SWR2 Wort zum Tag

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06OKT2020
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Glauben Sie an Wunder? Albert Einstein, Physiker und Begründer der Relativitätstheorie, hat es getan. „Es gibt zwei Arten sein Leben zu leben“, hat er einmal geschrieben, „entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines.“ Und er hat hinzugefügt: „Ich glaube an Letzteres.”

Ich vermute, das hat damit zu tun, dass sich Einstein ein Leben lang sein kindliches Staunen bewahrt hat. Was eine gute Voraussetzung ist, um ein exzellenter Wissenschaftler zu werden.

Vieles geht ja verloren, bis ein Mensch so richtig erwachsen geworden ist. Vor allem die Fähigkeit, auch über die allerkleinsten Dinge zu staunen.  

Eine Gruppe von Altersforschern in San Francisco hat sich kürzlich dieses Themas angenommen. Die Wissenschaftler hatten beobachtet, dass bei vielen Menschen im Alter die Ängste zunehmen und sie in eine Endlosschleife aus Sorgen und Grübelei geraten.

Mit einfachen Mitteln wollten sie zeigen, wie es gelingt, sich zuversichtlicher durch die Welt zu bewegen. Das Rezept dazu: Staunen lernen.

In einem Experiment wurden Freiwillige angeregt, acht Wochen lang jeden Morgen fünfzehn Minuten spazieren zu gehen. Die Hälfte der Gruppe sollte dabei auf die Umgebung achten und das Staunen üben, wenn ihnen etwas bemerkenswert vorkam.

Die andere Hälfte zog ohne weitere Vorgaben los. Der Erfolg des Selbstversuchs wurde dann an den Fotos gemessen, die die Teilnehmer gemacht hatten.

Auffallend war: die Bilder der „Staungruppe“ sahen ganz anders aus als jene der Vergleichsgruppe. Auf ihren Fotos war zunehmend mehr von der Umgebung draußen zu sehen. Sie selbst standen immer weniger im Mittelpunkt. Und sahen am Ende deutlich entspannter und gelöster aus.

Einer der Forscher sagt dazu: "Staunen rückt unsere Perspektive zurecht und zeigt uns, dass die Welt nicht nur aus uns besteht.“

Im Staunen nämlich lenke ich meine Energie nach außen. Und löse mich aus dem Kreisel der Selbstbeschäftigung.

Dafür, finde ich, gibt es viele Wege. Nicht jeder wird gleich Naturwissenschaftler wie Albert Einstein. Die großen Wunder, glaube ich, erlebt man sowieso am besten im Kleinen. Ich gehe dazu gerne hinaus in die Natur. Oder arbeite einen halben Tag im Garten. Genieße die Ruhe eines Kirchenraumes. Erfreue mich an der Komposition eines Musikstückes.

Und entscheide mich dafür, mit denen zu sympathisieren, für die die Welt ein Wunder ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31777
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