SWR2 Wort zum Tag

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10AUG2020
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„Ich glaube nur, was ich sehe“ - stand auf einem Plakat zu lesen, das ein Mann bei einer Demonstration gegen die Corona-Auflagen in die Höhe gehalten hat.

Ich finde, das ist kein kluger Satz! Und zwar aus zwei Gründen nicht.
Erstens: was ich sehe, muss ich nicht glauben. Denn ich kann es ja begreifen, vermessen, berechnen. Was ich sehe sind Tatsachen, die kann ich anerkennen oder nicht anerkennen. Aber glauben muss ich sie nicht.

Und zweitens: wenn ich mich nur auf das verlassen würde, was ich sehe, dann hätte ich ein sehr beschränktes Weltbild. Schließlich ist das Wesentliche von dem, was das Leben eines Menschen ausmacht, dem Auge nicht zugänglich. Und lässt sich objektiv gar nicht erfassen. Weder das, was einen Menschen antreibt und inspiriert in seinem Leben. Noch auch das, was ihn hemmt oder ängstigt.

Es wäre - im wörtlichen Sinn – auch ein sehr kurzsichtiges Weltbild, das sich nur auf den Augenschein verließe. Im Blick auf das Corona-Virus hat der Philosoph Wilhelm Schmidt geschrieben: „Da fliegt etwas durch die Luft, das wir nicht sehen, nicht riechen, nicht ertasten können und das trotzdem tief in unser Leben eingreift.“

Offensichtlich übersteigt es das Vorstellungsvermögen vieler Menschen, dass etwas, was man nicht sehen, riechen oder ertasten kann, uns dennoch existentiell betrifft.

Wer ein rein materialistisches Weltbild vertritt, liefert sich der Gefahr schutzlos aus, die von dieser unsichtbaren Bedrohung ausgeht. Und begibt sich zugleich der Chance, dagegen anzukämpfen.

Ich glaube, es würde viel helfen, wenn wir dem, was uns unsichtbar bedroht, eine Kraft entgegensetzten, die uns spürbar stärkt. Für mich ist das der Glaube, so wie ihn die Bibel versteht - als „eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“

Zuversicht und Hoffnung kann man beide nicht sehen. Meinen Glauben kann ich nicht objektiv beweisen wie eine wissenschaftliche Formel, ihn berechnen oder vermessen.

Und dennoch ist er die tragende Kraft meines Lebens. Eine Macht, die stärker ist als alles, was das Leben bedroht.

Er schenkt mir den Blick, der durch die sichtbaren Oberflächen hindurchgeht. Auf das, was durchs Leben trägt: Glaube, Liebe und Hoffnung. Unsichtbare, aber wirksame Mächte im Alltag.
Dass Sie davon berührt und getragen werden, das wünsche ich Ihnen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31403
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