SWR2 Wort zum Tag

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17JUN2020
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In letzter Zeit muss ich oft an Jona denken. Jona, der Prophet, der ins Meer geworfen und dann von einem großen Fisch verschluckt worden ist. Jona hatte Glück gehabt. Und die Katastrophe auf dem Meer überlebt.

In der Bibel erfahren wir, wie die Geschichte weitergegangen ist. So gerade war Jona mit dem Leben davongekommen, da bekam er von Gott den Auftrag, in die große Stadt Ninive zu ziehen. Und dort dem gottlosen Volk den Untergang anzukündigen.

Aber: diese Katastrophe tritt zu guter Letzt nicht ein. Warum nicht? „Weil sich das Volk“, wie es in der Bibel heißt, „von seinem bösen Weg bekehrte“. Daraufhin lässt Gott Gnade vor Recht ergehen. Und wendet das drohende Unheil ab.

Jetzt aber folgt die sonderbare Reaktion des Jona. Eigentlich würde man ja erwarten, Jona sagt: „Wie schön, dass die Sache noch einmal gut gegangen ist!“

Sagt er aber nicht. Denn Jona ist vom Ausbleiben der Katastrophe total frustriert. „Wie stehe ich denn jetzt da“, sagt er, „erst soll ich eine Katstrophe ankündigen! Und dann kommt sie nicht, weil du, Gott, so barmherzig und geduldig bist.“

Wütend zieht Jona sich in eine Schmollecke zurück. Als dann noch eine Pflanze, die ihm Schatten gespendet hatte, verdorrt, da steigt sein Ärger ins Unermessliche.

Gott aber reagiert gelassen: „Du regst dich über eine Pflanze auf“, sagt er, „um die du dich herzlich wenig bemüht hast. Mir aber nimmst du übel, dass ich Mitleid habe mit einer Stadt voller Menschen, die nicht wissen, was rechts oder links ist?“

Mich erinnert die Reaktion des Jona an Menschen in Zeiten der Pandemie, die sich darüber beschweren, dass die große Katastrophe ausgeblieben ist. Und die dabei alle möglichen Vorwürfe erheben gegen Wissenschaftler und Politiker, die mit guten Gründen vor ihr gewarnt haben.

Wie Jona vergessen die Kritiker: dass das Unheil verhindert werden konnte, hat mit Verhaltensänderungen zu tun. Die Bewohner von Ninive damals, sie wollten es künftig besser machen. Und ihr Leben achtsamer füreinander und für Gott einsetzen. Darum ging die Sache gut aus.

Mich als heutigen Hörer warnt diese Geschichte auch vor Rechthaberei und Unbarmherzigkeit. Und lädt mich ein zu großer Dankbarkeit. Weil sich eine drohende Katastrophe durch Einsicht und Besonnenheit abwenden ließ. Gott sei‘s gedankt!

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