SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

07OKT2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Von den Menschen, die mir in der letzten Zeit begegnet sind, bleibt mir eine besondere Spezies in Erinnerung. Es sind die freundlichen Zeitgenossen. Männer und Frauen, die trotz handfester Gründe, die sie hätten, um gestresst oder verbittert durchs Leben zu gehen, sich eine gewisse Gelassenheit und Freundlichkeit bewahrt haben.

Eine Gelöstheit, manchmal geradezu eine Heiterkeit, an die ich mich gerne erinnere. Gerade dann, wenn ich selbst dabei bin, ungeduldig oder nervös zu werden.

Freundlichkeit, hat der amerikanische Schriftsteller Mark Twain geschrieben, ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können. Und, würde ich ergänzen, die uns allen das Leben erträglicher macht. Wie schön, wenn diese Sprache gesprochen wird und Verbreitung findet. Gleich wird es um mich herum ein bisschen heller.

Natürlich gibt es auch eine Menge von Gründen, nicht freundlich zu sein. Wenn ich mich überhört, übersehen oder übergangen fühle. Oder einfach das Gefühl habe, dass mir im Moment alles zu viel wird.

Ich finde schon, dass man das sehen und ernst nehmen muss. Nur – giftiges oder polterndes Verhalten, unfreundliches Auftreten und Austeilen von bösartigen Kommentaren hat noch kein Problem gelöst.

Freundlichkeit ist übrigens nicht mit Nettigkeit zu verwechseln. Man kann freundlich sein und zugewandt auch dann, wenn man in der Sache ganz anderer Ansicht ist. Ich bewundere solche Menschen, die aufmerksam zuhören, andere ausreden lassen und versuchen deren Gedankengang nachzuvollziehen.

Und die dann freundlich darlegen, dass sie total anderer Meinung sind. Vorbildlich, finde ich! Denn ein freundlicher Umgangston schafft ein Klima, wo schließlich auch Lösungen für die großen und schwierigen Fragen gefunden werden können.

Eine der für mich schönsten Bibelstellen spricht davon, dass Gott sich den Menschen bekannt gemacht hat durch seine Freundlichkeit. „Darum ist erschienen die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes“, heißt es in einem Brief des neuen Testaments. Freundlichkeit, davon bin ich überzeugt, ist eine Weise der Anwesenheit Gottes.

Darum faszinieren mich immer wieder Menschen, die in ihrem Umgang freundlich sind und zugewandt. Weil in ihrer Haltung etwas Göttliches aufleuchtet. So dass Taube zu hören beginnen, Blinde sehen und Verstummte ihre wieder Sprache finden.

Ich wünsche Ihnen einen freundlichen guten Morgen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31778
weiterlesen...