SWR2 Wort zum Tag

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12DEZ2020
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Das ist ein richtig guter Vorschlag in diesem seltsam finsteren Advent. Er kommt von den Jesuiten, die ja immer mal eine gute Idee haben. Ist aber einfach und kann jede und jeder mitmachen – oder es zumindest versuchen.

„Trotzdem dankbar“, nennen sie ihre Kampagne; Das vergangene Jahr war ja für alle schwierig. Erster und zweiter Lockdown, mehr oder weniger Stillstand überall; Menschen gehen auf Abstand, um einander zu schützen, viele bangen um ihre Existenz, alle möglichen Einrichtungen bleiben zu. So eine Krise legt massenhaft Probleme frei; Verunsicherung und Ängste verändern die Menschen und die Gesellschaft.

Gründe genug, zu verzagen und unablässig zu klagen und zu trauern. Auf der anderen Seite ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine dankbare Lebenshaltung das Immunsystem stärkt und Menschen krisenresistenter machen kann. Zusammen mit ihrem Ordensgründer Ignatius von Loyola sind die Jesuiten von der Wirkung der Dankbarkeit überzeugt. Sie schlagen vor, sie als Lebensstil neu zu üben oder es wenigstens zu versuchen.

Ich habe neu damit angefangen – und es funktioniert. Es gehört zum Tagesrückblick, meistens spätabends oder in der Nacht; ich schaue auf den Tag zurück und halte mir vor Augen, was mir heute Gutes widerfahren ist. Schon klar: da werden auch Erinnerungen dabei sein, die – gerade in pandemischen Zeiten – weniger schön sind. Im Moment bleibe ich mal bei den Erfahrungen, für die ich dankbar war, schon tagsüber. Da habe ich hoffentlich auch „danke“ gesagt – dem jungen Mann etwa, der mir die Tür offengehalten hatte, als ich vollbepackt ins Haus kam. Oder der Verkäuferin, die mich an die Maske erinnert hatte, die von der Nase runtergerutscht war. Kleine Sachen – und gelegentlich auch mal große dabei. Schon die Tatsache, dass ich ein Zuhause habe und dass da ein lieber Mensch auf mich wartet – auch wenn es vielleicht manchmal einfach selbstverständlich scheint. Ist trotzdem Grund genug, dankbar zu sein.

Für mich ergänze ich das „Trotzdem dankbar“ der Jesuiten-Kampagne um ein kleines Blitzlicht am frühen Morgen, kurz vor dem Aufstehen oder noch vor dem Spiegel im Bad. Ich versuche mich schon mal zu erinnern, im Voraus, worauf ich mich heute freuen kann. Dann weiß ich vielleicht auch schon, was mich dankbar machen wird – im Lauf des Tages und dann abends noch mal, beim Rückblick.

Ich freue mich jedenfalls, dass wir heute abend die dritte Kerze anzünden am Adventskranz. Dankbar, dass es trotz allem nur noch elf Tage bis Weihnachten sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32187
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