Wir beginnen unsere Sendung mit einem Lied aus der Liturgie: Wehaer Enenu. Die Übersetzung lautet: „Erleuchte unsere Augen in Deiner Lehre, O Herr, verknüpfe unser Herz mit Deinen Geboten; Weihe unser Herz, Deinen Namen zu lieben... Es singt die Effie - Netzer - Gruppe.
Musik. CD Acum 103; „Chassidic and Sabbath Songs. “Interpret: Effie-Netzer-Gruppe; Komponist: Volksweise; 19-26307
Pessach, das Fest der ungesäuerten Brote ist einer der bekanntesten und populärsten jüdischen Feiertage. Es weckt Erinnerungen aus der Kindheit, an Festmahlzeiten, bei denen symbolische Speisen, Gesänge und Lesungen durchgeführt wurden, um einen lehrreichen, erzählenden Abend voller Gedenken und tiefer Bedeutung zu schaffen. Es ist auch eine Zeit, in der viele die Abwesenheit geliebter Menschen schmerzlich spüren, die in den vergangenen Jahren mit uns gefeiert haben. Wie bei allen jüdischen Festen wurden auch hier Jahr für Jahr neue Elemente hinzugefügt. Natürlich geht es bei Pessach nicht nur um den Seder, oder dem Sederabend, der zeremoniellen Mahlzeit am Beginn des Festes, sondern er bringt uns aus unserem gewohnten Alltagsrhythmus heraus, um uns zu läutern und die Wiederkehr des Frühlings gemeinsam zu erleben.
Der Pessach-Seder ist für viele von uns der Höhepunkt des jüdischen Jahres, eingebettet in Familienerinnerungen, Anekdoten, Aromen und Düfte, die einmal im Jahr auftauchen.
Die ersten Berichte über den häuslichen Sederabend finden sich in der Mischna, im ältesten, erzählenden Teil des Talmuds, der rabbinischen Literatur, und stammen aus dem Anfang des dritten Jahrhunderts.
Der Seder, Hebräisch für „Ordnung“ findet am ersten Abend des Festes statt, außerhalb Israels auch am zweiten Abend. Der Seder folgt einer festgelegten Abfolge von Ritualen, die in der Haggada, dem Text, der durch den Abend führt, beschrieben sind. Ziel des Seders ist es, die Geschichte des Auszugs der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei zu erzählen und erlebbar zu machen.
Während des Seders werden verschiedene symbolische Speisen verzehrt, darunter Matza, das ungesäuerte Brot; Maror, bittere Kräuter und Charosset, ein süßes Gemisch aus Äpfeln , Nüssen und Wein, das den Mörtel der Ziegel symbolisiert, die die israelitischen Sklaven in Ägypten herstellen mussten. Zudem werden vier Becher Wein getrunken, die die vier Erlösungsversprechen G-ttes aus dem zweiten Mosebuch, Schemot, verdeutlichen. Diese sind: „Ich werde euch herausführen“, „Ich werde euch erretten“; „Ich werde euch erlösen“ und „Ich werde euch in euer Heimatland führen“. Der Ablauf des Seders umfasst 15 Schritte, darunter das Rezitieren von Segenssprüchen, das Eintauchen von Kräutern in Salzwasser, zur Erinnerung an die Tränen der israelitischen Sklaven in Ägypten, das Erzählen der Pessach-Geschichte und das Singen traditioneller Lieder. Diese Struktur soll die Teilnehmer, insbesondere die Kinder, dazu anregen, Fragen zu stellen und sich aktiv mit der Geschichte und den Traditionen auseinanderzusetzen.
Und nun erklingt ein Loblied, vorgetragen von Kantor David Werdyger: Hu osse Gedolot. „Der Herr schafft Mächtiges und ungezählte Wundertaten...“
Musik. CD. „Cantor David Werdyger sings Skulaner Nigunim I“ Interpret: D.Werdyger; Komponist: D.Werdyger
Der Seder ist ein zentrales Element des Pessach-Festes und dient dazu, die Erinnerung an die Befreiung aus der Sklaverei lebendig zu halten und die Bedeutung von Freiheit und Erlösung zu betonen.
Und was bedeutet Pessach für uns heute? Der erste, wesentliche Inhalt, ist das Erlangen der Freiheit. Die Tora fordert uns immer wieder auf, uns daran zu erinnern, dass unsere Vorfahren Sklaven im alten Ägypten waren und dass G-tt sie erlöst hat. Dies, um uns an eine Verantwortung zu erinnern, die wir übernehmen müssen und gleich an eine ethische Haltung, die wir leben sollten.
Pessach ist für uns der Zeitpunkt, über unsere Welt und unser Dasein nachzudenken und das Bewusstsein für diejenigen zu schärfen, die keine Freiheit erleben oder in denen die eigene Freiheit eingeschränkt wird. Der Seder soll uns helfen, Fragen zu stellen, die unsere moderne Welt betreffen und uns ermutigen, positive Veränderungen in ihr herbeizuführen.
Die Vorbereitung auf Pessach ist so mannigfaltig, wie bei keinem anderen Fest: Es erfordert ein gründliches und überlegtes Saubermachen unseres Hauses und eine ebensolche Planung und Zusammenstellung bzw. Besorgung der unterschiedlichen Lebensmittel, die allesamt am Pessach eine Rolle spielen. Auf Grund einer biblischen Anweisung ist sowohl das Essen als auch der Besitz von Chamez - von Gesäuertem - an Pessach untersagt. Im zweiten Mosebuch lesen wir: „Ungesäuertes Brot soll gegessen werden diese sieben Tage; und es soll bei dir nichts Gesäuertes gesehen werden, und es soll bei dir kein Sauerteig gesehen werden in deinem ganzen Haus“.
Wenn wir versuchen, das Haus gründlich zu reinigen und buchstäblich Chametz– auszukehren, nehmen wir uns dann auch Zeit für eine innere Reinigung? Pessach bietet uns die Reinigung durch körperliche Säuberung, aber es ist auch eine Gelegenheit, einen spirituellen und moralischen Moment des Innehaltens zu üben.
Sie hören nun Kantor David Werdyger. Er singt, begleitet vom Chor der Skulaner Chassidim, einen Abschnitt aus der Liturgie: Ki lecha towlehodot. Die Übersetzung lautet: Denn es ist angebracht Dir zu danken, Deinen Namen zu loben. Von Ewigkeit bis in alle Ewigkeit bist Du, O Herr.
Musik. CD. Galton 5756; „Skulaner Chassidic Nigunim 1. “Interpret: Skulaner Chassidim und David Werdyger; Komponist: David Werdyger
Da der Seder wie auch Pessach interaktiv ist, sind unsere Kinder oft lange wach und übernehmen nicht nur an den beiden Sederabenden wichtige Rollen im Ablauf. Viele der modernen Aktivitäten, Handlungen und Lieder für Jung und Alt konzentrieren sich jedoch auf die zehn Plagen gegen ein tyrannisches Regime und seine Oberschicht. Beim Seder, wenn wir die Plagen rezitieren, nehmen wir traditionell für jede Plage etwas Wein aus unserem Becher, um uns daran zu erinnern, dass die Plagen entsetzlich waren und wir unsere Freude darüber einschränken sollten.
Beim Pessachfest steht die gemeinschaftliche Erfahrung des Seders im Mittelpunkt, bei dem wir auch den sozialen Charakter des Auszugs aus Ägypten anerkennen. „Wir waren Sklaven“, „Wir sind aus Ägypten gekommen“. Es ist ein Moment, in dem wir uns mit der Geschichte der jüdischen Erfahrung verbinden. In dem wir zwar in der Gegenwart sind, aber auch die Hoffnung auf eine bessere Welt zelebrieren. Indem wir eine ganze Woche lang kein Chametz zu uns nehmen, kehren wir immer wieder zu dieser gemeinschaftlichen Erfahrung zurück und besinnen uns darauf wie wir alle unseren Teil dazu beitragen können, die Welt für eine bessere Zukunft zu gestalten.
Wir sollten, auch während der mannigfaltigen Vorbereitungen nicht außer Acht lassen, dass Pessach ein Fest der Vorwegnahme der Erlösung und Befreiung eines jeden Menschen bedeutet, wo er oder sie sich auch immer befindet.
Zum Abschluss unserer Sendung hören Sie den „Miami Boys Choir“ mit der chassidischen Bearbeitung eines Satzes aus dem Credo des Maimonides: Ani Maamin. „Ich glaube aus vollkommener Überzeugung an die Ankunft des Erlösers. Und wenn er auch zögert, harre ich trotzdem täglich auf ihn, dass er doch kommen wird.“
Musik. CD; „It’s min haschamajim“; CDH-638; LC- Noam; Interpret: Miami Boys Choir; Komponist: Yerachmiel Begun
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41831Zu Beginn unserer Sendung zum jüdischen Purimfest hören Sie den Miami Boys Choir in einem Livemittschnitt ihres Konzerts in New York: Ken Tihje Lanu. Die Übersetzung lautet: So sei es uns vergönnt; Den Becher des Heils erhebe ich und rufe den Namen des Ewigen an.
(Musik. CD. „Revach.Yerachmiel Begun & The Miami Boys Choir“; Interpret: The Miami Boys Choir; Komponist: Yerachmiel Begun; Take:012; Länge: 4:20)
Unsere Geschichte zu Purim stammt aus dem Buch Esther, auf Hebräisch Megillat Esther, das in unserer Bibel zu finden ist.
Vor langer Zeit lebte in einem weit entfernten Land an einem Ort namens Schuschan im berühmten Altpersischen Reich ein König namens Achaschwerosch und seine Königin Waschti. König Achaschwerosch war ein hochmütiger Mann, der seinen Reichtum gerne mit schicken Partys und Festen präsentierte. Bei einer solchen Gelegenheit wollte er sogar seine eigene Frau zur Schau stellen. Er ließ Waschti rufen und befahl ihr, vor all seinen Partygästen zu tanzen, aber seine Königin weigerte sich und sagte dem König: „Nein!“ Das machte König Achaschwerosch wütend, also jagte er Königin Waschti aus seinem Palast fort.
Nachdem die Königin Waschti vertrieben wurde, musste König Achaschwerosch eine neue Königin finden. Er veranstaltete einen Schönheitswettbewerb, und alle Frauen des Landes kamen vor ihn. Der König sah viele schöne Mädchen, aber er hatte nur Augen für eine, eine junge Frau namens Esther. Esther war ein tapferes und schönes Mädchen, und sie war auch, was am wichtigsten war, Jüdin. Esthers Onkel Mordechai warnte Esther jedoch davor, jemandem von ihrer Herkunft zu erzählen. Ihre jüdische Identität sollte ihr Geheimnis bleiben.
König Achaschwerosch liebte Esther mehr als alle anderen Frauen und sie fand in seinen Augen nur Gunst und Zuneigung. Auch Esthers Onkel Mordechai wurde sehr geschätzt, weil er den König vor einem Mordkomplott bewahrt hatte, das von zwei seiner Palastwachen ausgeheckt worden war.
Der oberste Beamte von König Achaschwerosch war ein sehr böser Mann namens Haman. Wenn Haman die Straße entlangging, forderte er jede Person, die ihm begegnete, auf, sich zu verbeugen. Die meisten Menschen hatten Angst vor ihm und gehorchten. Aber als Mordechai an Haman vorbeiging, verbeugte er sich nicht! Mordechai gab bekannt, dass er Jude war und sich als solcher nur vor G-tt verneigte. Mordechais Weigerung, sich zu verbeugen, machte Haman sehr wütend.
Haman beschloss, dass das gesamte jüdische Volk vernichtet werden soll. Als Haman König Achaschwerosch von seiner Idee erzählte, die Juden zu beseitigen, stimmte der König zu. Er sagte Haman, er solle tun, was er für richtig halte. Die Juden von Schuschan waren in großer Gefahr!
Als Mordechai von diesem teuflischen Plan erfuhr, war er am Boden zerstört, ebenso wie die gesamte jüdische Gemeinde. Mordechai wusste, dass Königin Esther ihre einzige Hoffnung war. Er sagte zu ihr: „Jetzt ist die Zeit gekommen, dein Geheimnis zu lüften! Jetzt musst du König Achaschwerosch sagen, dass du Jüdin bist. Du musst dich für dein Volk einsetzen! Du musst ihn bitten, Hamans Erlass aufzuheben!“
Königin Esther hatte Angst da sich niemand dem König nähern durfte, ohne vorher vorgeladen worden zu sein! Aber Esther nahm all ihren Mut zusammen und begab sich in die Gemächer des Königs. Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, lud Esther Achaschwerosch und Haman zu einem privaten Fest ein.
Als die Zeit für das Fest gekommen war, wusste Esther, was sie zu tun hatte. Sie holte tief Luft, stand vor dem König und Haman auf und sagte ihnen, dass sie Jüdin sei. Sie bat den König, sie und ihr Volk vor Hamans heimtückischem Plan zu verschonen. Es war ein Moment wahrer Tapferkeit. Esther riskierte alles, um ihr Volk zu retten. Aber weil König Achaschwerosch sie so sehr liebte, tat er alles, worum sie ihn bat. Die Juden waren gerettet!
Die Nachricht verbreitete sich schnell. Die jüdische Gemeinde jubelte und erklärte den 14. Tag des jüdischen Monats Adar zum Festtag. Bis zum heutigen Tag feiern wir Purim am 14. Adar mit Partys, Musik und großen Festen.
Und nun erklingt die traditionelle Benediktion Schehechejanu. Die Übersetzung lautet: Gesegnet seist Du, G-tt, unser Herr, Herrscher des Universums, der uns das Leben geschenkt hat, uns Nahrung gibt und es uns ermöglicht, dieses Fest zu feiern. Es singt der Wiener Oberkantor Shmuel Barzilai. Begleitet wird er von einem Sinfonieorchester unter der Leitung von Mordechai Sobol. Diese Komposition ist heute ein unverzichtbarer Teil eines jeden Kantorenkonzerts, wie auch der fröhlichen Anlässe.
(Musik. CD. MCD 247 Gramola 99090; Interpret: Shmuel Barzilai, Komponist: Meir Machtenberg; Zeit: 3:58; Take: 001)
An Purim kommen wir zusammen, um uns über das Heldentum von Esther und das wundersame Überleben des jüdischen Volkes zu feiern. Wie die mutige Esther, die jahrelang ihre wahre Identität verbarg, verkleiden wir uns und tragen bunte Masken und lustige Perücken. Wir feiern und essen köstliche Gerichte. Wir singen, scherzen und lachen, bis wir nicht mehr lachen können. Purim ist laut und üppig, und wir sollen es in all seiner Ausgelassenheit genießen! Die Purim-Geschichte wird während des Feiertags auf verschiedene Weise immer wieder neu erzählt. Traditionell hören wir zweimal die Lesung der Megillat Esther, der Esther-Rolle – zuerst am Erew Purim am Vorabend und dann noch einmal am Purim-Tag. Während wir der laut vorgetragenen Geschichte lauschen, fiebern wir mit für Esther und Mordechai, rufen, wenn wir den Namen Haman hören Zischlaute und Buhrufe zu und klatschen in die Hände, machen gewaltigen Lärm mit den Purimrasseln und stampfen mit den Füßen. Die Geschichte lebt durch uns und unsere Stimmen! Wir sehen uns auch Purimspiele an, humorvolle Nachstellungen der Purimgeschichte, oft mit stark überzeichneten Charakteren, Kulissen und Situationen.
Es gibt viele Möglichkeiten, in Purim-Stimmung zu kommen. Zunächst einmal können wir die berühmteste Purim-Delikatesse genießen: die Hamantaschen. Eine Hamantasche ist ein dreieckiges Gebäck, das mit Mohn, Nüssen oder Pflaumenmus gefüllt ist und angeblich wie Hamans dreieckiger Hut, oder auch seine Ohren aussehen soll. Wir tragen Mischloach Manot aus, Geschenkkörbe mit Lebensmitteln, Leckereien und Präsenten – an Familie und Freunde. Es ist auch Tradition Matanot Le’ewjonim, Geschenke für Bedürftige zu schicken, damit jeder das Fest genießen kann.
Die Bedeutung von Purim liegt nicht so sehr darin, wie es begann, sondern darin, was es geworden ist: eine dankbare und freudige Bestätigung des jüdischen Überlebens. Mögen wir alle unsere Freude steigern und ein Chag Purim Sameach erleben – ein sehr frohes und glückliches Purim-Fest!
Zum Schluss unserer Sendung hören Sie Kantor Dudu Fischer. Er trägt einen liturgischen Abschnitt vor: Mi Kamocha. Auf Deutsch: „Wer ist wie Du unter den Mächtigen, O Herr. Wer ist gleich Dir, prangend in Heiligkeit.“
(Musik. CD. „Elokaj Neshama.“; LC- Helikon Records CDHL 8057; 19-70648; Take: 002; Zeit: 3: 29; AMS: M0065943)
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Zu Beginn unserer Sendung hören Sie Kantor Naftali Hershtik mit dem Chor der großen Synagoge in Jerusalem. Sie tragen einen Psalmgesang aus dem Lobpsalm 115 vor: Jossef Haschem Alechem. In der Übersetzung des Cannstatter Dichters Leopold Marx heißt es: „Der Herr segne euch je mehr und mehr, euch und eure Kinder! Ihr seid die Gesegneten des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“
Musik. CD. „Jerusalem Great Synagoge Choir “; Christal Scaco 11161; Interpret: Naftali Hershtik; Komponist; Traditionell
Chanukka zählt zusammen mit Pessach und Purim zu den beliebtesten jüdischen Feiertagen, die von Licht, Freude und Familienfeiern geprägt sind.
Im Gegensatz zu vielen anderen jüdischen Feiertagen wird Chanukka, das auch als Lichterfest bekannt ist, in der Bibel nicht erwähnt. Die historischen Ereignisse, auf denen das Fest basiert, sind in den Makkabäerbüchern festgehalten. Zwei Bücher, die in einer späteren Sammlung von nichtkanonisierten Schriften, die mit griechischem Namen Apokryphen genannt werden.
Im Jahr 168 v. d. Z. schickte der syrische König Antiochus Epiphanes seine Soldaten nach Jerusalem. Die Syrer entweihten den Tempel, den heiligsten Ort für Juden zu dieser Zeit. Antiochus wollte damit auch das Judentum abschaffen und verbot die Einhaltung des Schabbat, der Feste und die Beschneidung der jüdischen Knaben. Altäre und Götzenbilder wurden für die Verehrung griechischer Götter aufgestellt. Den Juden bot er zwei Optionen: Konversion oder Tod.
Am 25. Tag des jüdischen Monats Kislew im Jahr 168 v. d. Z. wurde der Tempel nach dem griechischen Gott Zeus umbenannt. Eine jüdische Widerstandsbewegung – angeführt von einer Priesterfamilie, die als Hasmonäer oder Makkabäer bekannt war –widersetzte sich der Grausamkeit von Antiochus. Das Familienoberhaupt war der Hohepriester Mattitjahu. Sein Sohn Jehuda wurde zum führenden Strategen und militärischen Anführer des bewaffneten Widerstandes. Obwohl sie in der Unterzahl waren, gewannen Judas Makkabäus, d.h. Jehuda Hamakkabi und seine Kämpfer auf wundersame Weise zwei große Schlachten und schlugen die Syrer entscheidend in die Flucht.
Obwohl Historiker über die Ursachen und Ergebnisse des Krieges, in dem Juda Makkabi und seine Anhänger die syrischen Armeen von Antiochus besiegten, diskutieren, besteht kein Zweifel daran, dass Chanukka bewegende Bilder von jüdischem Mut gegen überwältigende Widerstände hervorruft. Zu den weiteren Themen des Chanukkafestes gehören die Weigerung, sich den religiösen Forderungen eines götzendienerischen Imperiums zu unterwerfen, der Kampf gegen die vollständige Assimilation in die griechische Kultur und den Verlust der jüdischen Identität, sowie der Kampf für die politische Autonomie und Selbstbestimmung der Juden im Heiligen Land.
Und nun hören Sie Ilana Rovina. Sie trägt einen Vers aus den Lobpsalmen des Chanukka-Festes vor (115.Ps.) Jisrael, Jisrael betach Baschem. Die Übersetzung lautet: Jisrael, vertraue auf den Ewigen! Er ist ihre Hilfe und Schutzschild. G-ttesfürchtige vertrauet auf den Ewigen…
Musik. CD. „Barech Alenu“; LC- Hed-Arzi 15788; Interpretin: Ilana Rovina; Komponist: Volksweise
Chanukka, was auf Hebräisch „Einweihung“ bedeutet, ist das Fest, das an die Reinigung und Wiedereinweihung des Tempels zu Jerusalem nach der griechischen Besetzung dieses heiligen Ortes erinnert. Heute weist uns das Fest an, uns erneut der Aufgabe zu widmen, die Flamme der jüdischen Religion, Kultur und Volkszugehörigkeit am Leben zu erhalten, damit sie an die nächste Generation weitergegeben werden kann.
Ursprünglich sollte dieser achttägige Feiertag parallel zum achttägigen biblischen Laubhüttenfest, Sukkot stattfinden. In den Büchern der Makkabäer wird die Legende von einem kleinen Ölkrug, dessen Inhalt unerwartet acht Tage lang reichte, nicht erwähnt. Erst Jahrhunderte nach der Niederlage der Syrer durch die Makkabäer tauchte die Geschichte des Ölkrugs – die mit Chanukka in Verbindung gebracht wird – im Talmud, in der nachbiblischen Literatur auf.
Der Legende nach zündeten die Makkabäer, als sie den Tempel betraten und ihn von den Griechen zurückeroberten, sofort den Ner Tamid, das Ewige Licht, wieder an, der im Tempel ständig brannte und bis heute in unseren Synagogen eine Parallele hat. Im Tempel fanden sie ein einziges Krüglein mit Öl, das nur für einen Tag reichte. Der Bote, der losgeschickt wurde, um zusätzliches reines, koscheres Öl zu besorgen, brauchte acht Tage, um seine Mission zu erfüllen, und wie durch ein Wunder brannte das einzige Gefäß mit Öl bis zu seiner Rückkehr weiter. Die Rabbiner des Talmuds führten die acht Tage von Chanukka auf das Wunder dieses einzigen Gefäßes mit Öl zurück.
Zur Erinnerung daran versammeln wir uns acht Nächte lang jeden Abend mit Freunden und Familie um den Chanukkaleuchter, um die Chanukkija. Wir entzünden jeden Abend eine zusätzliche Kerze und singen Chanukka-Lieder. Zu diesem fröhlichen Fest gehört auch das Spielen mit dem Dreidel und der Verzehr von in Öl zubereiteten Speisen wie Latkes, das sind Kartoffelpuffer und Sufganijot, wie der Krapfen auf Hebräisch genannt wird.
Diese Erfahrung hat etwas äußerst Kraftvolles und Erhebendes. Selbst in dunklen Tagen und dunklen Zeiten werden wir durch die Riten, die unser Volk seit so langer Zeit praktiziert und die uns wiederum Halt gegeben haben, getröstet und gestärkt. Die Lichter von Chanukka vertreiben die Dunkelheit und öffnen unsere Herzen für unsere Familien und Freunde und alle, die uns nahestehen, und bringen uns als freie Menschen der gesamten Weltgemeinschaft näher.
Zum Abschluss unserer Sendung hören Sie nun Jehoram Gaon. Er trägt ein Lied aus der Liturgie vor, das die Sehnsucht nach der Heiligen Stätte in Jerusalem zum Ausdruck bringt: Schejibane bejt Hamidkdasch. Die Übersetzung lautet: Erbaue, O Herr, unser Heiligtum baldmöglichst in unseren Tagen und gib uns unseren Anteil an Deiner Lehre, wie in früheren Zeiten.
Musik. CD. Niv. Records. “Neshama”; Interpret: Jehoram Gaon; Komponist: Volksweise
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LAUBHÜTTENFEST DER ISRAELITEN (SUKKOT)
Wir beginnen unsere Sendung zum Laubhüttenfest mit einem Loblied auf Jerusalem. Kantor Mosche Stern trägt dieses Psalmlied, aus dem Psalm 122. vor: Samachti beomrim li. Die Übersetzung lautet: „Ich freue mich, da man so zu mir sprach: In Sein Haus lasst uns gehen! Unsere Füße, sie stehen in deinen Toren, Jerusalem, auferbaut du – eine Stadt, so in sich verfugt, dass dorthin gezogen die Stämme, Seine Stämme; zu zeugen für Jisrael, Seinem Namen Dank zu erstatten!
Aus dem hebräischen Urtext wurde dieser Psalm von dem Canstatter Dichter Leopold Marx übersetzt. Diese Verse beschreiben die Freude der israelitischen Pilger, die in den alten Zeiten zum Laubhütten-Fest nach Jerusalem wanderten, um ihre Opfergaben im Tempel darbringen zu lassen.
Musik. CD. „Kol Haneschama “(„The Voice of the Soul “); MSCD 1006; Interpret: Mosche Stern; Komponist; traditionell;
Sukkot, auch bekannt als Laubhüttenfest, ist das dritte unserer Pilgerfeste und erinnert an die 40-jährige Wanderung der Israeliten durch die Wüste, nachdem sie aus Ägypten ausgezogen waren. Während dieser Zeit lebten sie in provisorischen Unterkünften oder Sukkot, die unsere eigene Abhängigkeit von G-ttes Schutz und Versorgung symbolisieren. Die Sukka, steht für die Zerbrechlichkeit des Lebens und unser Vertrauen auf den Allmächtigen.
Im dritten Buch Mose, lesen wir (23:42-43): "Sieben Tage lang sollt ihr in Hütten wohnen. Alle Einheimischen Israels sollen in Zelten wohnen, damit eure zukünftigen Generationen wissen, dass Ich die Israeliten in Hütten wohnen ließ, als Ich sie aus Ägypten herausführte. Ich bin der Herr, euer G-tt“.
Dieser Abschnitt erinnert uns an die Treue des Herrn und daran, wie wichtig es ist, sich an unsere bescheidenen Anfänge als Volk zu erinnern. Es ist ein Aufruf zur Demut und zur Dankbarkeit für die Segnungen, die wir jeden Tag erhalten. Sukkot ist auch als „Seman Simchateinu“, die Zeit unserer Freude, bekannt. Im Gegensatz zu anderen Feiertagen, die einen eher düsteren Ton haben können, ist Sukkot von Freude und Feierlichkeit geprägt. Wir werden ermutigt, uns über die reiche Ernte des Heiligen Landes und die Güte G-ttes zu freuen. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Sukkot ist das Schwingen mit den vier Pflanzenarten, auf Hebräisch „Arba Minim“. Diese sind: Etrog, der Paradiesapfel. Er ähnelt einer Zitrone und hat einen ausgeprägten Duft.
Lulaw, die Palme ist der Mitteldorn eines Palmzweiges.
Hadas sind drei Zweige der Myrte mit drei Blättern, die an jedem Knoten wachsen.
Und die Arawa, das sind Zweige der Bachweide, die weniger haltbar sind.
Diese vier Arten werden bei einer besonderen Zeremonie verwendet und während des Festes gemeinsam in einer Prozession, auf Hebräisch Hakafot, um die Synagoge herumgetragen. Das Schwenken der Arba Minim symbolisiert die Einheit und Vielfalt des jüdischen Volkes und ehrt die Gegenwart G-ttes in allen Richtungen.
Und nun hören Sie ein Psalmlied aus den Lobpsalmen des Festes: Zeh Hajom. (Ps. 118: 29) „Diesen Tag schuf (für uns) der Herr; jubeln wir und freuen wir uns an ihm.“ - Es singt Kantor David Werdyger.
Musik. CD. „Skulaner Chassidic Nigunim I.; Interpret: D. Werdyger; Komponist; D. Werdyger;
Das wichtigste Ritual im Zusammenhang mit den Arba Minim ist der Segen, der an jedem Tag von Sukkot, mit Ausnahme des Schabbats, über sie gesprochen wird. Dieser Brauch basiert auf dem biblischen Gebot aus dem dritten Buch Mose (23:40), das den Israeliten befiehlt: „Nehmt für euch am ersten Tag die Frucht eines herrlichen Baumes, gemeint ist der Paradiesapfel (Etrog), Palmzweige (Lulaw), Zweige von Laubbäumen (Hadas) und von den Weiden des Baches (Arawa), und ihr sollt sieben Tage lang fröhlich sein vor dem Herrn, eurem G-tt“.
Die vier Arten lehren uns etwas über Einheit und Vielfalt. So wie jede Pflanze für die Erfüllung des Gebots wichtig ist, ist jedes Individuum in den Augen G-ttes wertvoll. Dieses Ritual erinnert uns daran, unsere Unterschiede zu akzeptieren und in Harmonie zusammen zu leben.
"Freut euch an eurem Fest - ihr, eure Söhne und eure Töchter, eure Knechte und eure Mägde, die Leviten, die Fremden, die Waisen und die Witwen, die in euren Städten wohnen. Sieben Tage lang sollst du das Fest des Herrn, deines G-ttes, feiern an dem Ort, den der Herr erwählen wird. Denn der Herr, dein G-tt, wird dich segnen in all deiner Ernte und in all der Arbeit deiner Hände, und deine Freude wird vollkommen sein“. ( 5 B.M.16:14-15) Dieses Gebot, sich zu freuen, unterstreicht die Universalität des Festes, das allen Menschen, Freude bringt. Es erinnert uns daran, dass wahres Glück in der Gemeinschaft und in gemeinsamen Erfahrungen zu finden ist. Während Sukkot wird uns befohlen, in der Sukka zu leben, einer temporären Hütte, die den Elementen ausgesetzt ist. Diese Praxis erinnert uns eindringlich an die Vergänglichkeit des Lebens und an unser Vertrauen in den g-ttlichen Schutz. In Psalm 91 (1-2) heißt es: „Wer unter dem Schutz des Höchsten wohnt, ruht im Schatten des Allmächtigen. Ich werde vom Herrn sagen: 'Er ist meine Zuflucht und meine Burg, mein G-tt, auf den ich vertraue'“.
Das Verweilen in der Laubhütte ermutigt uns, unsere Komfortzone zu verlassen, die Einfachheit des Lebens zu schätzen und Sicherheit in der Gegenwart G-ttes und nicht in materiellen Besitztümern zu finden.
Während wir Sukkot in der heutigen Welt feiern, sollten wir darüber nachdenken, wie die Lehren dieses Festes auf unser modernes Leben angewendet werden können. In einer Zeit, in der sich viele darauf konzentrieren, immer mehr Dinge zu erwerben, ruft Sukkot uns dazu auf, dankbar für das zu sein, was wir haben, und in der Einfachheit zufrieden zu sein. Es fordert uns auf, stärkere Gemeinschaften aufzubauen und Menschen in Not zu unterstützen.
Wenn wir uns in unseren Synagogen versammeln, um das fröhliche Sukkot-Fest zu feiern, sollten wir uns die Lehren dieses Festes in Erinnerung rufen: Dankbarkeit für G-ttes Fürsorge, Freude über unsere Segnungen, Einheit in der Vielfalt und Vertrauen auf den g-ttlichen Schutz.
Zum Abschluss unserer Sendung hören Sie einen Abschnitt aus der Festliturgie: Wekarew Pesurenu. Auf Deutsch: Bringe, O Herr, unsere Zerstreuten aus der Mitte der Völker zurück. Und unsere Zersprengten sammle von den Enden der Erde wieder ein. Hole sie erneut nach Zion heim, in Deine Stadt Jerusalem, in Freude. Es singt Jehoram Gaon.
Musik. CD. „Neschama“; Niv. Records; 03-459957; Interpret: Jehoram Gaon; Komponist; Traditionell;
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40670
Zu Beginn unserer Sendung zum Versöhnungstag hören Sie Kantor Mosche Koussevitzky in einer klassischen Aufnahme. Er trägt einen Abschnitt aus der Liturgie der Hohen Feiertage vor. Habet Mischamajim ure‘e. Die Übersetzung lautet: Blicke, O Herr von Deiner Höhe herab und siehe wie wir zum Gespött und Hohn geworden unter den Völkern; als Schafe für die Schlachtbank sind wir erachtet…Aber bei all dem haben wir deinen Namen nicht vergessen; bitte vergiss uns nicht.
Musik “The Art of the Cantor“; LC- Isr.Music CD 5002; Interpret: Mosche Kussevitzky; Komponist: Mosche Kussevitzky
Jom Kippur, der Versöhnungstag, ist der heiligste Tag des Jahres in unserem jüdischen Kalender. Er fällt auf den 10. Tag des Monats Tischri.
Jom Kippur folgt neun Tage nach Rosch Haschana, unserem Neujahrsfest, und markiert das Ende der Zehn Tage der Reue. Der Tag ist eine Zeit der intensiven Buße und Selbstprüfung, an dem wir in allen jüdischen Gemeinden fasten, beten und unsere Verfehlungen bereuen.
Wenn wir uns am Jom Kippur in den Synagogen versammeln, begehen wir eine Zeit, in der wir unsere Seelen reinigen und uns aufrichtig vor den Allmächtigen stellen. Jom Kippur ist der Tag der Versöhnung, an dem wir nicht nur unsere Verfehlungen vor G-tt bekennen, sondern auch die Beziehungen zu unseren Mitmenschen in Ordnung bringen wollen. Wie der Schabbat ist Jom Kippur ein Tag der Ruhe, an dem keine Arbeit verrichtet werden darf.
Teschuwa, die Rückkehr zum Allmächtigen, ist der zentrale Gedanke von Jom Kippur. Es ist ein Prozess, der aus drei Hauptschritten besteht. Aus dem Widduj, dem Eingeständnis unserer Verfehlungen. Wir bekennen offen und ehrlich vor G-tt und den Menschen, was wir falsch gemacht haben, zeigen Einsicht, Reue und den festen Entschluss diese Fehler in der Zukunft zu vermeiden.
Unsere heiligen Schriften lehren uns, dass keine Verfehlung zu groß ist, um durch aufrichtige Teschuwa vergeben zu werden. Der Prophet Jesaja sagte: "Kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünden auch blutrot sind, sollen sie doch schneeweiß werden; und wenn sie rot sind wie Purpur, sollen sie doch wie weiße Wolle werden" (Jesaja 1:18). Der Versöhnungstag ist durch ein 25-stündiges Fasten gekennzeichnet.
Die Seuda Mafseket ist die letzte Mahlzeit, die vor dem Beginn des Fastens eingenommen wird. Seuda Mafseket bedeutet „Trennungsmahl“, das den Wochentag vom heiligsten Tag des Jahres trennt. Diese Mahlzeit ist eine wichtige Tradition in der jüdischen Praxis, da sie dazu beiträgt, sich sowohl körperlich als auch geistig auf das Fasten und den darauf folgenden Tag des intensiven Gebets und der Reflexion vorzubereiten
Die Seuda Mafseket findet am späten Nachmittag am Vorabend von Jom Kippur statt, bevor das Fasten bei Sonnenuntergang beginnt. Es ist die letzte Gelegenheit, bis zum Ende von Jom Kippur am folgenden Abend zu essen und zu trinken. Die Mahlzeit besteht in der Regel aus leichten und einfachen Speisen. Dazu gehören oft Huhn oder Fisch, Gemüse und Obst. Ziel ist es, übermäßig salzige oder scharfe Speisen zu vermeiden, die das Fasten erschweren könnten.
Bei der Seuda Mafseket geht es nicht nur um körperliche Nahrung. Es ist auch ein Moment der spirituellen Vorbereitung, bei dem sich die Teilnehmer auf die Bedeutung von Jom Kippur konzentrieren, über das vergangene Jahr nachdenken und sich vornehmen, sich im kommenden Jahr zu verbessern.
Und nun hören Sie Kantor Dudu Fischer mit seinem Chor. Er trägt ein Gebet der Synagoge zum Wohle der Gemeinde vor: Mi scheberach. Auf Deutsch: Der Herr, der unsere Väter Abraham, Isaak und Jakob gesegnet hatte, segne diese Gemeinschaft und alle anderen Gemeinden. Alle, die Brot den Fremden, Hilfe den Armen geben, die sich mit den Angelegenheiten der Gemeinde in Treue beschäftigen...Der Herr, gelobt sei Er, …schicke Segen auf all ihre Werke...So sagen wir: Amen...
Musik „Malavsky Family Songs“; Interpret: Dudu Fischer; Komponist: S. Malavsky
Nach der Seuda Mafseket beginnt das Fasten, und der Schwerpunkt verlagert sich ganz auf das Gebet, die Reue und die Bitte um Vergebung.
Dazu gehört der Verzicht auf Essen, Trinken und andere körperliche Annehmlichkeiten. Aber das Fasten am Jom Kippur ist mehr als nur ein Verzicht auf Essen und Trinken. Es ist ein Verzicht auf unsere physischen Bedürfnisse, damit wir uns auf unsere spirituellen Bedürfnisse konzentrieren. Indem wir fasten, zeigen wir unsere ernsthafte Reue und Demut vor dem Herrn. Viele Menschen tragen an Jom Kippur weiße Kleidung, als Symbol für Reinheit und den Wunsch, von Sünden gereinigt zu werden. Einige Männer tragen den sogenannten Sargenes, einen weißen Kittel, in dem sie dereinst beerdigt werden.
Das Gebet spielt eine ebenso zentrale Rolle. Am Vorabend von Jom Kippur beginnen wir noch am hellichten Tag mit der Gebetsformel Kol Nidre, ein Widerruf aller persönlichen Gelübde, Eide und Versprechungen gegenüber G-tt, die unwissentlich oder unüberlegt abgelegt wurden. Vergebung ist ein zweischneidiges Schwert. Wir suchen G-ttes Vergebung für unsere Verfehlungen, aber unsere Rabbiner lehren uns, dass wahre Vergebung nur dann möglich ist, wenn wir auch bereit sind, unseren Mitmenschen zu vergeben. Von Rabbi Akiwa lesen wir folgenden Satz in der Mischna, in der ersten Niederschrift der mündlichen Tora: "Glücklich seid ihr, Israel! Vor wem reinigt ihr euch und wer reinigt euch? Euer Vater im Himmel." Wenn G-tt uns verzeiht, sollten wir diese Gnade auch anderen gegenüber zeigen.
Jom Kippur ist nicht nur ein Tag der Reue, sondern auch ein Tag des Neubeginns. Es ist eine Gelegenheit, alte Gewohnheiten abzulegen und ein besseres Ich anzustreben. Rabbi Israel Salanter, der jüdische Gelehrte, Talmudist, Rabbiner und Gründer der religiös-ethischen Schule Mussar im 18. Jahrhundert sagte: "Das Ziel des spirituellen Lebens ist nicht, besser zu sein als andere, sondern besser als wir selbst in der Vergangenheit waren."
Während wir diesen heiligen Tag begehen, mögen wir daran denken, dass Jom Kippur eine Gelegenheit ist, unsere Seelen zu erneuern und unseren Platz im Buch des Lebens zu sichern. Mögen wir ehrlich und demütig vor G-tt treten, unsere Verfehlungen bekennen, Vergebung suchen und die feste Absicht haben, uns zu bessern. Möge dieser Jom Kippur für uns alle ein wahrhaftiger Tag der Versöhnung und Erneuerung sein.
Mit der Liturgie des Neila Gebetes und dem Blasen des Schofars schließen wir diesen ehrfurchtsvollen Tag ab.
Zum Abschluss unserer Sendung zum Versöhnungstag hören Sie einen Abschnitt aus dem Machsor, aus dem Festtagsgebetbuch, in chassidischer Bearbeitung: Darkecha Elokenu. Die Übersetzung lautet: Deine Art, O Herr, ist es langmütig zu sein, - allen Menschen gegenüber...Daher preisen wir Dich... Es singen Nira Rabbinovitz und Schlomo Nitzan.
Musik „Lechu Neranena. Shabbat and Chassidic Songs“; Interpret: Nira Rabbinovitz und Schlomo Nitzan; Komponist: Volksweise
Wir wünschen einander: G'mar Chatima Towa – Möget ihr im Buch des Lebens eingeschrieben sein.
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Wir beginnen unsere Sendung mit einer chassidischen Bearbeitung des biblischen Verses aus dem Buch des Propheten Jeremia: Haben Jakir li Efrajim. Er bildet einen Teil unserer Neujahrsliturgie. Die Übersetzung lautet: „So spricht der Herr: Gedacht habe ich deiner Jugend Minne, (Israel) der Liebe deiner Brautschaft, wie du Mir nachgingst in die Wüste in unbesätes Land...Geweiht war Israel dem Herrn, der Erstling Seiner Ernte...“ (Jer. 2:2). Es singt die Effie-Netzer-Gruppe.
Musik „Chassidic and Sabbat Songs“; Interpret: Effie-Netzer-Gruppe, Komponist: Volksweise
Wenn wir uns versammeln, um Rosch Haschana, das jüdische Neujahrsfest, zu feiern, bietet sich uns eine wertvolle Gelegenheit, über das vergangene Jahr nachzudenken und unsere Vorsätze für das kommende Jahr zu fassen. Dies ist eine Zeit der Erneuerung, eine Zeit, in der wir unser Leben, unsere Beziehungen und unsere Verbindung mit dem G-ttlichen überprüfen.
Rosch Haschana ist viel mehr als nur ein neuer Anfang im Kalender. Es ist ein tiefgreifender, spiritueller Moment, der uns zur Selbstbeobachtung und zum Wandel aufruft. Das Blasen des Schofars, des Widderhorns, ist ein zentraler Bestandteil des Feiertages. Sein Klang ist ein Weckruf, der unsere Seelen aus der Selbstgefälligkeit aufrüttelt und uns an unsere Bestimmung erinnert.
Die Töne des Schofars sind ein Aufruf zum Handeln. Sie fordern uns auf, aus unserem spirituellen Schlummer aufzuwachen und uns selbst genau unter die Lupe zu nehmen. Leben wir nach unseren Werten? Behandeln wir andere mit Freundlichkeit und Respekt? Leisten wir einen positiven Beitrag in unserer Gemeinschaft? Diese Fragen müssen wir uns stellen, wenn wir an der Schwelle zu einem neuen Jahr stehen.
Der Klang des Schofars erinnert uns auch an die Bindung Isaaks, eine Geschichte des Glaubens und des Opfers. Er fordert uns auf, darüber nachzudenken, was wir bereit sind, für das Allgemeinwohl, für unsere Familien, für unsere Gemeinschaft und für unseren Glauben zu leisten.
Eines der zentralen Themen von Rosch Haschana ist Teschuwa, Reue. Teschuwa ist mehr als nur die Bitte um Vergebung; es geht darum, dass wir uns aufrichtig bemühen, unser Verhalten zu ändern. Es geht darum, sich von unseren negativen Verhaltensweisen abzuwenden und einen Weg der Rechtschaffenheit einzuschlagen.
Dieser Prozess der Teschuwa umfasst vier Schritte: unsere Fehler erkennen, echte Reue empfinden, Wiedergutmachung leisten und sich zur Veränderung verpflichten. Es ist kein einfacher Prozess, aber er ist für unser geistiges Wachstum unerlässlich. Wenn wir uns auf Teschuwa einlassen, reinigen wir unsere Seele und öffnen uns für die Möglichkeit einer besseren Zukunft.
Und nun erkling ein traditionelles Stück der synagogalen Festliturgie. Es singt Kantor Issachar Helman mit seinem Chor: Lk’el Orech Din. Auf Deutsch. Wir huldigen G-tt, der das Urteil über uns fällt. Der am Tage des Gerichts unsere Herzen prüft; der die geheimsten Gedanken kennt und doch redliches Urteil über uns fällt.
Musik „Sarfei Mala“; Interpret: Issacher Helman und Chor; Komponist: J.Rosenblatt
An Rosch Haschana heißt es, dass G-tt das Buch des Lebens öffnet und unser Schicksal für das kommende Jahr einträgt. Diese Metapher erinnert uns an die Macht unserer Handlungen und Entscheidungen. Wir können zwar nicht alles kontrollieren, was uns widerfährt, aber wir können kontrollieren, wie wir darauf reagieren und wie wir unser Leben gestalten wollen.
Mit Ehrlichkeit und Demut sollten wir über das vergangene Jahr nachdenken, unsere Unzulänglichkeiten anerkennen, aber auch unsere Erfolge feiern. Wir wollen die Verpflichtung eingehen, besser zu sein, besser zu handeln und unseren höchsten Idealen gerecht zu werden.
Rosch Haschana ist eine Zeit der Hoffnung und der Erneuerung. Sie erinnert uns daran, dass wir, egal was in der Vergangenheit geschehen ist, die Macht haben, unsere Zukunft zu gestalten. Wir haben die Möglichkeit, neu anzufangen, zerbrochene Beziehungen zu kitten und unsere Träume mit neuem Elan zu verfolgen.
Mögen wir dieses neue Jahr mit einem Gefühl der Zielstrebigkeit und Entschlossenheit beginnen. Mögen wir danach streben, mitfühlender, großzügiger und liebevoller zu sein und gemeinsam daran arbeiten, eine Gemeinschaft aufzubauen, die die Werte Gerechtigkeit, Frieden und Respekt widerspiegelt.
Wir empfinden Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und die Möglichkeit, neu zu beginnen. Lauschen wir dem Klang des Schofars und lassen uns von ihm inspirieren, unser Bestes zu geben. Möge dieses neue Jahr für uns alle ein Jahr des Friedens, der Gesundheit, des Glücks und der Erfüllung sein.
Zum Abschluss unserer Sendung erklingt ein Ausschnitt aus einem Pijjut, einer Gebetsdichtung des Mussaf-Vormittagsgebets: Ki Keschimcha. Die Übersetzung lautet: Denn, wie Dein Name, O, Herr, so ist Dein Ruhm: Schwer zu erzürnen, leicht zu besänftigen. Du willst den Tod des Schuldigen nicht, sondern, dass er von seinem Wandel ablasse und lebe. Bis zum Tage seines Todes wartest Du auf ihn. Wenn er umkehrt, nimmst Du ihn bei Dir sofort auf. In Wahrheit, Du bist ihr Schöpfer und kennst ihren Trieb, dass sie nur Fleisch sind und Blut. Was ist der Mensch? Aus dem Staube der Erde ist er entsprossen, und im Staube löset er sich auf….
Musik „The Best of Naftali Hershtik.“Interpret: Naftali Hershtik; Komponist: Naftali Hershtik
Schana Towa U'Metuka - Mögen wir alle ein gutes und süßes Jahr haben.
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Als musikalische Einleitung zu unserem Toragebungsfest Schawuot hören Sie nun eine Komposition von Shlomo Carlebach. Er trägt einen Vers aus dem Buch des Propheten Jesaja vor: „Ki Mizijon teze Tora.“ (Jes.2:3). Auf Deutsch: „Denn von Zion geht die Lehre aus und das Wort G-ttes aus Jerusalem“.
Es scheint, dass der Prophet Jesaja, der im 8.Jhdt. v.d.Z., also etliche Jahrhunderte nach der sinaitischen Offenbarung lebte, die Schwerpunkte und die Tradierung der biblischen Lehre, wie auch des G-ttewortes von Sinai in Richtung Zion, nach Jerusalem verlegte.
(Musik. CD. LC. Hed-Arzi Records 15300; „The very best of Shlomo Carlebach “; Interpret: Shlomo Carlebach; Komponist: Shlomo Carlebach; 19-62720; Zeit: 3:05; Take 013; AMS: M0082327 –Gesamtzeit 3:05/gesendet ca.1:20-
Schawuot, auch bekannt als das Wochenfest, ist ein wichtiger Feiertag im jüdischen Kalender. Er erinnert an die Übergabe der Tora an Moses auf dem Berg Sinai. Obwohl Schawuot keine offensichtlichen Symbole aufweist, hat es eine tiefe spirituelle Bedeutung für die jüdische Gemeinschaft. Das hebräische Wort „Schawuot“ bedeutet “Wochen” und weist auf ein Gebot der Tora hin, das uns die Zählung der Tage und der Wochen, vom zweiten Tag des Pessachfestes an, verordnet. Nach Ablauf von sieben Wochen, also am fünfzigsten Tag folgte dann das Schawuot-Fest. Den Grund für das Gebot der Zählung sah man in der Tatsache, dass die Landwirte des Altertums kaum einen festen Kalender besitzen konnten. Aufgrund der angeordneten Zählung der Tage und Wochen konnten sie weder das Fest, noch ihre Pflichten zur Abgabe von Erstlingsfrüchten für den Tempel in Jerusalem vergessen.
Schawuot ist, wie die meisten Feste unseres Volkes, ein Feiertag mit mehreren Inhalten. In der Tora hat unser Wochenfest mehrere Namen: Chag HaSchawuot, auf Deutsch: “Wochenfest”; Chag HaKatzir: “Fest der Ernte”; Chag HaBikkurim, „Fest der Erstlingsfrüchte” und Atzeret, was so viel bedeutet, wie: “feierliche Versammlung”
Das „Wochenfest“ war von der biblischen Zeit her auch ein „Erntedankfest“. Das Volk dankte G-tt für die Gerstenernte. Dieses, für „das tägliche Brot“ wichtige Getreide, wird im Heiligen Land zu dieser Jahreszeit eingefahren. Die Erstlingsfrüchte des Landes wurden zu Zeiten des Tempels durch die Pilger nach Jerusalem getragen. Am Schawuot feiern wir auch den neuerlichen Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai. Beim erstmaligen Empfang hatte Moses die Steintafeln mit den Zehn Geboten laut biblischer Überlieferung zerschmettert, weil das Volk Israel ein Goldenes Kalb anbetete. Daraufhin ging Moses wieder auf die Spitze des Berges Sinai, um die Gebote ein weiteres Mal zu erbitten. Die Zehn Gebote stehen im Mittelpunkt der Toralesung beim Synagogeng-ttesdienst. Sie werden unter Begleitung einer besonderen Melodie vorgelesen, während die ganze Gemeinde stehend diesen Abschnitt der Tora verfolgt. Traditionell werden an Schawuot milchhaltige Speisen gegessen, wie Käsekuchen, oder Pfannkuchen gefüllt mit süßem Quark.
Und nun hören Sie einen Abschnitt der Festliturgie „Bej Ana rachiz“. Das Gebet in der Synagoge vor dem offenen Toraschrank, bevor die Schriftrollen aus dem Toraschrein ausgehoben und vorgelesen werden, lautet auf Deutsch: Ich stütze mich nur auf G-tt, den Herrn der Welt. Seine Lehre ist Wahrheit, Seine Propheten sind wahrhaftig. Er erweist immer wieder Gutes und die Wahrheit. Auf Ihn verlasse ich mich. Seinen Namen rühme ich! -- Es singen Mordechaj und Jidel Werdyger.
(Musik. CD. „Three Generations sing. “Interpret: Mordechaj Werdyger; Komponist: David Werdyger; 19-098451; (Take: 004 ODER) Take: 9; Zeit: 8:09; AMS: M0128471)
Der starken und intensiven Verbindung des Schawuot-Festes mit dem „Erntedank“ verdankt das biblische „Buch Ruth“ seine synagogale Vorlesung an diesem Festtag. // Nachdem sie nach Moab gezogen war und dort ihren Mann und ihre beiden Söhne verloren hatte, beschließt Naomi, dass es an der Zeit war, nach Jehuda heimzukehren. Es muss ihr das Herz gebrochen haben, die Rückreise ohne diejenigen zu beginnen, mit denen sie gekommen war. Aber sie hatte ja noch ihre beiden jungen Schwiegertöchter Orpa und Ruth. In jenen Tagen gehörten sie weiterhin zu ihrem Haushalt, auch wenn ihre Ehemänner nicht mehr da waren.
Irgendwann muss Naomi überlegt haben, wie viel die beiden jungen Frauen aufgeben mussten, als sie das verließen, was wahrscheinlich das einzige Zuhause war, das sie je gekannt hatten. Sie forderte ihre Schwiegertöchter auf, umzukehren und in das Haus ihrer Mütter zurückzugehen. Zunächst wehrten sich beide Frauen, aber schließlich überzeugte Naomis Hartnäckigkeit Orpa, und sie küsste Naomi und machte sich auf den Heimweg. Aber das Buch Ruth erzählt uns, dass die andere Schwiegertochter sich nicht überzeugen ließ. Ihre Verpflichtung gegenüber ihrer Schwiegermutter war zu stark. Und so sprach Ruth zu Naomi: „Der Herr tue mir das an, und noch mehr, wenn dich und mich etwas anderes, als der Tod trennt,
Zwei Witwen hatten es in jenen Tagen nicht leicht, und wahrscheinlich erlebten sie Hunger und Armut, als sie nach Jehuda kamen. Aber sie hatten einen reichen Verwandten, einen Mann namens Boas, und Ruth ging zu seinen Feldern, wo gerade die Ernte eingebracht wurde, um die Getreidereste zu sammeln. Boas wurde dort auf sie aufmerksam, und er hatte bereits von ihrer Hingabe und Fürsorge für ihre Schwiegermutter Naomi gehört. So nahm er sie in seinen Schutz, erlaubte ihr, von den Garben zu sammeln, und gab ihr zu essen. Nach einer gewissen Zeit heirateten Boas und Ruth.
Aufgrund von Ruths Hingabe und Liebe zu Naomi und ihrer Weigerung, von dem Weg abzuweichen, von dem sie wusste, dass er der richtige war, segnete G-tt sie in hohem Maße. Und so war es ihnen vergönnt in Frieden und Ruhe zu leben. Ruth und Boas bekamen Kinder, und deren Enkel wurde dann der legendäre König David, aus dessen Haus wir eines Tages das Kommen des Messias erleben werden. Der Glaube an diese messianische Hoffnung möge auf die ganze, viel gelittene, friedlose Welt ausgedehnt werden.//Zum Schluss unserer Sendung hören Sie Kantor Jitzchak Helfgot. Er trägt ein Gebet vor: Ledor Wador. Die Übersetzung lautet: Von Geschlecht zu Geschlecht wollen wir Deine Größe verkünden und in alle Ewigkeit Deinen Namen heiligen. Die Lobpreisung soll nicht aus unserem Munde weichen. Immer und ewig. (Musik. CD. „Avot“; MCD 220; Interpret: Jitzchak Helfgot, Komponist; M. Kuschevitzky; 12-034631; Take: 008; Zeit: 6:15; AMS M008 1983)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40082PESSACHFST DER ISRAELITEN 22.4.2024 SWR2
Von den volkstümlichen Liedern des Pessach- Festes überreiche ich Ihnen eine kleine „Kostprobe“: Ki lo nae, ki lo jae. Auf Deutsch: Dem Herrn gebührt Lobgesang, Ihm geziemt Preis und Dank: Du, O Herr wirst ewig sein. Es singt der L’chajim Chor.
(Musik. CD; L’chaim Productions; „Kulanu Messubin. Songs from the Hagodo “)
Das Pessachfest, das auch das Fest der ungesäuerten Brote genannt wird, erinnert uns an die wundersame Befreiung unserer Ahnen aus der Knechtschaft des Pharaos und der Sklaverei in Ägypten. Und daran, wie der Allmächtige uns durch die Wüste zum verheißenen Land geführt hat. Gleichzeitig bietet uns dieser Feiertag eine Gelegenheit über unsere Geschichte nachzudenken und die Werte unserer Gemeinschaft zu feiern. Aber Pessach ist nicht nur ein Fest der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft. Wir feiern nicht nur die Freiheit unseres Volkes, sondern auch unsere eigene Freiheit. Pessach markiert den Beginn der achttägigen Feier des Auszuges und ist der “Gründungsakt” des jüdischen Volkes, angeführt von Moses und unter G-ttes Schutz.
Wenn wir uns in die Geschichte des Auszuges vertiefen, werden wir in einen entscheidenden Moment in der Geschichte unseres Volkes zurückversetzt. Die Israeliten, die unter der Last der Sklaverei litten, begaben sich auf eine mutige Reise in die Freiheit. Die von Ungewissheit und g-ttlichem Eingreifen geprägte Reise ist ein Zeugnis für die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes und das Versprechen auf eine bessere Zukunft.
An Pessach verbinden uns die Wurzeln unserer gemeinsamen Geschichte mit dem reichen Mosaik dieses schönen Festes.
An den beiden ersten Abenden wird der Seder abgehalten. Seder, das heißt Ordnung, denn die Abende verlaufen nach einer gewissen Ordnung am Feiertagstisch. In der Mitte unseres Tisches sehen wir das ungesäuerte Brot, die Matza. Wenn wir die Matze brechen und teilen, erinnern wir uns an die Bedeutung der Freiheit und an die Verantwortung, die sie mit sich bringt.
Und nun erklingt ein Lied des Sederabends: Wa’amartem Sewach Pessach. Die Allgewalt Deiner Macht hast Du wunderbar bewiesen am Pessach. Darum erhobst du auch zum ersten aller Festtage das Fest Pessach. Du entdeckst dem Morgenländer die Wundertaten der Mitternacht Pessach. So sprechet es ist das Pessachopferfest. Sie hören nochmals den L’chaim Chor.
(Musik. CD; L’chaim Productions; „Kulanu Messubin. Songs from the Hagodo “; Interpret: L’chaim Tish Chor; Komponist: Mona Rosenblum)
Der Sederteller besteht aus verschiedenen symbolischen Speisen, die auf den Auszug unserer Ahnen hinweisen.
Wenn wir die Matza, das Bitterkraut und das Charosset - zu uns nehmen, werden wir an die vielschichtigen Ebenen der Pessach-Geschichte erinnert. Die Matza, das ungesäuerte Brot, steht für Demut und die Eile, mit der unsere Vorfahren Ägypten verließen. Das Maror, das Bitterkraut, erinnert uns an die Bitterkeit der Sklaverei. Das Charosset, eine süße Mischung aus Äpfeln, Nüssen und Wein, symbolisiert den Mörtel, mit dem unsere Ahnen die Pyramiden bauten. Während der Sederabende werden wir aufgefordert, Fragen zu stellen, uns an lebhaften Diskussionen zu beteiligen und über die Bedeutung der Geschichte des Auszugs für unser heutiges Leben nachzudenken.
Die Zahl 4 hat eine besondere Bedeutung und spielt eine wichtige Rolle beim Sederabend. Wir trinken im Laufe des Abends 4 Becher Wein. Jeder Becher repräsentiert einen Aspekt des Auszuges:
Der erste Becher: Erinnert an die Freiheit und den Beginn des Auszugs.
Der zweite Becher: Erinnert an G-ttes Versprechen, das Volk Israel aus der Sklaverei zu befreien.
Der dritte Becher: Erinnert an die Erlösung und das Ende der Plagen in Ägypten.
Der vierte Becher: Erinnert an die Annahme als G-ttes Volk und die Zukunft.
Während des Seders stellt das jüngste Kind 4 Fragen, unter anderem: “Ma nischtana ha laila hase mi kol ha leilot?” „Worin unterscheidet sich diese Nacht von allen anderen Nächten?“ Der Vater erzählt daraufhin die überlieferte Geschichte vom Auszug aus Ägypten, als hätten wir alles selbst erlebt.
Diese Frage führt zu einem Meinungsaustausch über den Auszug und die Bedeutung des Festes. In unserer Festlektüre des Abends, im „Haggada“-Büchlein, begegnen wir 4 Arten von Kindern, wie sie uns im Talmud beschrieben werden, und ihren Fragen.
Der kluge Sohn: Fragt nach den Geboten und Traditionen.
Der böse Sohn: Fragt zynisch und ablehnend.
Der einfache Sohn: Fragt einfach und unvoreingenommen.
Der unwissende Sohn: Weiß nicht einmal, was er fragen soll.
Die Zahl 4 symbolisiert also die verschiedenen Aspekte des Pessachfestes und die Vielfalt der Teilnehmer.
Während wir Pessach im Kontext unseres modernen Lebens feiern, sollten wir nicht vergessen, dass die Geschichte der Befreiung weitergeht. Es gibt immer noch Menschen unter uns, die sich nach Freiheit sehnen und verschiedenen Formen der Unterdrückung ausgesetzt sind.
Dieser Feiertag symbolisiert die Hoffnung auf Freiheit. Die Geschichte des Pessachfestes lehrt uns die Werte Mut, Beharrlichkeit und den Glauben an eine gerechtere Welt. In jeder Generation sind wir aufgerufen, uns an diese Werte zu erinnern und sie weiterzutragen.
Zum Schluss erklingt ein Pessach Lied aus der Haggada. Chassal Siddur Pessach. Die Übersetzung lautet: Wir haben nun die Zeremonie des Sederabends abgeschlossen, wie es uns verheißen wurde…Es singt der L’chajim Chor, unter der Leitung von Avraham Weiss. Solist ist Moshe Mordechai (Mona) Rosenblum.
(Musik. CD. „Kulanu Messubin.“ Songs from the Haggodo. L’chajim Productions.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=39691Unser Losfest „Purim“, übermorgen Sonntag ist ein fröhlicher Feiertag. Immerhin geht es dabei um die Errettung unserer Vorfahren im alten Persien. Damals lebte die Mehrheit unseres Volkes im Herrschaftsgebiet des persischen Königs Xerxes I. Wir kennen ihn als Achaschwerosch. Sein Regierungschef Haman ist ein übler Bursche, er plant einen Komplott und die Ermordung aller Juden im Reich. Aber diese Schoah im alten Persien wird nicht stattfinden. Dank des eigenmächtigen Eingreifens und Handelns einer einzigen mutigen jüdischen Frau namens Esther und ihres Onkels Mordechai.
Den Inhalt, die Bedeutung, wie auch die Ereignisse von Purim können wir am besten aus der Lektüre dieses Festes, aus dem biblischen Esther- Buch, der Megillat Esther kennenlernen. Die Geschichte in diesem Buch ist die einzige Erzählung der Bibel, die sich nicht im Heiligen Land abspielt. Ihr unbekannter Verfasser lebt vor mehr als 2000 Jahren im damaligen persischen Weltreich, das aber mit dem heutigen Iran nichts zu tun hat. Der Geist, der dieses biblische Werk durchdringt, weicht merklich von dem der prophetischen Schriften ab. In dieser Erzählung wird überdies der Name G-ttes kein einziges Mal erwähnt.
Im Grunde geht es an „Purim um die Überwindung des Bösen und der Dunkelheit durch das Licht des Glaubens und der Hoffnung. Unsere Purim-Geschichte ist eine Geschichte des Überlebens und des jüdischen Zusammenhalts. Im Mittelpunkt steht die Königin Esther, die mutig ihre jüdische Identität offenbart und sich für ihr Volk einsetzt.
Zu Purim gehören mehrere Bräuche und Traditionen, wie das Lesen der Megillat-Esther in der Synagoge. Wenn während der Lesung der Name des Bösewichts Haman fällt, machen die Anwesenden Krawall und Lärm. Sie rufen, sie trampeln, oder sie schwingen ihre Ratschen, die „Ra‘aschanim“. Um seinen Namen zu übertönen.
Die Purim-Geschichte will uns dazu ermutigen, dass wir unsere Stimme erheben und dass wir gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufstehen. Sie erinnert uns daran, dass jeder Einzelne die Macht hat, das Böse aufzuhalten und Veränderungen zum Guten herbeizuführen – selbst in den schwierigsten Zeiten.
Neben aller Ernsthaftigkeit gehört auch ausgelassene Freude zu Purim. Dabei vergessen wir die Bedürftigen nicht. Und so gehört zu Purim der Brauch des „Mana-Verschickens“, auf Hebräisch „Mischloach Manot“. Er unterstreicht die Bedeutung von Zusammenhalt, Solidarität und Mitgefühl in unserer jüdischen Gemeinschaft. Wir tauschen in der Familie, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft Geschenke in Form von Speisen und Getränken aus. Es ist üblich, immer mindestens zwei verschiedene Arten von Lebensmitteln zu verschenken.
Und nun hören Sie das populäre Purimlied: Schoschanat Jaakow. Es singt Kantor Chajim Herschtik. Die Übersetzung lautet: Jakobs Rose ward fröhlich als man Mordechaj in Purpur erblickte. Hilfe für Israel bist Du in aller Ewigkeit, O Herr, Hoffnung in jedem Geschlecht. Kundzutun, dass nicht zuschanden werden alle, die auf Dich hoffen.
(Musik. CD. Galton L 5865; Schaar Hanegina;19-98009; Interpret: Chajim Herschtik; Komponist: Volksweise; Take: 004; Zeit: 5:11; AMS: M0429963)
Eine weitere Purim-Tradition ist das Spenden an Bedürftige. Es wird als eine gute Tat gewertet, als eine Mitzwa, mindestens zwei Bedürftigen Geschenke oder Geld zukommen zu lassen.
An Purim treffen wir uns im Familienkreis oder in der Gemeinde zu einem festlichen Mahl, zu einer Purim-Seuda. Dabei erscheinen viele verkleidet und kostümiert, vor allem die Kinder. Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Ereignisse von Purim voller versteckter Wunder waren. Und die fröhliche Stimmung und ausgelassene Atmosphäre passt wunderbar zur spielerischen Verkleidung. Kein Wunder, dass Außenstehende unser „Purim“ gerne mal mit Fasching verwechseln.
Unser Purim am kommenden Sonntag ist ein fröhlicher Feiertag, an dem wir die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes feiern und den Sieg einer bedrohten Minderheit über die schweigende Mehrheit. Ein Tag der Fröhlichkeit, der Gemeinschaft und des Teilens.
Möge uns diese Zeit der Freude, des Teilens und des Glaubens dazu anspornen, das Licht des Optimismus und der Menschlichkeit in unserem eigenen Leben zu suchen und zu finden.
(Musik Anfang: CD. LC-Noam-CDH 623; 19-70647; Interpret: Miami Boys Choir und Yerachmiel Begun; Komponist: Yerachmiel Begun; Take: 003; Zeit: 3: 28; AMS: M0082330)
(Musik Abschluss: CD. „Three Generations sing“– Kol-Star-; 19-098451; Interpret: David Werdyger und Familie; Komponist: David Werdyger; Zeit: 4: 02; Take: 006; AMS: M0128473)
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