SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

08NOV2020
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Jesus hat gesagt: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“

Ich muss jedesmal schlucken, wenn ich das höre. Den Nächsten lieben ist ja schon nicht einfach. Aber den Feind? Also zum Beispiel einen Neo-Nazi, mit Kampfstiefeln und Hassparolen...? – Wie soll das gehen?

Ich habe einen Beitrag im Fernsehen gesehen, da hat einer genau das gemacht. Und zwar in Nord-Amerika. Der Neo-Nazi, ein junger Mann - ich nenn ihn mal Sam - hatte zu Hause viel Gewalt erlebt. Und als er von zu Hause weg ist, hat er endlich irgendwo dazugehören wollen; und sich stark fühlen. Und so hat er sich einer Gruppe von gewalttätigen Rechtsextremen angeschlossen. Das Ende vom Lied: Irgendwann ist Sam im Knast gelandet. Als er wieder rausgekommen ist, ein Hakenkreuz auf den Rücken und voller Judenhass im Herzen, ist er auf Arbeitssuche gegangen. Und ausgerechnet der jüdische Inhaber einer Gärtnerei hat ihn angestellt.

„Aber ich bin ein Nazi mit einem Hakenkreuz im Nacken...“ hat Sam gesagt.
„Ist mir egal“, hat der Geschäftsinhaber geantwortet, „solange du deine Arbeit tust.“ Also hat Sam gearbeitet.

Als der Tag der Bezahlung gekommen ist, ist Sam sicher gewesen: „Das ist ein Jude. Der wird mich bestimmt reinlegen, und mir viel weniger geben, als mir zusteht.“ Doch der Geschäftsinhaber hat ihm nicht nur den versprochenen Lohn gegeben; er hat noch etwas draufgelegt, weil er so ordentlich gearbeitet hat. Sam hat die Welt nicht mehr verstanden...

Ein paar Tage später ist ihm ein Ton-Kübel runtergefallen. Er ist zum Chef gegangen und hat ihm den Schaden gezeigt. Der hat nur genickt und es notiert.
„Bestimmt geht das jetzt ordentlich von meinem Lohn ab“, hat Sam gedacht. Aber wieder ist es anders gekommen: am Ende des Monats hat er seinen ganzen Lohn ausgezahlt bekommen.

An dem Tag ist in ihm eine Wende geschehen. Er hat die Kampfstiefel in den Keller geworfen und sie nicht mehr angerührt. - Wie ist das gekommen?

Der jüdische Geschäftsinhaber hat sich von den Symbolen der Feindschaft nicht beeindrucken lassen. Er hat Sam einfach so anständig behandelt, wie jeden anderen auch. Und das hat Sams Hass den Wind aus den Segeln genommen.  Das ist in meinen Augen mit Feindesliebe gemeint.

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