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SWR4 Abendgedanken

„Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du morgen sterben musst?“, habe ich Konfirmanden gefragt. „Ich würde mein ganzes Geld ausgeben, Spaß haben, mein Leben bis zum letzten Atemzug auskosten“, hat einer geantwortet. „Ich würde es anders machen“, hat eine andere gesagt, „Ich würde meine besten Freunde zu mir nach Hause einladen. Wir würden was Schönes essen und dann würde ich mich in aller Ruhe von jedem verabschieden. Wenn einer mir wegen irgendeiner Sache noch böse ist, würde ich ihn um Verzeihung bitten. Denn dann könnte ich friedlicher sterben.“

Heute ist Gründonnerstag. Christen erinnern sich an den letzten Abend im Leben von Jesus. Jesus hat gewusst, dass er in Gefahr ist. Schon am nächsten Tag würde man ihn hinrichten. Trotzdem hat er an seinem letzten Abend ein Fest gefeiert! Das jüdische Passahfest. Da feiert man die Befreiung der Israeliten von der Sklavenarbeit in Ägypten. Gott hatte damals die Israeliten mit Hilfe von Mose aus Ägypten herausgeführt und so vor dem sicheren Tod bewahrt. Ist es nicht erstaunlich: Am Abend vor seinem Tod feiert Jesus das Fest, das die Rettung vor dem Tod feiert! Ich glaube, Jesus wusste: Bald werde ich sterben, aber ich gehöre nicht dem Tod, sondern Gott. Er wird für mich da sein – wie damals für die Israeliten in Ägypten.   

Und auch das finde ich erstaunlich: Jesus hat den letzten Abend mit Menschen verbracht, die nicht immer freundlich zu ihm waren. Judas zum Beispiel. Der hat Jesus später für Geld an seine Feinde verraten. Und auch Petrus war dabei. Der hat Jesus im Stich gelassen als er seine Hilfe dringend gebraucht hätte. Mit solchen Leuten hat Jesus seinen letzten Abend verbracht. Warum? Ich glaube, weil Jesus die Menschen geliebt hat, auch mit ihren Schwächen und Fehlern.

Ich hoffe, dass bei meinem letzten Abend Familie und Freunde bei mir sein werden. Ich möchte auf mein Leben zurückblicken und dann voller Hoffnung nach vorne schauen und dabei auf Gott vertrauen. Ich will Gott bitten, dass er mich dazu stark macht. So wie er es bei Jesus getan hat am Gründonnerstagabend, dem letzten Abend in seinem Leben.

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SWR4 Abendgedanken

„Deutschland schläft schlecht", habe ich neulich in der Zeitung gelesen. Eine Befragung hatte ergeben: Vier von fünf Deutsche haben Störungen beim Einschlafen oder Durchschlafen. Die Gründe: Nachtschichten bei den einen, starker Termin- und Leistungsdruck bei den anderen. Auch Sorgen um die Familie oder das Geld können einem den Schlaf rauben.
Schlafstörungen kannten auch die Menschen in biblischen Zeiten. In Psalm 77 heißt es: „Ich rufe zu Gott und schreie um Hilfe, dass er mich hört...mein Herz ist in Ängsten. Du lässt mich nicht mehr schlafen; ich bin so voll Unruhe…Mein Herz grübelt bei Nacht…“

Was hilft gegen Schlafstörungen? Der Psalmenbeter bietet allen, die nachts keinen Schlaf finden, ein Schlafmittel an. Es wirkt schonend und sanft, man kann es aber nicht in der Apotheke kaufen. Er rät, sich an Situationen im Leben zu erinnern, wo Gott einem geholfen hat. Zum Beispiel durch Menschen, die in dem Moment für einen da waren als man sie gebraucht hat. Sich daran zu erinnern tut gut und macht das Herz wieder ruhig, sagt der Beter: „Ich will denken an deine früheren Wunder, Gott,...und will nachsinnen über deine Taten.“ Die Kraft des Erinnerns aufzubieten gegen allerlei Schreckensbilder - das kann manchmal die Rettung sein in einer schlaflosen Nacht.

Es gibt auch Geschichten in der Bibel, die mir helfen, ruhiger zu schlafen. Zum Beispiel die von Jesus im Sturm. Jesus war mit seinen Jünger im Boot unterwegs auf einem See gewesen. Plötzlich ist ein heftiger Sturm aufgekommen. Das Boot begann zu schwanken, Wasser schlug hinein, es drohte zu kentern. Die Jünger kämpften mit aller Kraft gegen den Wind und die Wellen an. Schließlich drehten sie sich Hilfe suchend nach Jesus um. Der aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Als er aufwachte, befahl er dem Sturm aufzuhören. Da beruhigte sich der Sturm.

Ich finde, nachts brauchen wir auch die Kraft der Bilder. Bilder wie dieses von Jesus, der den Sturm stillen kann. Wer dieses Bild anschaut, kann dabei spüren: Jesus kann auch mir helfen. Ich bin nicht allein. Auch nicht in der Nacht.

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SWR4 Abendgedanken

„Alles hat seine Zeit“, heißt es in der Bibel. „Geboren werden und Sterben. Abbrechen und Bauen. Finden und Verlieren. Weinen hat seine Zeit und Lachen hat seine Zeit.“ (Prediger Salomos, Kap. 3).
Die Menschen in der Bibel haben gewusst: Nichts ist so beständig wie der Wechsel. Zum Beispiel folgen auf traurige Tage wieder fröhliche. Das gilt auch für den, der einen lieben Menschen verloren hat, sagt die Bibel: Die Trauer darf ein Ende haben. „Weinen hat seine Zeit.“ Und die ist nicht endlos.

Davon erzählt ein altes Märchen. Der Titel: „Das Tränenkrüglein“. Ich will es Ihnen erzählen: Eine Mutter verlor das Liebste, was sie hatte: ihre kleine Tochter. Das Mädchen war an einer Seuche erkrankt und nach kurzer Zeit gestorben. Da erfasste die Mutter ein gewaltiger Schmerz. Sie aß nicht und trank nicht und weinte tage- und nächtelang ohne aufzuhören. Sie rief nach ihrem Kind. In einem nächtlichen Traum erschien das Kind und bat sie inständig, ihre Trauer zu beenden. Sie reichte der Mutter einen kleinen Krug, der voll war mit Tränen, die die Mutter um ihr Kind geweint hatte. „Wenn du noch eine Träne um mich weinst“, sagte das Kind,“ so wird das Krüglein überfließen, und ich werde dann keine Ruhe haben. Darum weine nicht mehr um mich, denn ich bin wohl aufgehoben und Engel sind meine Gespielen.“ Das gefüllte Tränenkrüglein zeigte an, dass die Zeit der Trauer ein Ende hat.

Mich erinnert dieses Märchen an einen Bibelvers: „Sammle meine Tränen in deinen Krug, Gott. Ohne Zweifel, du zählst sie.“ (Psalm 56,9). Ich verstehe das so: Gott weiß, wie es einem trauernden Menschen geht. Er sieht jede Träne. Im Bibelvers heißt es weiter: „Ich darf in deiner Nähe weiterleben, Gott, weil du mich das Licht sehen lässt.“ Das haben schon viele Trauernde erfahren: Gott hat ihnen geholfen, wieder Freude am Leben zu finden. Weil er möchte, dass traurige Menschen irgendwann wieder fröhlich sind, Freunde treffen und das tun, was ihnen Freude macht. Die Tage der Traurigkeit sollen nicht das letzte Wort haben. Etwas Neues darf beginnen. Und Gott ist dabei.

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SWR4 Abendgedanken

„Nun hört doch mal auf mit euren Leidensgeschichten! Habt ihr denn kein anderes Thema?“ Irgendwann wird es einem zu viel, wenn alle von ihren Krankheiten berichten.
Niemand hört gern von den Leiden anderer. Aber Christen erinnern sich in dieser Woche an das Leiden von Jesus, an seine letzten Lebenstage in Jerusalem: An das letzte Fest mit seinen Jüngern, an seine Gefangennahme im Garten Gethsemane, an das Verhör vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus und an seine Kreuzigung. Leiden heißt auf Lateinisch Passion. Heute beginnt für Christen die Passionswoche.

Ich denke in diesen Tagen aber nicht nur an das Leiden Jesu. Ich denke auch an die, die heutzutage leiden müssen. An die Eltern in unserer Nachbarschaft, die ihren 19jährigen Sohn durch einen Verkehrsunfall verloren haben. Oder an den Mann ein paar Häuser weiter. Er hat seine Frau zuhause liebevoll gepflegt bis sie nach langer Krankheit gestorben ist. Jetzt ist er allein.
Gottvertrauen zu haben ist nicht immer leicht. Besonders, wenn man leiden muss.

Mir hilft da die Erinnerung an die Leidensgeschichte Jesu. Ich glaube, Jesus hat auch im Leiden erlebt, dass Gott bei ihm ist. Obwohl er manchmal über Gott verzweifelt war und gerufen hat: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“ hat er trotzdem Gottvertrauen gehabt. Er hat gewusst: Gott lässt mich nicht im Stich. „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“, hat Jesus in seiner Sterbestunde gebetet.

Als Christ glaube ich deshalb, dass Gott den Menschen besonders nah ist, die leiden. Er trägt an dem Leid mit, das Menschen tragen. Seine Nähe kann wie eine Hand sein, die einen hält, damit man nicht ins Bodenlose fällt. Am Ende der Passionswoche steht das Osterfest. Das Fest der Auferstehung. Das bedeutet: Das letzte Wort hat nicht das Leiden, sondern Gott, der neues Leben schenkt. Dieses Gottvertrauen wünsche ich Ihnen, besonders denen, die es gerade schwer haben in ihrem Leben.

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SWR4 Abendgedanken

„Den Seinen gibt`s der Herr im Schlaf. “ Dieser Satz steht in der Bibel. König Salomo hat ihn gesagt, nachzulesen im 127. Psalm. Salomo hat damit gemeint: Alle Mühe und alles Arbeiten sind vergebens, wenn nicht Gottes Segen dabei ist. Mit den Worten Salomos gesagt: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut. … Denn den Seinen gibt es der Herr im Schlaf.“ 

Das meint eben nicht, die Hände in den Schoß zu legen und es dem lieben Gott zu überlassen, für alles zu sorgen. Sondern, dass einem etwas geschenkt wird, das man aus eigener Anstrengung nicht erreichen kann. Zum Beispiel: dass man in dem Haus, das man gebaut hat, auch gut leben kann. Das kann man nicht einfach machen. Dazu braucht es Gottes Segen, hat König Salomo gesagt.

Und das hat er auch selber so erfahren. In seiner Regierungszeit ging es den Menschen in Israel ausgesprochen gut. Es gab Arbeit und Essen genug, und vor allem keinen Krieg. Frieden herrschte im ganzen Land. Das war für die Menschen eine neue und beglückende Erfahrung. König Salomo hat gewusst, wem sie das alles zu verdanken haben. Gewiss haben die Menschen sich angestrengt, geschafft und gebaut. Aber dass es dabei nicht Gewinner und Verlierer gegeben hat und die Menschen sich spinnefeind wurden: Das hat Gott geschenkt. Oder mit Salomos Worten ausgedrückt: „Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf.“  Erst mit seinem Segen kann man gut leben. Und dafür war Salomo Gott sehr dankbar.  

Für mich ist das ein tröstlicher Satz. Ich verstehe ihn so: Es kommt in meinem Leben nicht immer nur auf mich und mein Können an. Sondern darauf, dass ich vertrauen kann: Gott hilft mir, dass gedeiht, was ich anfange. Auch wenn ich nicht mehr weiterweiß.

Auf Gott zu vertrauen, tut mir gut. Und lässt mich zuversichtlich sein, trotz meiner Sorgen. Solches Gottvertrauen wie es König Salomo hatte, wünsche ich auch Ihnen, und allen, die es gerade schwer haben im Leben.

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SWR4 Abendgedanken

Was findet sich nicht alles in einer Wohnung! Das Familienfoto auf dem Küchenfenster zum Beispiel. Es erinnert einen daran, dass es Menschen gibt, die einen liebhaben. Oder der Engel aus Holz, der auf dem Nachttisch steht und die Arme ausbreitet. Er zeigt einem: Du bist von Gott behütet. Oder der Stein, den ich im Urlaub an einer fernen Küste aufgehoben habe. Er erinnert mich an unbeschwerte, fröhliche Zeiten. Und das tut gut.

„My home is my castle“, sagt ein englisches Sprichwort. Das meint: Mein Zuhause ist wie eine Burg, in die ich mich zurückziehen kann, die mich beschützt.

Manchmal braucht man so eine Burg. Wenn der Tag rauh und anstrengend gewesen ist, dann tut es gut, sich Zuhause zurückziehen zu können. Ich kann die Türen schließen, die Beine hochlegen und darf ganz einfach bei mir sein, umgeben von Gegenständen, die mir vertraut sind.  Davon geht so etwas wie Trost aus. Vielleicht kennen Sie das auch.

Machen Sie einmal eine kleine Rundreise durch Ihr Zuhause! Da werden Sie auf manches Fundstück stoßen, das Sie schon fast vergessen hatten. Aber das Sie nie wegwerfen würden, weil es ein Teil Ihrer ganz persönlichen Geschichte und damit auch Ihrer vertrautesten Umgebung geworden ist.

Und wenn es in Ihrem Leben wieder einmal Momente gibt, in denen Ihnen alles über den Kopf wächst, dann nehmen Sie so einen Gegenstand in die Hand. Er erzählt dann von glücklichen und gelungenen Augenblicken in Ihrem Leben.

Manchmal hilft das sogar, wenn man gar nicht zuhause sein kann. Wie bei der älteren Frau, die schon längere Zeit im Krankenhaus gelegen war. Sie hat sich sehr nach ihrem vertrauten Zuhause gesehnt. „Wenn ich traurig bin, nehme ich mir vor, an etwas Schönes zu denken“, hat die Frau gesagt. „Dann denke ich an meine Wohnung, an mein Wohnzimmer und an mein Bett. Und das tröstet mich.“

Ich meine: Nicht nur Worte können Menschen trösten. Es gibt auch den Trost der Dinge, die uns umgeben. Die ältere Frau, die ich im Krankenhaus besucht habe, hat das erlebt. Sie ist in Gedanken durch ihre Wohnung gegangen und hat dabei diesen Trost der Dinge gespürt. Und der tat ihr gut. 

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SWR4 Abendgedanken

Ein neues Kreuz steht am Straßenrand. Ich habe es neulich entdeckt. Direkt nach einer langgezogenen Kurve ziemlich nahe an der Fahrbahn. „Martina“ – steht auf dem schlichten Holzkreuz. Darunter der Todestag. Kaum eine Woche ist der Unfall her. Was war geschehen? Wer war schuldig oder unschuldig? Ich weiß es nicht. Die Antworten darauf ändern nichts an der Tatsache, dass hier ein junger Mensch gestorben ist. Und es gibt ein paar Menschen, die Martina geliebt haben. Die haben das kleine Kreuz aufgerichtet und bunte Stein drum herum gelegt.

Solche Kreuze am Straßenrand gibt es ja immer wieder. Die meisten Autofahrer fahren achtlos vorbei, registrieren nur mit den Augenwinkeln, was da steht. Schade eigentlich. Denn wir sollten diese Kreuze mehr beachten, meine ich. Aber sicher nicht so, dass wir die Kreuze als eine Drohung verstehen: Wenn du so schnell fährst wie der, an den das Kreuz erinnert, dann wird es dir auch irgendwann so ergehen wie ihm. Nein, so nicht. Eher als Erinnerung daran, wie man plötzlich mitten im Leben dem Tod begegnen kann.

Eigentlich stellen sich die meisten das Sterben ja anders vor, glaube ich. Sie denken: gestorben wird in Altenheimen, in Krankenhäusern oder, wenn man Glück hat, daheim in den eigenen vier Wänden. Aber sterben auf der Straße? In einem Nebelloch nach einem Auffahrunfall? Manche wollen daran nicht erinnert werden. Sie finden die Kreuze störend. Aber ich finde, es ist manchmal notwendig, sich stören zu lassen. 

„Martina“ steht auf dem kleinen Holzkreuz. Es erinnert an die junge Frau, die hier gestorben ist. Mich erinnert das Kreuz aber auch an den Menschen Jesus. Auch er hat sterben müssen – an einem Kreuz. Und wir Christen glauben: Gott hat ihn auferweckt. „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, hat er gesagt. Deshalb ist das Kreuz meine Hoffnung. Und ich vertraue darauf, dass Martina jetzt bei Gott gut aufgehoben ist – und ebenso alle, die um sie trauern.  

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SWR4 Abendgedanken

„Seit Jahren laufe ich mit einer Maske herum. Hinter der verstecke ich meine Gefühle“, hat mir ein junger Mann erzählt. „Ich lächle, aber mein Lächeln ist nicht echt. Ich wirke sicher und stark, aber das ist nur Theater. Ich wünsche mir einen Menschen, der das durchschaut, mich in den Arm nimmt, und sagt: Ich mag dich auch wenn du schwach bist. Oder traurig. Oder auch mal schlecht gelaunt.“

Ich kenne den jungen Mann. Hinter seiner Maske steckt ein verletzlicher Mensch. Und der sehnt sich nach jemanden, der ihn annimmt so wie er ist.

Ich behaupte: Jeder Mensch hat im Alltag eine Maske auf. Und manchmal tragen wir im Laufe des Tages sogar mehrere Masken. In der Familie, im Beruf, in der Freizeit: der Harte, die Lässige, der Wichtige, die Fleißige. Auch Kleidung und Haartracht können Maske sein. Immer perfekt sein zu wollen, kann auch eine Maske sein. Ganz ohne Masken zu leben, geht nicht, meine ich. Denn Masken können auch schützen, zum Beispiel, wenn einer unsicher ist. Dann spielt er den Selbstbewussten, weil andere seine Unsicherheit sonst belächeln. Aber auf Dauer hält man das nicht durch.

Mir fällt dazu ein Satz aus der Bibel ein. „Gott, du durchschaust mich und kennst mich. Du verstehst meine Gedanken von ferne.“ (Psalm 139) Ich verstehe das so: Gott schaut durch meine Masken hindurch. Er durchschaut mich. Aber nicht in dem Sinn: Ich durchschaue dich und dein falsches Spiel! Sondern anders: Ich kenne dich. Ich sehe, wie es dir geht. Ich weiß, was du gern verstecken willst. Aber bei mir ist das nicht nötig. Ich stehe trotzdem zu dir. Trotz deiner Schwächen und Fehler. Auch wenn du wütend bist oder enttäuscht. Darauf kannst du dich verlassen.

Gott mag mich so, wie ich bin. Ohne Maske. Könnte mir das nicht helfen, mich auch selber anzunehmen mit meinen Schwächen und Fehlern? Und dann vielleicht auch die anderen? Die Menschen hinter ihren Masken? Weil Gott auch diese Menschen mag so wie sie sind?

Dem jungen Mann, der sich nach einem Menschen sehnt, der ihn annimmt so wie er ist, dem wünsche ich, dass er so jemanden findet. Jemanden, der ihn so sieht wie Gott ihn sieht.

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SWR4 Abendgedanken

„Und wenn die Menschen auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.“ (Psalm 92,15). Dieser Satz steht in der Bibel. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie das denn gehen soll: Altwerden und frisch bleiben?  

Ältere Menschen sagen mir: Alt werden ist nicht schön. Man ist oft einsam und nicht mehr so gesund. Und auch vergesslich.

Victor Frankl fällt mir hier ein. Als Psychiater hat er sich gut mit Menschen ausgekannt. Von ihm habe ich einen Satz gelesen, der mich beeindruckt hat: „Für gewöhnlich sieht der Mensch nur das Stoppelfeld der Vergänglichkeit. Was er übersieht, sind die vollen Scheunen der Vergangenheit.“

Damit hat er gemeint: Immer nur über das Altwerden zu klagen, tut nicht gut. Besser ist es, sich zu fragen: Was habe ich Schönes in meinem Leben erlebt? Worauf kann ich vielleicht sogar stolz sein? Das kann die Erinnerung an eine schöne Reise sein. Oder an die Zeit als die Kinder klein waren und das Leben anstrengend, aber schön war. Oder an den Beruf, in dem man etwas geleistet hat, worauf man stolz sein kann.

„Volle Scheunen der Vergangenheit“ nennt Frankl das und rät, immer wieder einmal in diese Scheunen hineinzuschauen und sich an dem zu freuen, was sich da angesammelt hat. Das macht zufrieden und dankbar. Und dann, sagt Frankl, soll man sich fragen: Wie kann ich für andere eine Hilfe sein? Zum Beispiel haben ältere Menschen mehr Zeit als jüngere. Sie könnten anderen geduldig zuhören, wenn die erzählen. Oder jemanden anrufen, der sich darüber freuen würde. Oder sie könnten ihren Enkeln erzählen, wie sie in ihrem Leben mit Schicksalsschlägen umgegangen sind. Und vielleicht auch, wie der Glaube einem helfen kann, mit dem Altwerden besser klar zu kommen. Ich bin sicher: Von den Älteren können die Jungen eine ganze Menge für ihr Leben lernen. Nur sollten die dabei nicht den Eindruck bekommen, die Älteren wüssten alles viel besser.   

Probieren Sie es aus! Öffnen Sie die Scheunen der Vergangenheit! Freuen Sie sich an dem, was Sie Schönes erlebt haben, und dann helfen Sie dort, wo Sie gebraucht werden. Das hält jung, sagt die Bibel – und frisch.

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SWR4 Abendgedanken

„Weihnachten ist für mich kaum auszuhalten“, hat eine junge Frau gesagt. „Überall in der Werbung sehe ich glückliche Familien. Lachende Kindergesichter und fröhliche Eltern. Bei mir ist das anders. Ich bin mit meinen beiden Kindern allein. Mein Mann hat mich wegen einer anderen verlassen. Weihnachten ist für mich die schwerste Zeit im Jahr. Da kommt der ganze Schmerz wieder hoch.“

Nicht nur dieser jungen Frau geht es mit Weihnachten so. Ich weiß von Menschen, die einen nahen Angehörigen verloren haben, dass sie Angst haben vor den Weihnachtstagen. Vor der Einsamkeit. Und vor den Erinnerungen an glückliche Weihnachtsfeste mit der Familie.

Nun gibt es an Heiligabend eine ganze Reihe von Angeboten für Menschen, die allein sind. Von einer Kirchengemeinde habe ich gehört, die in ihrem Gemeindehaus ein festliches Weihnachtsessen anbietet mit buntem Programm für alle, die Weihnachten nicht allein sein wollen. Ich finde das gut. Ich kann aber auch verstehen, wenn Menschen solche Angebote nicht annehmen wollen. Ihnen ist der Gedanke fremd, mit lauter traurigen Menschen Weihnachten zu feiern. Dabei sind diese gemeinsamen Weihnachtsfeiern oft ganz überraschend fröhlich!    

Wenn ich daran denke, wie vor 2000 Jahren Jesus geboren wurde: Fröhlich ging es im Stall von Bethlehem nicht zu. Dazu war es zu kalt. Und zu ungemütlich. Und einsam. Denn Maria und Josef kannten ja niemanden in Bethlehem. Keiner hatte sie aufnehmen wollen. Richtig warm ums Herz wurde es ihnen erst als sie begriffen: Mit diesem Kind kommt Gott selber in unsere Einsamkeit. Und will für immer bei uns sein.

Mich tröstet das. Nicht die Familie und nicht der Weihnachtsbaum machen Weihnachten zu einem besonderen Fest, sondern dieses Kind, das geboren wurde. Damals wie heute zeigt es: Du bist nicht allein. Es gibt einen, der dich kennt. Und immer bei dir ist.

Ob diese Botschaft eine Hilfe sein kann für die junge Frau mit den beiden Kindern? Und auch für die, die ohne den geliebten Menschen Weihnachten feiern müssen? Ich wünsche es ihnen und allen, die sich mit Weihnachten schwer tun. 

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