SWR2 Wort zum Tag

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11DEZ2020
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Eigentlich schade um den Quittenbaum, hatten wir gedacht. Es ist eine Apfelquitte, circa fünfzehn Jahre alt. Die hatte uns jahrelang reich beschenkt – mit tollen Blüten im Frühjahr. Und bis zu hundert Kilo von den sehr harten Früchten haben wir geerntet – mehr als wir je hätten verbrauchen und verarbeiten können. Viele Nachbarn und andere Leute hatten dann auch was davon.

Schade, wie gesagt – weil der Quittenbaum leider hart an der Fläche steht, die wir für unseren altersgerechten Erweiterungsbau brauchten. Und dann haben wir uns entschieden, der Quitte erst mal noch eine Chance zu geben. Ein wichtiger Ast musste aber leider ab – und der Bagger hat fast ein Drittel der Wurzeln weggegraben. Kein Wunder: null oder fast keine Ernte im ersten und zweiten Jahr, nachdem wir den Anbau bezogen hatten.

Dieses Jahr hat uns dann der Baum selbst gelehrt, wie sehr die Bibel doch Recht hat: Da erzählt Jesus ja von einem Feigenbaum in einem Weinberg, der seit drei Jahren keine Feigen mehr trägt. Den soll sein Mitarbeiter doch lieber umhauen und ausreißen, ordnet der Winzer an – damit der Weinberg mehr Wasser bekommt und besser trägt. Schade, denkt der Knecht – und schlägt vor, dass er noch mal den Boden lockert und Dünger einbringt… – Gib ihm noch eine Chance…

Zugegeben: Auch wir waren kurz davor, unsere Quitte auszuhauen. Aber dann: Viele Blüten im Frühjahr, viele Fruchtansätze, – und Anfang November hatten wir wieder über achtzig Kilo Quitten zum Pflücken und Verarbeiten und Verteilen.

Gebt ihr noch eine Chance – das scheint sogar da noch zu gelten, wo wir selber zuvor die Wahrscheinlichkeit reduziert hatten – ein Drittel der Wurzeln weg, wie bei unserer Quitte. Oder wenn wir bisher jemand zu wenig Wertschätzung und Anerkennung entgegengebracht haben. Gib ihm noch eine Chance – Jesus nennt das: umkehren. Von dem Feigenbaum erzählt er nämlich als Gleichnis dafür, wie wichtig Umkehr und Neu-Anfang sind. Wichtig für bessere Beziehungen zwischen Menschen und zu Gott – und offenbar auch für das Verhältnis der Menschen zur Natur. Umkehr – das ist beides: anderen einen neuen Anfang möglich machen, wie das der Knecht beim Feigenbaum tut. Und: die Gelegenheit dann auch selbst ergreifen, die jemand mir gibt.

Gott jedenfalls gibt jeder und jedem immer noch eine Chance; umkehren und neu anfangen – dazu müssen die Menschen sich dann nur noch entscheiden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32186
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