SWR2 Wort zum Tag

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12OKT2020
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Die Frage stellt sich ja öfter mal: Wer soll anfangen zu reden. Wer hat was Spannendes zu sagen. Oder was Neues oder das, was uns sonstwie weiterbringt… Und meist ist das auch ein bisschen eine Machtfrage: wer hat die lauteste Stimme oder die breiteste Brust und deswegen auch ganz automatisch als erste oder als erster das Wort…

Im Bundestag spricht als erstes die größte Oppositions-Partei, wenn die Regierung das Ihre gesagt hat. Manchmal ist es einfach der Dienst-Rang in der Hierarchie, nach dem sich die Reihenfolge bestimmt.  Oder wer ist am längsten im Unternehmen…

Vor anderthalb tausend Jahren schon hat der heilige Benedikt  in seine Ordensregel geschrieben,  dass der Abt alle Mönche des Klosters zusammenrufen soll, wenn eine wichtige Entscheidung ansteht, statt allein zu überlegen  wie er am Schluss entscheidet.  Er ist schließlich verantwortlich,  aber erst mal soll er eben alle zusammenrufen und die Sache mit ihnen beraten. Mit allen zusammen „… weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart,  was das Bessere ist.“ Steht wörtlich so in der Klosterregel.

Manche Klostergemeinschaft hat aus dieser Erkenntnis  auch eine Rede-Ordnung abgeleitet: bei ihnen spricht nach dem Abt deswegen als erster der jüngste Mönch – weil ja die Hoffnung besteht, dass die Versammlung da ein wenig schneller erfährt, was jetzt besser zu tun wäre –  also: was Gottes Willen mehr entsprechen könnte.

Vorstellbar, dass so eine Regel auch in der Politik oder sogar in der Familie gelten könnte. Von der Kirche ganz zu schweigen. Natürlich zählen da Erfahrung und Weisheit – gern Altersweisheit genannt. Also lass erstmal die Älteren reden… Schade nur, dass dabei allzu oft übersehen wird, wie relativ auch Lebenserfahrung sein kann.  Wie leicht sie mit dem Label „Das war schon immer so“ daherkommt. Familie und Gesellschaft und übrigens auch die Kirche  hätten die Chance, auch mal neue Erfahrungen zu machen, Experimente zu wagen, bessere Entscheidungen zu treffen, wenn die Jüngsten zuerst das Wort hätten.

Egal, ob man das heute noch so sagen würde:  den Jüngeren sagt Gott, was das Bessere ist – für heute müsste jedenfalls gelten, dass die jüngeren Leute schon deswegen mehr  und vielleicht wirklich als erste was zu sagen haben, weil es schließlich bei den großen Entscheidungen meist um ihre Zukunft geht. Und weil die Alten diese Erde und ihre Schätze  von den Jungen ja nur gepachtet haben –  schon deswegen sollten die mitreden und hätten die Älteren ihnen besser zuzuhören.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31837
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