SWR3 Gedanken

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12MAI2020
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„Ich konnte nicht mehr bei ihr sein, als sie starb“, erzählt mir traurig ein älterer Mann. Viele Jahrzehnte waren er und seine Frau verheiratet, dann wurde sie krank. Als es zu Hause nicht mehr ging, hat er sie schweren Herzens in ein Pflegeheim gegeben und da ist sie nun verstorben. Nicht am Virus zwar. Doch wegen des Virus konnte Ihr Mann nicht zu ihr ins Heim. Viel zu riskant für die anderen betagten Bewohner im Haus. Das nimmt ihn mit.

Ich kann ihn gut verstehen. Bevor mein Vater starb, da konnte ich mich von ihm verabschieden. Konnte noch mit ihm sprechen. Gespräche, wie wir sie selten miteinander geführt hatten. Nicht eine Minute davon möchte ich heute missen. Sie sind mir unendlich kostbar. Schwer vorstellbar, wenn das nicht möglich gewesen wäre.

Und trotzdem hadert der Mann nicht mit seiner Situation. „Es ist schwer und es wird dauern“, sagt er noch, „aber ich werde auch das schaffen. Mein Glaube hilft mir dabei.“ Das hat mir imponiert. Und es hat mich erinnert an eine Figur aus der Bibel, die mir immer so sperrig wie beeindruckend erschienen ist. Hiob. Ein Mann, dem fast alles Schlimme widerfährt, das man sich vorstellen kann und der doch sagt: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen. Gelobt sei der Name des Herrn.“  Ein Satz, den ich immer schwer erträglich gefunden habe. Heute verstehe ich ihn besser. Denn darin steckt eine tiefe Lebensweisheit. Dass es kein Recht auf Glück gibt. Dass Glück und Unglück vielmehr kommen und gehen. Dass aber bei allem was kommt, Gott in meiner Nähe ist. Es ist die Hoffnung, aus der auch der alte Mann lebt.

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