser kennenlernen. Ich kann herausfinden, was mir wehtut, was ich brauche, was ich will. Das kann anstrengend und schmerzhaft sein. Manches habe ich vielleicht genau deshalb verdrängt bisher. Aber als Christ glaube ich: Gott hatte einen Grund, mich genau so zu schaffen. Ich bin gewollt und geliebt, wie ich bin. Dann kann doch auch ich mit mir klarkommen, sozusagen Freundschaft mit mir selbst schließen.Und ich glaube: Wenn mir das gelingt, kann ich auch anderen Menschen gut begegnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32944
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