SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

31AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Sie hätte gern noch länger gelebt –  jedenfalls wünschte meine Mutter sich von dem jungen Arzt bei der Notfalluntersuchung, dass er ihr noch ein paar gute Jahre schenkt, wenn’s geht. Letzten Freitag haben wir sie auf ihrem allerletzten Weg begleitet; mitten in ihrem 91. Lebensjahr war die Kraft zu Ende gewesen. Wir sind sehr traurig.

Und zugleich fühlen wir uns reich beschenkt: Mutters letzte Wege waren gute Wege – angefangen bei der liebevollen Pflege im Altenheim und zuletzt im Krankenhaus – alles andere als einfach unter Corona-Pandemie-Bedingungen. Über den Abschiedsraum in einer früheren Kirche. Da lag sie im offenen Sarg –  und die Familie und manche Freundinnen und Bekannte konnten sich noch einmal – persönlich sozusagen – verabschieden. Am Freitag schließlich, im Auferstehungsgottesdienst; bei dem war sie im geschlossenen Sarg dabei – und mit ihr zusammen  konnten wir ihre und unserer Hoffnung aussprechen und feiern, dass ein neues Leben begonnen hat und beginnen wird, wenn es hier zu Ende geht mit uns. Und schließlich, als schon die Erde den Sarg bedeckte,  die letzten Worte der Hoffnung. Viele haben Mutter Irmgard noch ein Wort nachgerufen oder einen Gedanken hinterhergeschickt; sie haben eine Blume oder eine Handvoll Erde auf den Sarg getan oder sich einfach nur verneigt.

Ganz viele Erinnerungen waren den ganzen Tag über bei uns. Geschichten wurden erzählt, Bilder entstanden wieder oder ganz neu… Weißt du noch, wie sie schelmisch hinter dir her lächeln konnte, wenn du mal wieder Recht zu haben glaubtest…  mit welcher Liebe sie das Haus und die Blumen versorgt hat; wie sie sieben Kinder hat groß werden lassen,  obwohl sie oft selbst so stark eingeschränkt war…

Beim Beerdigungskaffee hinterher waren wohl auch viele dabei, denen der Glaube an eine Auferstehung der Toten eher fremd ist. Aber ganz lebendig ist Mutter rund um ihre Beerdigung gewesen –  in Geschichten und Gedanken und Liedern und auch in deren Erinnerungen: so lebt sie sicher auch bei Gott mehr als nur in Erinnerung. Jetzt schon lebt sie – anders, als ich es mir vorstellen kann, bestimmt. Aber sicher mit ihrem Mann Rudi und ihrem Enkel Johannes zusammen und allen, die vor ihr gegangen waren. Und in diesem neuen Leben erwartet sie dann auch uns und wird uns in Empfang nehmen – ihre Kinder und Kindeskinder  und wenn die Zeit gekommen ist, auch alle anderen und mich. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31567
weiterlesen...