SWR2 Wort zum Tag

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19SEP2020
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Nach dem jüdischen Kalender ist heute Neujahrsfest, Rosh Haschanah. Das Fest hat gestern Abend begonnen und dauert zwei Tage. Damit beginnt für Juden das Jahr 5781 nach der Schöpfung der Welt. Jüdische Menschen verbinden diesen Tag mit einem Neuanfang, deshalb ziehen sie Bilanz über ihr Leben und fassen neue Vorsätze.  Sie essen dabei viele Süßigkeiten, weil das kommende Jahr möglichst süß werden soll. Eine besondere Bedeutung hat dabei der Granatapfel mit seinen vielen Kernen, die dafür stehen, dass der Mensch möglichst viel zu seinen Rechten kommen soll. Bei all diesen Traditionen geht es darum, etwas Neues anzupacken. Mit frischer Motivation und guten Vorsätzen. 

Für mich sind diese Wochen im Spätsommer auch von Neuanfängen geprägt. Viele Kinder und Jugendliche fangen jetzt wieder mit der Schule an, und für ihre Eltern hat der Wiedereinstieg in die Arbeit nach dem Sommerurlaub meistens auch schon längst begonnen. Besonders in diesem Herbst, wo wir womöglich mit Corona-Ausbrüchen zu tun haben werden, finde ich es wichtig, Kraft für solche Neuanfänge zu schöpfen. 

Vermutlich haben die Juden bei der Einführung des Neujahrsfests an den Kreislauf der Natur gedacht. Jetzt, wenn im Herbst die Ernte eingebracht wird, denkt man schon daran, dass wieder ausgesät wird und dass die Pflanzen neu keimen. Mit der Ernte fängt das neue schon an. Dieser Kreislauf zeigt für sie, dass Gott als Schöpfer dieser Welt will, dass sich auf der Erde Leben entfaltet.

Viele Menschen sind heute weit entfernt von dieser Naturnähe. Für mich als Christ hat dieser zuversichtliche Blick meiner jüdischen Brüder und Schwestern aber nichts Fremdes. Ich vertraue wie sie darauf, dass Gott es gut mit mir und mit uns allen meint, weil er als Schöpfer alles liebt, was lebt. Das ist die Basis. Deshalb freue ich mich mit ihnen zu ihrem Neujahrsfest und hoffe, dass ich auch etwas von dem Schwung mitbekomme, den sie an diesem Fest mit ihren Traditionen ausleben. Ich nehme es gerne als Anlass, mein Gottvertrauen neu auszurichten. Bei alledem, was uns Menschen auf dieser Welt mit Corona gerade gemeinsam belastet, tröstet es mich, wenn ich sehe, dass andere Menschen so eine Zuversicht von Gott her schöpfen. Deshalb wünsche ich allen jüdischen Brüdern und Schwestern und der gesamten Menschheitsfamilie in diesen Zeiten ein möglichst süßes neues Jahr!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31708
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