Eine Heiligabenderinnerung werde ich einfach nicht los. Ich habe sie gehasst, die Strumpfhosen, die ich wohl nur an Weihnachten anziehen musste – in dem Alter halt, wo die Eltern noch  das Sagen über die Garderobe haben. Es war unangenehm und ungewohnt und dennoch – Weihnachten musste so sein. Es hat dazugehört. Das Kratzen an den Beinen ist so präsent wie der Geschmack des Heiligabendessens oder die kribbelnde Spannung, wenn das erste Geschenk ausgepackt werden durfte. Die Strumpfhose erinnert mich daran: Zu Weihnachten gehören auch negative Erinnerungen, Gezwungenes und Unverständliches. Weihnachten ist selten ein Sechser in Lotto: Wann gab es schon weiße Weihnacht, wie viele sind jedes Jahr allein,  wie oft gibt es Streit?  Ein Weihnachten, wo alle glücklich sind, wo alles stimmt, ohne kratzende Strumpfhose oder das Gefühl, zu viel gegessen zu haben. Gibt es das?

Einmal habe ich Weihnachten in Kanada gefeiert, weit weg von zuhause. Mit viel Heimweh. Ohne kratzende Strumpfhose, aber etwas anderes kratzte an mir. Es war einfach alles anders. In Kanada gibt es an Heiligabend keine Bescherung, niemand denkt an den Nikolaustag und mir hat das Lied „O du fröhliche“ gefehlt. Aber ich habe dabei gelernt: es muss nicht perfekt sein, um schön zu sein. Es darf auch anders sein als immer. Neues zulassen, Altes hervorkramen. Es ist trotzdem noch Weihnachten, weil Gott selber einlädt, dieses Fest zu feiern. Wir feiern Geburtstage ja auch nicht immer gleich, warum sollte das Jesus tun?

Ich werde mich heute nicht mehr in Strumpfhosen zwängen, die zu sehr kratzen. Aber ich werde das gute Rezept für das Heiligabendfrikassee meiner Mutter genießen und laut „O du fröhliche“ singen. Wenigstens zu Hause oder draußen, wenn ich das jetzt in der Kirche nicht darf.

So kann es trotz allem, was dieses Jahr anders ist, doch ein besonders schönes Weihnachten werden – mit Neuem und Alten.  Das Wichtigste bleibt: Gott ist bei uns. 2020 und auch im neuen Jahr, das vor der Tür steht.