Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05DEZ2020
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„Oh Heiland, reiß die Himmel auf“. Dieses uralte Adventslied berührt mich im Corona-Jahrganz besonders. Es beschreibt Not und Tod im „Dreißigjährigen Krieg“, der 1648 zu Ende ging. Abertausende von Menschen hatten diesen Wahnsinn mit ihrem Leben bezahlt. Aber damit nicht genug: Wie eine tödliche Schleppe zogen die marodierenden Truppen die Pestilenz hinter sich her, den „Schwarzen Tod“ im Gefolge.

Hysterisch suchte man auch schon damals nach Schuldigen. Die schlimmste Verschwörungstheorie war der Hexenwahn. Die Hexen mussten es sein, so glaubte man, denn die stehen ja angeblich mit dem Teufel im Bunde. Tausende von Frauen wurden in den Folterkellern übel zu Tode gebracht. In düsteren Bildern beschreibt der Jesuit Friedrich Spee in diesem Adventslied die Not in diesem „Jammertal“. Er hatte als Seelsorger viele der unter Folter verurteilten Frauen auf ihrem letzten Weg begleitet. Bitter bricht die Klage aus ihm heraus: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?“

Da ist sie wieder: Die bekannte Frage nach Gott, der scheinbar unbeteiligt zusieht, wie seine Geschöpfe vor die Hunde gehen oder sich selbst zugrunde richten. Auch heute – in Corona-Zeiten – gerät der Glaube bei manchen Menschen ins Wanken. Wann wird diese Pandemie endlich ein Ende haben? Wie lange raubt sie uns noch den Atem? Wie viele Menschen werden noch leiden und sterben müssen?

Friedrich Spee gelingt es, seine bittere Klage dann doch in eine flehende Bitte zu verwandeln. Mit dem letzten Funken seines Gottvertrauens beschwört er ihn geradezu, Schloss und Riegel der Gefängnisse zu sprengen und diesem Wahn ein Ende zu setzen. In immer neuen Bildern fordert er von Gott sein Erbarmen. Es falle wie Tau vom Himmel, wie Regen aus den Wolken. Gottes Güte sprieße hervor wie eine Blüte aus der Erde, so betet der geistliche Dichter in seinem Lied. Und schließt dieses Gebet ab mit den Worten: „O komm, o komm vom höchsten Saal, und tröst´ uns hier im Jammertal“.

Dieses Vertrauen steckt mich an.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32139
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