Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

Seltsam naiv mutet die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium an, die heute in den katholischen Kirchen gelesen wird (6,24-34): „Sorgt nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen und anzuziehen habt.“ Und so nebenbei: „Um all das kümmern sich die Heiden!“ Als bekäme man bei der Taufe ein „Rundum-Sorglospaket“ geschenkt. 

Bei Armen und Arbeitslosen, Obdachlosen und Geringverdienern, alleinerziehenden Müttern und mittellosen alten Menschen kommt diese Botschaft gar nicht gut an. Sie empfinden auch die Lyrik von den „Vögeln des Himmels, die nicht säen und ernten“ und den hübsch gewandeten „Lilien auf dem Felde“ eher als Provokation! Wer auf der Straße lebt, sorgt sich jeden Morgen um ein sicheres und warmes Plätzchen für die Nacht. Alle Armen plagen sich mit Anträgen bei Ämtern und Behörden, suchen nach Schnäppchen und Billig-Angeboten. Manche betteln um Almosen. Wer sich nicht rührt, hat schnell verspielt. Dann steht man auch heute wieder vor der Wahl zwischen Pest und Cholera: Hungern oder frieren? Satt werden und es gleichzeitig gemütlich haben – das geht in diesem harten Winter bei den wenigsten. 

Ende dieser Woche schließt die Stuttgarter „Vesperkirche“ ihre Pforten. Dank all denen, die da mitgeholfen und gesponsert haben. Dieser Dank gilt auch den Helferinnen und Helfern in Tafelläden, Kleiderkammern und Teestuben, in denen Arme nicht nur Nahrung und Kleidung, Wärme und Geborgenheit, sondern auch gute Worte bekommen. 

Aber Halt! Wir haben ja das Evangelium von heute noch gar nicht zu Ende gelesen. Natürlich müssen wir uns sorgen, sagt Jesus. Und zwar um „Gottes Reich und seine Gerechtigkeit“. Wären die Güter dieser Welt auch nur annähernd gleich verteilt,  bräuchte niemand zu hungern und zu frieren. Armut, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit – das sind Symptome gravierenden Unrechts. An ihnen herumzudoktern, reicht nicht aus. 

Das Evangelium macht Mut, das Übel an der Wurzel zu packen und für sozialen Ausgleich zu sorgen: bezahlbaren Wohnraum zum Beispiel, gerechten Lohn, Arbeit für alle und ausreichende Renten. Gerechtigkeit bringt uns der Vision vom „Reich Gottes“ näher, das gutes, auskömmliches Leben für alle verspricht.

 

   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23702
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