SWR2 Wort zum Tag

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08DEZ2020
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Maria steht heute im Mittelpunkt, jedenfalls in den katholischen Kirchen. Maria Immaculata, genauer gesagt, die Maria, die schon ganz von Anfang an, also seit ihrer Zeugung, ohne Sünde gewesen ist oder gewesen sein soll.

Ganz ohne Sünde – auf den ersten Blick spricht das von unerreichbarer Tugend. Als wenn das jemand könnte: sich sozusagen aus allem heraushalten, was auch nur ein bisschen unkorrekt ist, was andere Menschen beschädigt oder belastet, was mir selbst einen Vorteil verschafft auf Kosten von anderen. Einfach immer nur gut sein – schwierig, denke ich. Und deswegen wäre ein Mädchen oder eine junge Frau auch keine Hilfe und kein Vorbild, die einfach schon immer freigestellt gewesen wäre; die also nie in irgendeine Versuchung geraten wäre und ihr nachgegeben hätte, so ganz im Alltag.

Die Maria, die ich mir vorstelle, also die junge Frau aus Nazaret, die Jesus zur Welt gebracht hat, die hat die Alltagswelt da im Dorf sicher so gekannt wie alle anderen. Die hat Streiche gespielt, ihre Eltern geärgert, vielleicht auch mal die Schule geschwänzt und mit den Freundinnen gekichert über irgendeinen Alten, der sie ausgeschimpft hatte. Eine ganz normale Frau eben.

Geändert hat sich ihr Leben, als sie schwanger geworden war, ohne das ganz zu verstehen. Und als ihr dann klar geworden ist, dass sie da ein ganz besonderes Kind in sich trägt. Diese Erkenntnis bricht eines Tages aus ihr heraus – so erzählt es jedenfalls das Lukas-Evangelium. Und sie singt ein Loblied auf Gott; weil Gott mehr tut als nur etwas besonderes. Gott stürzt die Welt um, singt sie; Hochmut und Macht gehen unter, erniedrigte Menschen kommen nach oben; Hungrige werden satt und Reiche gehen leer aus. Wer diese Hoffnung der Menschen besingen und zur Sprache bringen kann, die kennt die Welt – mit ihren Stärken und vor allem mit ihren Schwächen. Und mit ihrem Hang zur Sünde.

Wichtig ist mir, dass die junge Frau aus Nazaret sich auf Gott eingelassen und Jesus das Leben geschenkt hat. Mit dem hat der Umsturz der Welt angefangen – auch wenn die Menschheit immer noch darauf wartet und daran arbeitet – warten, ohne die Hände in den Schoß zu legen: das nenne ich Advent… Es bleibt die Hoffnung der Christenheit und aller Menschen, dass das Böse unterliegt und dass das Gute sich durchsetzen kann, das Gott jedem Menschen eigentlich mitgegeben hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32183
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