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SWR2 Wort zum Tag

Das wollte ich doch nicht! Ein Wort hatte das andere gegeben. Der Streit eskalierte. Unbedachte Worte verletzten und zerstörten die Beziehung zu einem nahen Menschen. Eigentlich war das nicht gewollt. Aber es passierte doch.
Das wollte ich doch nicht! Der Beruf hat wenig Zeit gelassen für die Familie. Die erwachsenen Kinder sprechen dann aus, was man versäumt hat: Du warst ja meist nicht da, wenn wir dich gebraucht hätten. Das war nicht gewollt. Es ist aber eben doch geschehen.
Das wollte ich doch nicht. Da war einer schwer krank und hat auf Besuch gewartet. Aber immer wieder kam etwas dazwischen, und ich habe den Besuch verschoben. Dann war es zu spät. Das war nicht gewollt. Und es ist doch so gekommen.
Immer wieder tue ich, was ich eigentlich nicht gewollt habe und nicht will. Oder ich unterlasse, was ich eigentlich tun wollte, versäume, was richtig und wichtig gewesen wäre und kann es manchmal auch nicht nachholen. Wie frei sind wir also in unserem Wollen? Natürlich haben wir in vielen Situationen die Möglichkeit, das Eine oder das Andere zu tun. Immer wieder gelingt auch das Gute und Richtige. Und doch weiß und erfahre ich, dass ich nicht tue, was ich eigentlich will, dass ich darum auch nicht bin, der ich sein möchte. So ist es offenkundig, dass unsere Willensfreiheit begrenzt ist.
In seinem Brief an die Gemeinde in Rom hat Paulus auf den Punkt gebracht, wie es um unser Wollen bestellt ist: Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Ich bin nicht, der ich sein möchte, weil ich immer wieder nicht tue, was ich als gut erkannt habe. Das Gute will getan werden. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es, meint Erich Kästner. Und er hat Recht. Paulus sieht aber noch schärfer, wie unfrei unser Wollen ist. Auch wenn mir Gutes gelingt, bin ich immer noch nicht der, der ich sein will. Nicht nur, weil es eben auch das Versagen bei mir gibt. Paulus denkt an etwas, das einem aufgeht, wenn man glaubt. Im Glauben erfahre ich Gottes Liebe. Ich vertraue darauf, dass Gott mich mit meinen Grenzen und Schwächen nicht aufgibt. Ich sehe, wie wenig ich dieser Liebe entsprechen kann und wie viel Liebe ich schuldig bleibe. Aber ich kann gewiss sein, dass Gott mich nicht fallen lässt und aus mir macht, was ich sein will: Einen Menschen, der geliebt ist und dem in der Kraft der Liebe dann immer wieder gelingen kann, was gut ist. Dieses Vertrauen ist aber nicht Ergebnis meiner Willensentscheidung. Es wird mir geschenkt.

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SWR2 Wort zum Tag

Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. ... wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. So hat heute vor 65 Jahren die neu gebildete Evangelische Kirche in Deutschland ihre Mitschuld an den Verbrechen des Naziregimes bekannt. Es war in Stuttgart, und Gäste aus der Ökumene waren wenige Monate nach dem Ende des Krieges nach Stuttgart gekommen. Das Schuldbekenntnis war die Voraussetzung für die Aufnahme in die weltweite ökumenische Gemeinschaft. Es hat den Weg zur Versöhnung mit Christen in Ländern, die unter Gewalt und Unrecht entsetzlich gelitten haben, früh eröffnet.
Der Lernprozess, der diesem kirchlichen Schuldbekenntnis vorausging, war allerdings mühsam. Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes sah sich die Kirche vor allem als Opfer; man übersah, dass meist nur einzelne Christen, selten Kirchenleitungen, Unrecht beim Namen genannt oder gar dagegen aufgestanden waren. - Bei der Formulierung des Bekenntnisses gab es Widerstand gegen den Satz: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Heuteschwer verständlich ist, dass das grausame Unrecht, das vor allem Juden zugefügt worden ist, und der Zusammenhang zwischen kirchlichem Antijudaismus und Antisemitismus nicht zum Ausdruck gekommen sind. - Die Reaktionen in Deutschland auf das Schuldbekenntnis waren heftig. In der Bevölkerung fürchtete man, dass das Schuldbekenntnis ein Argument für Vergeltungsmaßnahmen der Siegermächte werden könnte. Auch Stimmen in der Kirche versuchten, die deutsche Schuld gegen das Unrecht der Vertreibungen und den damit verbundenen Gräueln aufzurechnen. Nur vier Landeskirchen, darunter die badische, haben sich das Schuldbekenntnis ausdrücklich zu Eigen gemacht. - Dennoch: Es war eine entscheidende Voraussetzung für Neuanfang und Versöhnung. Daran kann man dankbar denken.
Auch für heute haben die Vorgänge damals Bedeutung: Sie erinnern daran, dass auch die Kirche immer wieder Schuld auf sich geladen hat, dass sie versagt und auf Vergebung angewiesen bleibt. Sie lehren, dass ein fehlendes Eingeständnis des Versagens oder gar die Vertuschung von Unrecht Opfer verhöhnen und Versöhnung verhindern. Sie zeigen aber auch, dass durch das Bekenntnis der Schuld Versöhnung und durch Bekennen, Beten, Glauben, Lieben Neuanfänge möglich werden!

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SWR2 Wort zum Tag

Wozu ist das Christentum gut? Worin besteht der besondere Beitrag des christlichen Glaubens zum Leben des einzelnen Menschen und der Gesellschaft? Vielfältig sind die Überzeugungen und Lebensentwürfe der Menschen heute. Unterschiedliche Traditionen aus verschiedenartigen Kulturen haben in unserer Gesellschaft Platz. Unbestreitbar ist allerdings, dass die jüdisch-christliche Tradition zusammen mit der Aufklärung das Leben und Zusammenleben der Menschen in unserer Geschichte geprägt hat und bis heute wirksam ist. Was ist der Mensch? Woher nimmt er sein Maß? Was gibt ihm die Kraft, das Leben zu bestehen und die Zukunft zu gestalten? Welche Regeln sollen das Zusammenleben bestimmen? Antworten auf diese Fragen fallen nicht vom Himmel. Sie entstehen in einem langen geschichtlichen Prozess und behalten ihre Bedeutung, selbst wenn ihr Ausgangspunkt aus dem öffentlichen Gedächtnis zu verschwinden droht. So ist das Christentum in den Fragen nach dem Verständnis des Menschen, seines Lebens und des Zusammenlebens nicht wegzudenken.
Aber wozu ist es gut? Melanchthon, an dessen 450. Todestag wir in diesem Jahr denken, hat eine Antwort auf diese Frage in ein überraschendes Bild gebracht. Er stellt sich vor, durch die dunkle Nacht zu gehen. Dazu brauchte man damals eine Laterne. Die gleiche dem Gemeinwesen mit den in ihm herrschenden Überzeugungen und den Regeln für das Zusammenleben. Er meint nun: Die Laterne nütze nichts, wenn in ihr kein Licht brennt. Umgekehrt sei das Licht, um leuchten zu können, auf ein funktionierendes Gehäuse, eben das Gemeinwesen, angewiesen. Das Licht sei die Erkenntnis Gottes und die Lehre von den guten Dingen. Gotteserkenntnis und das Wissen um das Gute lassen es in der dunklen Nacht, im Leben des Menschen und des Zusammenleben hell werden.
Ich verstehe das so: Man kann wissen, was gut ist, was Menschen und ihrem Zusammenleben gut tut. Man kann es auch lernen. Mit Vernunft und gutem Willen erkennt man das Gute im persönlichen Leben und im Zusammenleben. Aber warum Gotteserkenntnis? Vernunft und guter Wille reichen offenbar nicht aus, das Gute dann auch zu verwirklichen. Man weiß es von sich selbst, wenn man daran denkt, was man immer wieder falsch macht. Man weiß es, wenn man vor Augen hat, was in unserem Zusammenleben nicht in Ordnung ist. Der christliche Glaube weiß von dem Gott, dem der Mensch Verantwortung schuldet, der aber die, die sich verrennen und dem Guten den Rücken kehren, nicht aufgibt, der sie liebt. Wer so glaubt, gibt sich selbst auch nicht auf und wird immer neu um die Erkenntnis und die Verwirklichung des Guten zu ringen. Vor allem dazu ist das Christentum gut.

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SWR2 Wort zum Sonntag

Was ist gut? Und was tut gut? Wissen wir es? Man kann daran zweifeln. Es gibt jedenfalls Situationen, in denen ich nicht weiß, was richtig oder falsch ist. Helfe ich, wenn ich mich in einen Konflikt einmische, oder rufe ich Reaktionen hervor, die ihn noch verschärfen? Soll ich meinem erwachsenen Kind, das sich meinem Eindruck nach ins Unglück zu stürzen droht, einen deutlichen Rat geben, oder laufe ich dabei Gefahr, sein Vertrauen zu verlieren? Manchmal weiß ich allerdings ganz genau, was richtig wäre, sehe eine Aufgabe, verweigere mich aber, weil sie mich viel Zeit und große Anstrengungkosten würde. - Wie ist es bei den großen Problemen unserer Gesellschaft, z.B. bei notwendigen Reformen im Bildungswesen, in der Gesundheitspolitik, in Fragen der Energieversorgung. Es wird heftig darüber gestritten, was gut wäre und unserer Gesellschaft gut tun würde. Und man hat oft den Eindruck, dass in unterschiedlichen Positionen Richtiges gesehen wird und es einen Königsweg zur Lösung eines Problems nicht gibt. Manchmal hat man allerdings auch den begründeten Verdacht, dass es in diesem Streit weniger um die umstrittene Sache und mehr um die Durchsetzung der eigenen Position, um Eigeninteressen, um Macht und Einfluss geht.
Was ist gut? Was tut gut? Im 8. Jahrhundert v. Chr. hat ein Mann mit dem Namen Micha eine klare Antwort gegeben. Er stammte aus einem kleinen Dorf nicht weit von Jerusalem und war wahrscheinlich Dorfältester. Aufgetreten ist er wie ein Prophet, obwohl er sich nie so genannt hat. Er hat mit den kleinen Leuten, überwiegend Kleinbauern, gelitten. Die hatten die Folgen der Habgier wirtschaftlich Einflussreicher zu tragen und wurden durch sie und durch maßlose Forderungen des Staates in die Armut getrieben. Micha sah, dass, was gut ist, offenbar vergessen wurde und hat das Unrecht gegeißelt. Und er hat mit einer kurzen Formel an das Gute, das Menschen gut tut, erinnert: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und Gott bei dir sucht: Nichts anderes als Gerechtigkeit üben, Freundlichkeit lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.
Wenn Micha recht hat, was ist dann gut? Es ist nichts Neues. Es ist mir längst gesagt. Ich muss es mir nur sagen lassen, in jeder Lebenssituation neu. Und entscheidend ist, dass es Gott bei mir sucht. Was gut ist und gut tut, kann ich mir also nicht selbst sagen. Der muss es mich erkennen lassen, der mir das Leben gegeben hat, der mich durch das Leben begleitet, mit mir sein will und dem ich, was auch mit mir geschieht, vertrauen kann. In dem, was er für mich ist und für mich tut, erkenne ich, was auch bei mir gut ist. Und das ist im Grunde etwas ganz Einfaches: Ich soll in meinem Tun anderen gerecht werden, wie Gott mir gerecht wird und entsprechend handeln. Das heißt: Ich soll anderen mit Offenheit und Freundlichkeit begegnen, wahrzunehmen versuchen, was sie bewegt oder auch belastet. Ich soll mich von Liebe bestimmen lassen. Liebe macht das Leben gut. Sie will, was dem Miteinander dient und Anderen Raum zum Leben gibt. Sie hilft auf den Weg, den Gott mit mir gehen will, auf dem er mich zu Aufgaben führt und auf dem er mir in allem, was mir begegnet, beisteht. - Ist damit wirklich klar, was gut ist und gut tut? Immer wieder werde ich fragen müssen, was gut wäre und wirklich gut täte. Im Streit über richtige Lösungen gesellschaftlicher Probleme werden weiter Meinungen aufeinander prallen. Aber die Richtung ist nun klar, in der das Gute gesucht werden kann. Was gesagt ist, setzt Maßstäbe. Gut kann nicht sein, was Anderen schadet. Suchen muss ich, was ihnen in ihrer Lebenssituation am besten hilft. Und in den Auseinandersetzungen über die beste Lösung gemeinsamer Probleme müssen sich Sachlichkeit, Respekt vor Menschen mit anderer Meinung und die Bereitschaft auch zum Kompromiss verbinden.

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SWR2 Wort zum Tag

 Es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis, mit unserer kleinen Enkelin unterwegs zu sein. Die ersten Gehversuche hat sie hinter sich, und sie kräht vor Vergnügen, wenn sie mit kleinen, schnellen Schritten eine Strecke allein bewältigt. Sprechen kann sie noch nicht; aber sie weiß, auf sich aufmerksam zu machen und zu zeigen, was sie gerne hätte: zum Beispiel das Stückchen Wurst in der Metzgerei, wo sie, kaum ist sie in den Laden gekommen, freundlich begrüßt wird. Immer wieder staune ich, wie Menschen, ältere und jüngere, auf sie reagieren. Sie sprechen sie an. Sie freuen sich, wenn sie angelacht werden. Sie verwickeln die Eltern oder die Großeltern manchmal in ein Gespräch. Fast immer huscht ein freundliches Lächeln über das Gesicht auch der Menschen, die einfach vorbei gehen.
Woran liegt es, dass kleine Kinder so viel Freundlichkeit und Anteilnahme wecken? Liegt es daran, dass sie noch so klein und schutzbedürftig sind? Dass sie lachen und weinen, ohne ihre Wirkung auf Andere zu kalkulieren? Dass sie, was sie wollen, so direkt und unverblümt äußern? Dass sie, auch wenn sie in einer bestimmten Phase auf fremde Menschen mit Abwehr reagieren, Misstrauen noch nicht kennen? Es ist vermutlich all dies, was die Aufmerksamkeit und Freundlichkeit auf sie zieht.
Natürlich gibt es auch die ganz anderen Reaktionen auf Kinder: Ungeduld, wenn sie laut sind und stören; Missachtung, wenn nur das wahrgenommen wird, was noch unfertig an ihnen ist; gar Missbrauch, wenn sie verantwortungslos benutzt werden. - Von einer typischen Reaktion der Jünger Jesu erzählt die Bibel: Mütter wollen ihre Kinder zu Jesus bringen. Harsch hindern sie die Jünger daran. Sie finden: Bei dem, was Jesus den Menschen zu sagen hat, haben Kinder nichts verloren. Da geht es um ernste Dinge. Kinder sind dafür nicht wichtig genug. Jesus aber greift, zornig auf seine Jünger, ein, holt die Kinder zu sich und segnet sie.
Und er schreibt den Jüngern und uns ins Stammbuch: Werdet wie Kinder, damit Ihr empfangen könnt, was Gott schenkt. Ihr könnt klein werden und eure Bedürftigkeit eingestehen. Ihr müsst nichts aus euch machen. Ihr könnt vor Gott sein, wie ihr seid. Er sieht ohnehin eure Grenzen und Mängel. Und er liebt euch. Darauf sollt ihr vertrauen - mit einem Vertrauen, wie es Kinder haben. In der Kraft dieses Vertrauens werdet ihr dann auch Menschen anders begegnen und Manches besser machen können, was ihr als Mangel erkannt habt. Werdet also wie Kinder, lernt von ihnen - und achtet ihre Würde!

 

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SWR2 Wort zum Tag

In unserer Nachbarschaft verbringen ältere Damen in einem Haus mit einer Pflegeabteilung ihren Lebensabend. Mehrfach am Tag machen sie, oft gestützt auf einen Rollator, ihren Rundgang. Immer wieder bleiben sie an der Rabatte vor dem Haus, in dem wir wohnen, stehen und betrachten die Blumen. Man sieht: Sie freuen sich daran. Genau verfolgen sie, was im Wechsel der Jahreszeiten aufgeblüht ist. Wenn sie uns bei der Gartenarbeit antreffen, sagen sie, wie gerne sie stehen bleiben und die Blumen betrachten. Manchmal sehen sie sich eine besonders prächtige Rose genauer an und gehen mit einem Lächeln weiter. Ich frage mich immer wieder: Sehen sie denn nicht das Unkraut, das immer wieder nachwächst, meinen kritischen Blick von den Blumen ablenkt und mich daran erinnert, was ich noch nicht getan habe? Ich vermute: Sie sehen es. Aber ihr Blick bleibt an der Schönheit der Blüten, an ihren Formen und Farben haften. Sie lassen sich von dem, was man da auf dem Beet auch noch sehen kann, ihre Freude nicht nehmen.
Sie haben, denke ich, im Anblick der Blumen etwas Wichtiges verstanden: Die verhindern nicht, auch zu sehen, was nicht so schön ist. Sie nehmen ihnen auch nicht ihr Alter und so manche Beschwerden. Aber wenigstens einen Augenblick tritt bei ihrem Anblick all das in den Hintergrund und machte der Freude Platz, der Freude am Schönen mitten im Alltag. In jedem Alltag gibt es noch viele andere Anlässe sich zu freuen. Sie löschen Unerfreuliches im Leben nicht aus. Aber sie schaffen kleine Inseln zum Atemholen. Man muss diese nur bewusst betreten. Die Blumen können die Augen für sie, für das Erfreuliche mitten im Alltag öffnen.
Auch Jesus hat gemeint, man könne von den Blumen lernen. Seine Freunde, die ihr altes Leben hinter sich gelassen hatten und bei ihm waren, hat er einmal auf die Lilien auf dem Feld aufmerksam gemacht. Die wachsen wild, sind irgendwann verblüht und verdorren. Aber ihre Blüte ist von unvergleichlicher Pracht, schöner als die noch so prächtige Kleidung der Könige. Dafür „tun" sie nichts. Gott hat sie so geschaffen, ihnen ihre Schönheit geschenkt. Wird er den Menschen, die er liebt, nicht noch viel mehr schenken als den so rasch verblühenden Blumen? Können diese dann nicht ihre Angst vor der Zukunft hinter sich lassen, die Sorge, dass sie nicht genug haben und zu kurz kommen? Freiheit von der Sorge können die Lilien lehren. Jesus fügt dann hinzu, was an die Stelle der Sorge treten soll und das Leben gelingen lässt: Auf Gott, auf sein Wirken jetzt und in Zukunft vertrauen, und zuversichtlich tun, was man als richtig und gut erkannt hat.

 

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SWR2 Wort zum Tag

Manchmal wache ich morgens mit einem Glücksgefühl auf. Ich habe fest geschlafen und freue mich auf den Tag, der vor mir liegt. Ich fühle mich gut, bin dankbar dafür, dass ich lebe, aufstehen kann und dass sich gesundheitliche Beschränkungen, die zu meinem Alter gehören, in Grenzen halten. Ich bin froh, dass mir Zeit geschenkt wird, Zeit zu leben.
Es gibt auch die anderen Tage. Schon am Morgen ist alles Grau in Grau. Ich hatte etwas in die Nacht mitgenommen, was mich am Vortag belastet hat, lange nicht einschlafen können und Probleme gewälzt. Ich weiß, dass an dem Tag, der vor mir liegt, nicht gelöst ist, was mir den Schlaf geraubt hat. An einem solchen Morgen fühle ich mich wie gefangen, gefangen von einem Problem oder von Lebensumständen, die ich kaum beeinflussen oder nicht lösen kann. Ich fühle mich unfrei und bäume mich dagegen auf. - Sie werden dieses Gefühl auch kennen.
Vielleicht hilft Ihnen und mir, was einer, der in einem wirklichen Gefängnis saß und nicht wusste, ob er noch einmal herauskommen würde, von sich berichtet. Er habe gelernt, mit allem, was ihm widerfährt, zufrieden zu sein. Er könne sich ganz unten fühlen und dann wieder oben auf sein, sehr glücklich und dann wieder voll Hunger nach Leben. Er könne im Überfluss leben und ihn genießen, könne aber auch den Mangel akzeptieren. Kann man so unabhängig sein von Lebensumständen? So frei? Oder nimmt da einer den Mund zu voll?
Der Gefangene, der von seiner großen Freiheit spricht, ist Paulus, der große Theologe der frühen Christen. Er hat in seinem Leben und Wirken Erfolge gehabt, hat aber auch viel gelitten und ist immer wieder an schmerzhafte Grenzen gestoßen. Was hat ihn so frei gemacht? Eine Beziehung. Die Beziehung zu Christus. Er glaubt, dass Christus an seinem Glück und seinem Leid teilnimmt. -Ich weiß: Mir wird leichter, wenn ein naher Menschen teilnimmt, wenn es mir nicht gut geht. Und mein Glück wird größer, wenn ich es teile. Die Beziehung zu einem Menschen, der einen liebt, verändert Leid und Glück; sie macht unabhängiger von guten und schweren Erfahrungen. Paulus glaubt, dass er von Christus unter allen Umständen geliebt wird. Seiner Liebe vertraut er im Glück und im Leid. Dieses Vertrauen ist stärker als alle Lebensumstände. Ich bin gewiss: Mit einem solchen Vertrauen werde auch ich unabhängiger von dem, was mir widerfährt. Wie ich aufwache, bestimmt nicht mehr den Tag, der vor mir liegt. Das Vertrauen lässt mich den Tag zuversichtlich beginnen. Es macht frei.

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SWR2 Wort zum Tag

Heute vor 65 Jahren war der zweite Weltkrieg zu Ende, jedenfalls in Europa. Deutschland hatte bedingungslos kapituliert und wurde nun in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Viele Städte waren zerstört. Kaum eine Familie gab es, in der nicht um einen gefallenen Angehörigen getrauert wurde. Tausende waren in Kriegsgefangenschaft, blieben es lange oder verloren dort noch ihr Leben. Unzählige mussten ihre Heimat verlassen. Das ganze Ausmaß der Verbrechen des Naziregimes wurde bekannt, die Ermordung von Juden, von Sinti und Roma, von Homosexuellen, von Geisteskranken, von Menschen, die um ihrer religiösen oder politischen Überzeugungen verfolgt worden waren. Wie es nach all dem mit unserem Land und den Menschen in ihm nun weitergehen sollte, konnte man sich kaum vorstellen. - Wer wie ich, noch als Kind, in diesen Abgrund voller Schrecken und Leid geschaut hat, kann nicht vergessen. Aber auch die Nachgeborenen müssen wissen und im Gedächtnis behalten, was damals geschehen konnte und unter welchen Bedingungen es geschah.

Vergessen werden darf aber auch nicht, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung war. Er bedeutete das Ende eines verbrecherischen Regimes, das den Krieg angezettelt hatte. Er war das Ende eines schlimmen Irrweges, - und barg darum auch schon den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diese Hoffnung wurde immer stärker. Und am 8. Mai 1949 hat die Hoffnung für unser Land einen guten Grund gefunden. Damals hat der Parlamentarische Rat unser Grundgesetz beschlossen, wie wir heute wissen, die beste Verfassung, die Deutschland je hatte. In ihr bekennt sich unser Volk zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt, zur unantastbaren Würde des Menschen. So können wir heute auch daran denken, dass unser Land auf dieser Basis in die Gemeinschaft der Völker zurückkehren konnte und uns ein Leben in einem freiheitlichen Rechtsstaat geschenkt wurde.

Christen wissen von den Gefährdungen des unvollkommenen Menschen. Die Erinnerung an das Vergangene kann ihnen darum helfen, nicht wegzuschauen, wo Unrecht heute geschieht. Christen glauben daran, dass Gott im Geschehen in der Welt wirkt. Sie können ihm darum dafür danken, dass der Friede und das Leben in Freiheit nach den Schrecken der Vergangenheit wieder möglich wurden. Christen wissen von ihrer Verantwortung vor Gott. Sie müssen sich darum nach ihren Möglichkeiten in das politische Geschehen einmischen und tun, was Frieden und Gerechtigkeit im Zusammenleben ermöglicht und erhält.

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SWR2 Wort zum Tag

Weit hat es Johann Peter Hebel gebracht. Früh hatte er seine Eltern verloren, in seinem zweiten Lebensjahr seinen Vater, im dreizehnten seine Mutter. Sie starb im Beisein des Dreizehnjährigen auf dem Weg von Basel nach Hausen im Wiesental, der Heimat der Mutter. Förderer haben dem verwaisten Vierzehnjährigen den Besuch des Gymnasiums in Karlsruhe ermöglicht. In dieser Zeit ist er schon dem badischen Markgrafen aufgefallen. In Erlangen hat er Theologie studiert, war nach dem Abschluss Hauslehrer, Hilfslehrer in Lörrach und dann Lehrer am Gymnasium in Karlsruhe, später dessen Direktor. Als Kirchenrat wurde er in die oberste Kirchenbehörde berufen. Schließlich wurde er 1819 Prälat mit der Aufgabe des Landesbischofs heute und zugleich Mitglied der ersten Kammer des badischen Landtags. Längst war er auch als bedeutender Erzähler und Dichter bekannt geworden. Er hat es wirklich weit gebracht!

In einer seltsamen Predigt berichtet Hebel von seinem Leben und diesem Werdegang. Seltsam ist sie, weil er die Predigt nie gehalten hat. Es ist eine Antrittspredigt, in der er sich einer Landgemeinde vorstellen will. In einer solchen Gemeinde in seiner südbadischen Heimat Pfarrer zu sein, war bis am Ende seines Lebens sein Wunsch. Er ist ihm nicht erfüllt worden. In dieser nie gehaltenen Predigt will er der Gemeinde, in der er gerne Pfarrer geworden wäre, sagen, wer er ist und welche Wege er geführt worden ist. Und gleich klingt an, was sich durch die gesamte Predigt zieht: Hebels Gewissheit, dass Gott durch das Leben führt, auch auf Umwegen, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden. So heißt es dann am Ende der Predigt: die Wege, die uns Gott führt, sind oft wunderbar, und unerforschlich seine Absichten, aber sie sind gegründet in der Tiefe des Reichtums, beides seiner Weisheit und seiner Erkenntnis.

Am Anfang seiner Predigt deutet er an, wie er zu dieser Gewissheit gekommen ist: Es spricht dankbar vom Glauben seiner Mutter und dem, was er von ihr gelernt hat: Der Segen ihrer Frömmigkeit hat mich nie verlassen. Sie hat mich beten gelehrt, sie hat mich gelehrt, an Gott zu glauben, auf Gott zu vertrauen, an seine Allgegenwart zu denken. - Man kann offenbar lernen, was dem Leben Halt gibt. Oft sind es die Mütter, die beten lehren und Vertrauen wecken. Aber auch andere Begleiter können durch ihr Beispiel dazu helfen, dass man, was einem das Leben auch bringt, das Vertrauen auf Gott nicht verliert. - Man kann es weit bringen im Leben. Hat man es aber nicht dann am weitesten gebracht, wenn man beten und darauf vertrauen kann, dass Gott auf Wegen und auf Umwegen durch das Leben führt? Ich denke: Hebel hat es so gesehen.

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SWR2 Wort zum Tag

Er war ein großer Erzähler; seine so harmlos scheinenden und oft humorvollen Erzählungen sind hintergründig und vermitteln dabei alltagstaugliche Lebensweisheit. Er war ein bedeutender Dichter; vor allem seine Gedichte im Dialekt seiner südbadischen Heimat rühren an und sind von hoher sprachlicher Qualität. Er war der erste Prälat der badischen Landeskirche, dessen Aufgabe heute der des Landesbischofs entspricht; er hatte mitgeholfen, die evangelischen Christen lutherischen und reformierten Bekenntnisses in einer Kirchenunion zusammenzuführen. Sie wissen es vermutlich längst: Die Rede ist von Johann Peter Hebel, der am 10. Mai vor 250 Jahren geboren war.

Als Theologe war Hebel weltoffen und vom liberalen Geist seiner Zeit geprägt. Zugleich war er ein frommer Mensch. Gottes Zuwendung zur Welt hat er in der Schönheit der Schöpfung erkannt. Weil Gottes Wirken die gesamte Schöpfung durchdringt, führt ein geheimer Zug des Herzens zu Gott, schreibt er. Den Menschen sieht Hebel auf dem Weg zur Unsterblichkeit. Auf ihm wird er durch Gottes Vorsehung geleitet und ist zum Guten verpflichtet. Jesus ist ihm dabei sein Helfer; er lehrt ihn Gottes väterliche Güte. Warum Jesus am Kreuz sterben musste, blieb für Hebel ein Geheimnis, das Gott einmal am Ende der Zeit aufklären wird. Er war sich aber sicher: Es hat mit Gottes Liebe zu tun.

Hebels Art der Frömmigkeit wird anschaulich auch in seinen Gedanken zum Gebet. Er erklärt: Beten heißt eine unsichtbare Person als gegenwärtig denken, und im Vertrauen, dass sie's höre und teilnehmend darauf achte, mit ihr reden. Wie mit einem Freund, dem Vater oder einem Wohltäter könne man mit Gott reden. Alles könne man ihm sagen.- In den von ihm überlieferten Gebeten ist es immer wieder die Schöpfung, die auf Gottes väterliche Liebe hinweist. Sie vermag die Menschen in ihren Mühen und Leiden zu trösten. So heißt es in einem Morgengebet: Wenn wir die Blumen auf dem Felde ansehen, die du so schön gekleidet hast, oder die frohen Geschöpfe unter dem Himmel, die du auch ernährest, so wollen wir uns trösten, dass wir ja deine Kinder sind, und dass deine Vaterliebe keines unter uns vergessen kann. - Man spürt in Hebels Gebeten großes Vertrauen. Zugleich sucht er in ihnen die Kraft zu einem guten Leben. Er bittet für Menschen, auf denen Sorgen lastet. Und er denkt beim Beten immer wieder an den Tod und die Ewigkeit, auf die der Mensch zugeht. Man kann von Hebels Gebeten lernen und erkennen: Durch Beten kann man Vertrauen einüben, Vertrauen auf Gottes Güte, die auch im Leid tröstet. Im Gebet kann man Kraft für das Leben im Alltag suchen. Es richtet den Blick auch auf die Not Anderer. Es ist Hilfe zum Leben und auch noch zum Sterben.

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