SWR Kultur Lied zum Sonntag

12MAI2024
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Den Muttertag feiere ich immer auch als einen großen Dank an das Leben. Und ein Lied bringt diesen Dank für mich ganz besonders zum Ausdruck. Es ist für mich eng verknüpft mit der Geschichte von drei Frauen, die auch alle Mütter gewesen sind. Darüber hinaus aber auch Künstlerinnen, Kämpferinnen, Sängerinnen mit einer musikalischen und einer menschlichen Botschaft:  

Gracias a la vida que me ha dado tanto
Me dio dos luceros, que cuando los abro,
Perfecto distingo lo negro del blanco
Y en alto Cielo su fondo estrellado
Y en las multitudes la hombre que yo amo

Die unverwechselbare Stimme von Joan Baez hat zum Soundtrack meiner Jugend gehört. Ich konnte alle ihre Lieder auswendig, und obwohl ich kein Spanisch kann, habe ich auch dieses mitgesungen: Gracias a la vida: „Danke für das Leben, es hat mir so viel gegeben.“ Der Samba-Rhythmus ging direkt in die Beine: Das Leben, ein Tanz, ein Fest! Und so viel Leichtigkeit! Dasselbe Lied kann aber auch ganz anders klingen:

Gracias a la vida que me ha dado tanto
Me dio dos luceros, que cuando los abro,
Perfecto distingo lo negro del blanco
Y en alto Cielo su fondo estrellado
Y en las multitudes la hombre que yo amo

Wenn Mercedes Sosa das Lied anstimmt, spüre ich hinter den Worten auch eine tiefe Traurigkeit. Der Dank kommt nicht leichtfüßig und schwungvoll daher, sondern ist dem Leben abgerungen. Und klingt trotzdem kraftvoll und schön. Das passt zur Entstehungsgeschichte des Liedes: Denn die Chilenin Violeta Parra war mit ihren Lebenskräften am Ende, als sie es geschrieben hat. Es ist ihr letztes Lied. Noch keine 50 Jahre alt, hat sie es 1967 kurz vor ihrem Tod herausgebracht. So ist es zu ihrem musikalischen Vermächtnis geworden: Ein Lied voller Schmerz, der sich aber vom Leben in die Arme nehmen lässt:   

Ich danke dir, Leben, hast mir so viel gegeben,
durfte lachen und schweben trotz aller Stürme und Beben.
Auch einsame Stunden und schmerzvolle Wunden,
doch du wolltest mich führen, mich selbst zu erspüren,
unter funkelnden Sternen das Lieben zu lernen.

Wie ein Gebet hört sich das für mich an, dieser Dank an das Leben aus dem Mund von Konstantin Wecker. Und gerne gebe ich diesen Dank heute weiter an alle Mütter, die das zerbrechliche, kostbare Leben über die Generationen hinweg weitergeben. Danke für das Schöne, danke für das Schwere! Gracias a la vida!

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Musikangaben:

Text und Melodie: Violeta Parra (1967)
Aufnahmen:
Joan Baez, Gracias a la vida
Mercdes Sosa, Gracias a la vida
Konstantin Wecker, Gracias a la vida 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39887
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