Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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19DEZ2020
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Bevor meine Tochter mit ihrem Studium begonnen hat, ist sie für zwei Tage an ihren neuen Studienort gereist um sich Zimmer anzuschauen. Am Abend des ersten Tages schrieb sie uns: „Alleine Essen gehen ist doof.“ Sie war an einem Dönerimbiss gewesen und hatte sich dort etwas besorgt. Eine Art schnelles Abendessen to go gewissermaßen. Ich konnte gut verstehen, was sie damit meint. Wenn ich dienstlich unterwegs und abends allein im Hotel bin, dann gehe ich manchmal etwas essen. Allein. Aber das ist einfach nicht dasselbe, als wenn Freunde oder Kolleginnen mit am Tisch sind. In aller Regel esse ich schneller und gehe bald danach wieder ins Hotel. Mich noch länger aufzuhalten, mir vielleicht ein zweites Glas Wein zu bestellen, dazu hab ich meistens keine Lust. Gemeinsam essen zu gehen ist eben etwas völlig anderes.
In meinem Studium hab ich mal gelernt, dass das gemeinsame Essen, die Gemeinschaft am Tisch, die zweitengste Form sei, in der wir als Menschen zusammenkommen. Davor steht nur noch das Bett. Und dass Jesus darum bewusst ein Essen mit seinen Freunden als jenes Zeichen gewählt hat, durch das er mit ihnen verbunden bleiben wollte, bis heute.

An diese Gedanken meines Professors habe ich später noch oft gedacht. Weil sie mir immer wieder deutlich gemacht haben, dass es nicht nur schön ist, sondern auch so wichtig. Zumindest ab und zu gemeinsam zu essen. Sich Zeit dafür zu nehmen. Das Essen und die gemeinsame Zeit miteinander zu teilen und zu genießen. Und darum habe ich in diesen Monaten der Pandemie und der unvermeidlichen Kontaktbeschränkungen auch kaum etwas so sehr vermisst wie das. Gemeinsam mit lieben Menschen in meinem Lieblingsrestaurant einen Abend zu verbringen. Und freue mich schon jetzt darauf, wenn das hoffentlich bald wieder möglich ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32215
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