SWR2 Zum Feiertag

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13APR2020
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Christopher Schacht Autorenfoto Christopher Schacht - (c) Micha Bührle

Heute am Ostermontag steht ein besonderer biblischer Text im Mittelpunkt: Nach dem Tod Jesu sind zwei seiner Jünger unterwegs zum Ort Emmaus, als sich Jesus zu ihnen gesellt. Sie erkennen ihn nicht, aber sie stellen ihm Fragen und bitten ihn, dass er bei ihnen bleibt. Und dann erst merken sie, dass es Jesus ist.  So ging es auch Christopher Schacht als er unterwegs war – auf einer ganz besonderen Reise. Christopher ist nach seinem Abitur einmal um die Welt gereist – mit einem Budget von gerade mal 50 Euro. Ich habe das Gespräch mit dem 26-Jährigen vor der Corona-Krise im Studio in Mainz geführt. Er war vier Jahre lang unterwegs, hat 45 Länder gesehen und auf der Reise seinen Glauben an Gott gefunden. Heute studiert er Theologie. Nach seinem Abi 2013, als er in die Welt aufbrach, hatte er mit Religion allerdings wenig zu tun und bezeichnete sich selbst als Agnostiker. Ich wollte von ihm wissen, wie änderte sich das, als er unterwegs war?

Ich hab einen Informatikhintergrund, hab mein Abitur in Physik gemacht. Und dann hab ich angefangen zu fragen. Und das find ich cool: Bei den Emmausjüngern, die sind da unterwegs, Jesus kommt zu ihnen und dann fragt er sie: „Worüber redet ihr da?“ Und dann schütten die ihr Herz aus, mit all den Problemen, und all den Sachen: „Hast du nicht gehört, was passiert ist, hier in Jerusalem? Dieser Jesus von Nazareth, der gekreuzigt worden ist“ und für sie ist eine Welt zusammengebrochen und sie schütten Jesus ihr Herz aus und stellen ihre ganzen Probleme und Fragen – und  genauso war das bei mir auch am Anfang: Wo ich so gemerkt habe: Moment, Jesus ist bei mir, wie bei den Emmausjüngern und dann hab ich aber noch so viele Fragen und Probleme gehabt , die ich erst mal tatsächlich ihm so entgegengeworfen hab. Und gesagt hab: Moment: Was ist hiermit,  ganz ehrlich: Bibel ist doch absolut unglaubwürdig heutzutage, das kann doch als moderner Mensch keiner mehr ernstnehmen. Und was ist damit und damit? Und je mehr ich aber mit ihm dann unterwegs war und in Dialog kam, und ich eben nicht abgehauen bin, sondern mich dem  gestellt hab, desto näher kam ich ihm dann auch.

Das heisst du hast deine Zweifel auch reingepackt in dein Gebet?

Ja absolut, ja also ich glaube ein Glaube ohne Zweifel ist kein echter Glaube.  

Sehe ich auch so. Zweifel nimmt ja auch den Glauben ernst.

Ja total, Zweifel nimmt den Glauben ernst. Und ich find: Glauben hat ganz ganz viel mit Vertrauen zu tun. Und wenn ich nicht irgendwo nen Zweifel noch mitbringe, wo kann ich denn dann Vertrauen lernen.  Glaube ist nicht nur ein Gefühl, es kann sich auch in Gefühlen mit ausdrücken, aber in allererster Linie ist es auch eine Entscheidung tatsächlich sich darauf zu verlassen und das ist so ein Miteinander: wenn ich erst mal diese Schritte darauf zu mache, dann kommt auch ganz viel wieder zurück.

Und ich glaub auch eine Entscheidung , die man immer wieder neu treffen muss,oder?

Definitiv, definitv. Aber eine Entscheidung, die sich lohnt.

Du hast ja die Bibel mit dabei gehabt auf deiner Reise und die hattest du vorher auch nicht gelesen. Für die Emmausjünger ist ja die Schrift, die ihnen Jesus dann auslegt auch eine ganz wichtige Hilfe um Gott besser zu verstehen, warum Dinge so kommen mussten.

Das Schöne ist, ich hatte in Südamerika dann einige Leute kennengelernt:Ich muss ehrlich sagen  ohne diese Wegbegleiter, so wie Jesus den Jüngern dort in Emmaus die Schrift ausgelegt hat, ohne diese Leute, auch die ich so an meiner Seite gehabt hätte, wäre es sehr viel schwieriger gewesen. Was wichtig war, war aber nicht nur diese Auslegung, sondern auch das Vorleben, also das Leute einfach diese Gastfreundlichkeit gelebt haben, diese Nächstenliebe, diese Vergebung und das zu sehen, dass andere Leute das machen und damit ein Leben lang unglaublich gut gefahren sind, dass sie beeindruckende Leute und Persönlichkeiten sind hat in mir dann eben auch dieses Vertrauen geweckt, ok wenn die das können, dann kann ich das vielleicht auch.

Du hast ja selbst dann ein Buch geschrieben, das heisst: „Mit 50 Euro um die Welt“[1], das wurde Spiegel – Bestseller. In dem Buch schreibst du zu einer Situation in Argentinien Da wirst du von Straßenhunden angegriffen und da schreibst du: „Zwar war ich mittlerweile mehr denn je davon überzeugt, dass mich nach dem Tod ein unvorstellbar viel besseres Leben im Himmel erwartete, doch jetzt gerade merkte ich, dass ich doch ziemlich an meinem Erdenleben hing.[2]

Ja genau.

Das kann ich sehr gut verstehen. Aber dieser Satz zeigt eben auch: du hast einen starken Glaube an die Auferstehung , die wir jetzt an Ostern feiern. Und die Jünger im Evangelium, die drücken es so aus: „Der Herr ist wirklich auferstanden“(Lk 24, 34).Glaubst du das?

Amen. Ja glaub ich. Paulus schreibt es: Wir werden dann von Angesicht zu Angesicht sehen  und einfach die Größe, die Grandiosität und die Schönheit Gottes von Angesicht zu Angesicht sehen. Um das noch mal runter zu brechen: Der Himmel im christlichen Verständnis ist Beziehung mit Gott.

In dem Buch schilderst du  und sagst: „Ich glaube, dass Gott allein uns retten kann […]  Ich glaube, dass wir uns keineswegs selbst retten können. Das zu versuchen schiebt nur noch mehr Leistungsdruck auf uns. Ansprüche und Erwartungen, denen wir nicht gerecht werden können.[3]“ – Ist das nicht eine total zentrale Botschaft für unsere Leistungsgesellschaft auch hier in Deutschland?

Ja, absolut.  Wir denken wir müssen was tun, um geliebt zu sein – und die christliche Botschaft ist: du bist geliebt, du musst gar nichts mehr tun, du bist so geliebt, obwohl du vielleicht alles falsch gemacht hast. Trotzdem ist Gott in die Welt gekommen und ist für dich gestorben und auferstanden. Du bist kostbar, du bist einzigartig und du bist wertvoll. Und dich hatte Gott schon von Anfang an im Plan, als er die Welt geschaffen hat.

Du hast da einen ganz tollen Satz in deinem Buch geschrieben: „Liebe kann man nicht durch Leistung kaufen, das ist eigentlich jedem klar und deswegen kann man auch Gottes Liebe nicht durch Leistung kaufen[4].“

Liebe kann man nicht kaufen, und trotzdem probieren wir das. Mit Geld zwar nicht, aber dann trotzdem wieder mit Leistung irgendwie uns Liebe zu verdienen und sagen: Naja, jetzt muss die Person mich doch mal mögen, wie ich mich anstrenge und projizieren das auch von unseren menschlichen Beziehungen auf die Gottesbeziehung.

Du warst auch in Krisenregionen unterwegs, du schilderst vom Nahen Osten ganz eindrücklich auch von einem Attentat, das du fast mitbekommen hast. Kommen dir da manchmal Zweifel, dass du sagst: Gott wo bist du in dem ganzen Elend dieser Erde?

Ich glaube tatsächlich der Grund, warum wir Leid haben ist einer, den wir Menschen nicht unbedingt nachvollziehen können, wo wir wirklich einen Vertrauensschritt machen müssen. Aber gleichzeitig gewiss sein dürfen: Wir sind nicht alleine. Für Gott ist das Leid so dramatisch, dass er selbst in diese Welt gekommen ist um ein Teil dieses Leidens zu werden. Das Leid ist Gott nicht egal, es geht im absolut nahe. Warum er es noch nicht abgeschafft hat, er alleine weiß es, aber was ich weiß ist, dass er es tun wird, das verheißt ja die Bibel. Das ist ja die Hoffnung die wir haben. Und das ist die Hoffnung, die wir an Ostern immer noch mal wieder neu haben. Es gibt einen Tag, da wird Gott jede Träne abwischen und alles Leid, der Tod ist vergangen, alles Schlimme ist nicht mehr.

Du hast viel Elend gesehen, aber andererseits: du hast natürlich auch wunderschöne Sachen gesehen. Was hat dich am meisten beeindruckt? Was war für dich der schönste Ort der Welt?

Also wenn man ne Weile unterwegs ist, dann weiss man dass der schönste Ort der ist mit den tollsten Leuten. Die Landschaften, super tolles Essen – „ Liebe geht durch den Magen“ sagt man ja auch -  ist definitiv nicht unerheblich, aber wenn du mit den richtigen Leuten unterwegs bist, dann kannst du egal in was für einer Situation, egal an was für einem Ort sein , und es ist immer toll.  Zu Hause ist dort , wo einen die Menschen lieben.

Wo glaubst du findest du Gott jetzt in deinem Alltag, in deiner Arbeit , in deiner Berufung – wo begegnest du ihm?

Also ich würde so sagen es gibt drei Orte- einer ist der ganz Klassische: Gebet. Der zweite ist tatsächlich auch das Bibellesen und Kennenlernen. Und der dritte- und das ist ganz, ganz wichtig -  im Umgang mit anderen Menschen. Immer wenn sich Leute sehe, die sich für andere einsetzen, dann finde ich kommt da immer so ein Stück weit Himmel auf Erden und gleichzeitig wenn wir das auch tun, dann können wir ein Teil davon werden eben dieses Himmelreich auf Erden auch größer zu machen und zu verbreiten.

Du machst das  ja unter anderem auch mit dem Erlös aus deinem Buch, du spendest 80% aus dem Bestseller, das ist ja jetzt mittlerweile einiges, was da zusammengekommen ist,…

überraschend, ja!

 …für ein Projekt im Tschad. Kannst du erklären: Was ist das für ein Projekt und warum liegt es dir am Herzen?

Im Tschad ist ganz viel noch diese Frauenbeschneidug und das meistens so im Alter von 10 bis 13 Jahren und für die Mädchen ist das ganz ganz schlimm. Die können ein Leben lang nicht mehr richtig auf Toilette gehen, jeder sexuelle Verkehr ist eine absolute Qual, also wirklich grausam und viele von denen wollen deswegen auch weglaufen, aber du kannst ja nicht nirgendwo hin. Das Projekt, in das ich spende, heißt „ Beth Elpia“ – „Haus der Hoffnung“. Und die bauen eben diese Zufluchtshäuser für die Frauen, wo sie dann dort hinkönnen, aufgenommen werden, einen Beruf lernen, dass sie sich auch selber tragen können.

Allerletzte Frage, Christopher: Du schreibst in deinem Buch: „Mein nächstes Abenteuer beginnt jetzt.[5]“ Was ist es?

Jeder Alltag hat so seine ganz eigenen Abenteuer und Reize und wo wir fast sagen würden: „Ja ist ja normal irgendwie“ und spielen wir wieder runter und „anderen Leuten geht’s doch auch so.“  Aber nein: das Leben ist einfach absolut besonders, und jeder Tag ist einzigartig.Und wirklich jeder Tag ist ein Abenteuer, wenn wir uns drauf einlassen, kein Tag ist wie der andere. Jeder Tag ist besonders und jeder Tag hat seine eigenen Herausforderungen – und Abenteuer, das hab ich dann auch dort geschrieben, ist nicht sich bewusst irgendwelchen Risiken auszusetzen, sondern sich auf das Unerwartete einzulassen, das einem begegnet.

Unerwartet ist auch die aktuelle Situation, die unseren Alltag stark verändert. Vielleicht kann das Gespräch mit Christopher Schacht, dass wir vor der Coronakrise aufgezeichnet haben, auch  Mut machen aus dem Glauben Kraft zu schöpfen: Ostern schenkt Hoffnung, gerade in dieser schwierigen Zeit. Jesus ist nicht nur mit den Emmausjüngern damals unterwegs gewesen, er ist auch heute mit jedem Einzelnen von uns. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Ostermontag!  

 

[1]Schacht, Christopher: „Mit 50 Euro um die Welt. Wie ich mit wenig in der Tasche loszog und als reicher Mensch zurückkam“. adeo-Verlag, Asslar 2018

[2]Schacht, Christopher: „Mit 50 Euro um die Welt. Wie ich mit wenig in der Tasche loszog und als reicher Mensch zurückkam“. adeo-Verlag, Asslar 2018

[3]Schacht, Christopher: „Mit 50 Euro um die Welt. Wie ich mit wenig in der Tasche loszog und als reicher Mensch zurückkam“. adeo-Verlag, Asslar 2018 

[4]Schacht, Christopher: „Mit 50 Euro um die Welt. Wie ich mit wenig in der Tasche loszog und als reicher Mensch zurückkam“. adeo-Verlag, Asslar 2018  

[5]Schacht, Christopher: „Mit 50 Euro um die Welt. Wie ich mit wenig in der Tasche loszog und als reicher Mensch zurückkam“. adeo-Verlag, Asslar 2018 

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