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SWR4 Sonntagsgedanken

Es war ein phantastischer Anblick.
Noch heute habe ich es deutlich vor Augen.
Die Wolkendecke riss auf und da lag er, der Ararat.
Über 5000 m hoch.
Schneebedeckt auch im Sommer.
Kein Wunder, haben sich die Menschen schon in biblischen Zeiten erzählt, dass auf diesem phantastischen Berg, der heute zur Türkei gehört, die Arche Noah gelandet sein soll.
Ob es wirklich so war? Na ja. Man hat ja nie irgendetwas von der Arche gefunden rund um den Ararat. Trotzdem rührt mich diese Geschichte sehr an. Denn sie erzählt etwas, was ich so richtig ermutigend finde: Nach 150 Tagen Sintflut kriegen Gottes Geschöpfe wieder Boden unter die Füße. Damit ist doch eine uralte Menschheitserfahrung aufgehoben, die heute noch wichtig ist, glaube ich.
In der Bibel lese ich also: 150 Tage lang Regen, Regen, Regen. Die Welt geht unter im wahrsten Sinne des Wortes. Nur Noah sitzt mit seiner Familie in dem Schiff, das er auf Gottes Auftrag hin gebaut hatte. Und dazu die Tiere, jeweils ein Paar von jeder Tierart.
Und dann plötzlich - das Schaukeln und Schlingern hört auf!
Plötzlich - das Schiff kommt zu Stehen!
Plötzlich wird es ganz still.
Land in Sicht!
Wir sind gerettet.
Wir sind durch!
Wie sich das wohl angefühlt hat, für Noah und seine Familie?
Ich glaube, ein wenig können das bestimmt die ermessen, die selber schon mal so eine Sintflut miterlebt haben - eine persönliche Sintflut.
Die geliebte Frau muss ganz plötzlich sterben, der Mann hat eine andere, man bekommt mit salbungsvollen Worten gesagt, dass man ja nun eigentlich zu alt ist für den Job.
Ja, wer so etwas erleben muss, für den ist das wirklich so, als geht die Welt unter, glaube ich. Und dann?
„Da gedachte Gott an Noah.“ So haben Menschen sich die Rettung erklärt. So steht es in der Bibel.
Das kleine Schiffchen auf tosender See – Gott hat es nicht vergessen. Gott hat Noah nicht vergessen, seine Familie nicht, die Tiere nicht.
Und mich – mich vergisst er bestimmt auch nicht. Das war die Überzeugung der Menschen, die das aufgeschrieben haben. Darauf hoffe auch ich.
Gott hat ein Auge auf mich hat, wenn ich das Gefühl habe, dass es mir den Boden unter den Füßen wegzieht.
Wenn ich’s mir recht überlege, dann bin ich ja eigentlich auch schon öfter davon gekommen. So wie Noah.
Plötzlich tuts gar nicht mehr so weh, der Stich ins Herz, der Kratzer auf der Seele.
Auf einmal nicht mehr diese ohnmächtige Wut, dieses Hadern und Nachtrauern.
Irgendwann konnte ich meinen Frieden machen, zur Ruhe kommen, annehmen, was nun einmal so ist.
Davon kommen. Land in Sicht! Ja, darauf hoffe ich.
Die Arche landet auf dem Ararat
Wer weiß, welchen Ort sich Gott einfallen lassen wird, damit mein Lebensschiffchen endlich wieder zur Ruhe findet.
Ich stelle es mir vor wie damals, als ich den Ararat mit eigenen Augen gesehen haben: Die Wolken reißen auf, und da liegt er, der Berg, der Fels, der Landeplatz.
Ein phantastischer Ausblick. Jetzt kann das Leben wieder anfangen.

Es ist Februar.
Endlich.
Endlich werden die Tage wieder deutlich länger und die Sonne hat schon wieder ganz viel Kraft.
Wenns es jetzt trotzdem noch nicht Frühling wird - egal, der Winter geht zu Ende. Das Schlimmste ist geschafft. Für mich ein gutes Gefühl.
Ja, es ist immer ein gutes Gefühl, wenn ich den Eindruck habe, es geht voran und es kann eigentlich nur noch besser werden. Also: Durchhalten. Ausharren. Den Rest werde ich wohl auch noch schaffen. So wie Noah.
Auch Noah war einer, der durchgehalten und ausgeharrt hat.
Denn als er nach 150 Tagen Sintflut in seiner Arche mit der Familie und den Tieren drin auf dem Berg Ararat gelandet ist, da waren sie zwar gerettet.Aber so richtig gut war es ja noch immer nicht.Im Gegenteil.
Chaotisch wars. Soviel Not und Elend rundum. Land unter eben.Und nun?
Resignieren? Sich grämen? Sich in die Arche zurückziehen, in die eigenen vier Wände gleichsam? So machen es ja viele und sagen: Ach, wie schlimm, aber man kann halt nichts machen. Auch ich denke manchmal so.
Aber in der Geschichte von Noah zeigt mir, dass es auch eine andere Möglichkeit gibt, eine, die nach vorn weist und beflügelt.
Noah hält durch in diesem ganzen Chaos. Und er lässt sich Zeit.
Er reißt nicht einfach die Fenster auf, sondern wartet. 40 Tage lang. Anscheinend weiß er: Manches geht nicht von jetzt auf gleich. Das nenn ich Gottvertrauen. Diese Ausdauer, diese Geduld.
Wenn ich daran denke, wie sonst immer alles schnell, schnell gehen muss. Sofort eine Lösung. Sofort eine klare Diagnose.
Aber manchmal ist Zuwarten und Abwarten der bessere Weg.
Noah wartet ab und schickt einen Raben aus. Und dann eine Taube, aber die kommt bald wieder zurück.
Und dann schickt er wieder eine Taube aus, und die kommt mit einem grünen Zweig im Schnabel zurück.
Und dann schickt er noch mal eine Taube aus, und die komm dann nicht mehr zurück, weil sie trockenes Land gefunden hat.Das nenn ich Gottvertrauen.
Sich nicht entmutigen lassen, wenn es beim ersten Mal nicht klappt.
Und die ermutigen, die etwas länger brauchen, in ihrer Trauer z. B. oder in ihrer Enttäuschung. Ich glaube, da brauchts eben ganz oft viele kleine Schritte und immer neue Anläufe, bis man endlich wieder rauskommt aus dem Tief. Und da gibt’s, glaub ich, auch immer mal wieder Rückschläge.
Noah harrt aus und wartet.
Und immer, wenn sieben Tage um sind, macht er einen neuen Versuch. Alle sieben Tage geht es wieder ein Stückchen voran.
Immer wieder sonntags also: Luke auf und Ausschau halten: Nach der Taube. Nach dem grünen Zweig. Ob Land in Sicht ist. Ausschauen nach dem, was Gott an Leben für uns bereithält.
Ja, das Schlimmste ist geschafft, Land in Sicht! Heute ist wieder Sonntag!
Ich wünsche Ihnen einen freundlichen, einen guten Tag – kommen Sie gut durch die neue Woche.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Heute am Totensonntag gehen besonders in evangelischen Gegenden viele Menschen auf den Friedhof und erinnern sich dabei an ihre Verstorbenen. Ein schöner Brauch, findet Jutta Wellhöner, und erzählt in den Sonntagsgedanken, warum der Friedhof auch ein Ort der Hoffnung für sie ist.

Gottesacker, so hat man früher den Friedhof auch genannt.
Ein schöner Ausdruck, finde ich.
Gottesacker, das klingt nach harter Arbeit, Erdverbundenheit und der Vorfreude auf eine reichliche Ernte.
Irgendwie geht’s darum ja auch beim Sterben und Abschiednehmen, finde ich.
Wenn jemand stirbt, dann ist das ja auch meistens richtig viel Arbeit, Trauerarbeit.
Was muss da nicht alles organisiert und aufgelöst und aufgeräumt werden, nicht nur im Kleiderschrank und im Keller, sondern auch in unseren Erinnerungen. Und die Trauer und den Verlust muss man tragen. Das ist vielleicht das härteste Stück Arbeit.
Wenn jemand stirbt, dann ist das für mich aber auch ganz stark mit der Hoffnung verbunden, dass es damit nicht einfach aus und vorbei ist, sondern dass es weiter geht, dass es neu wird.
„Es wird gesät.“
Auf Gottes Acker wird gesät.
„Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich.
Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit.
Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft.“
So lese ich es in der Bibel, so hat es sich der Apostel Paulus vorgestellt, was nach dem Tod kommt.
Und so habe ich es schon ganz oft bei Beerdigungen am offenen Grab gesagt.
Für mich ist das immer ein ganz bewegender Augenblick.
Das zwei Meter tiefe Loch – es wird gesät.
Die Friedhofsarbeiter lassen den Sarg hinab – es wird gesät.
Das polternde Geräusch, wenn ich die Schaufel nehme und die Erde auf den Sarg werfe – es wird gesät.
Die Angehörigen treten vor, nehmen ebenfalls eine Hand voll Erde, oder werfen ein Blumensträußchen ins Grab. Ein letzter Blick. Ein letzter Gruß – es wird gesät.
Ja, es ist für mich bewegend – einen Menschen zu beerdigen. Ihn herzugeben. Aber wenn ich nichts hergebe, kann auch nichts wachsen. Neu werden, anders. Besser – vielleicht.
Das erwarte ich nämlich. Erwarte ich von Gott. Wenn ich schon jemanden hergeben musste, kein Arzt die Krankheit aufhalten konnte, die Kraft nicht mehr reichte, die Zeit abgelaufen war, wenn es nun einmal so ist, wie es ist, dann soll jetzt Gott das in die Hand nehmen. Ja, ich hoffe darauf: Spätestens jetzt ist Gott dran. Spätestes dann, wenn wir sterben, liegt unser Leben ganz in Gottes Hand. Und Gott, der wird etwas schaffen, was wirklich gut ist.
Auf Gottes Acker wird gesät. Und wenn ich die schön geschmückten Gräber sehe, die gepflegten Anlagen, die alten Bäume, dann wird das zu einem Bild für das, was Gott wachsen lassen wird. Der Liederdichter Paul Gerhardt hat das so ausgedrückt: „Welch hohe Lust, welch heller Schein, wird wohl in Christi Garten sein...“ Wer weiß...?  Unsere Toten wissen da sicher schon ein bisschen mehr, glaube ich.

Auf Gottes Acker war in den letzten Tagen richtig viel los.
Nicht nur auf unserem kleinen Dorffriedhof, nein, landauf-, landab wurde gehackt und gejätet und gepflanzt: Stiefmütterchen, Erika, Tannenzweige. Die Gräber sollen doch ordentlich aussehen und für den Winter fertig gemacht werden. Ein gepflegtes, schönes Grab ehrt überdies auch noch mal den Menschen, der dort beerdigt ist.
Mehr können wir nicht tun.
Aber Gott, der kann etwas tun. Für unsere Verstorbenen und für uns.
Und grad jetzt, wenn ich die schön geschmückten Gräber sehe, werde ich daran erinnert.
Auf Gottes Acker wird gesät.
Für mich ist das eine ganz tröstliche Vorstellung.
Wenn ich an die Menschen denke, die ich dieses Jahr bestattet habe.
Viele alte Menschen waren dabei, denen das Leben am Ende wirklich zur Last geworden ist.
Manche waren total verwirrt, manche mussten sich mit einer Krankheit herumplagen.
Gut, dass das nicht ewig so weitergehen muss.
Im Gegenteil: „Es wird gesät.“
Für mich heißt das: wir müssen das alte Leben nicht in das neue Leben mit hinüberschleppen.
Wir müssen uns nicht länger mit einem Körper plagen, der schmerzt und zerfällt.
Wir müssen uns auch nicht in alle Ewigkeit grämen über das, was wir in diesem Leben verpasst haben oder hätten besser machen müssen.
Wir werden die Schuld los und den Packen, den wir mit schlechtem Gewissen mit durchs Leben geschleppt haben.
Und die, die viel zu früh und viel zu jung haben gehen müssen, die werden einen fairen Ausgleich bekommen für dieses ungelebte Leben.
Ja, so stelle ich mir das vor, wenn Gott am Werk ist und unser Leben in die Hand nimmt.
Er wird es neu und gut machen.
Es wird gesät – unsere Toten sind in guten Händen!
Und wir selber, glaube ich, wir sind auch in guten Händen!
Wir können nichts mehr tun für die, die gehen mussten.
Aber vielleicht können wir nun etwas für uns tun, oder wir können etwas für andere tun.
Die alte Mutter muss nicht mehr gepflegt werden. Dafür ist jetzt mehr Zeit für die Enkelkinder.
In all den Jahren war man auf den Partner fixiert, hat sich angepasst, hat auch mal zurückgesteckt. Nun kann man sich auch etwas Schönes für sich selbst gönnen.
Wer weiß, wie Gott auch aus einem Abschied wieder ganz viel Lebensmut und neue Herausforderungen wachsen lässt.
„Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft“, schreibt Paulus. Es wird also etwas wachsen. Reif werden. Es wird gut werden. Bei denen, die uns voraus gehen müssen – und auch für uns, die wir zurück bleiben.
Einen Grund zur Vorfreude, finde ich, gerade heute.
Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten „Totensonntag“.
Kommen Sie gut durch die neue Woche!

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SWR4 Sonntagsgedanken

Santiago de Compostela -  2000 km.
So stand es auf dem kleinen Schild an der alten Kirche in Marnay, einem Dorf in der Nähe von Besancon.
Daneben - gelb auf blauem Untergrund, das Zeichen: die Jakobsmuschel.
Na dann! Rucksack auf, Sonnenhut auf, Wanderstöcke in die Hand - und los!
Es war ein herrlicher Sommermorgen, als ich zusammen mit elf anderen Männern und Frauen zu einer fünftägigen Pilgerwanderung auf dem französischen Jakobsweg aufgebrochen bin.
Ein bisschen mulmig war mir schon.
Ob ich das wohl packe?
Ich habe an die schweren Wanderstiefel gedacht und an die Blasen, die sie machen können.
Und ich habe an die hochsommerlichen Temperaturen gedacht, die für die nächsten Tage vorausgesagt waren.
Ein Satz aus der Bibel ist mir eingefallen. Ein Psalmwort.
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe. Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat."
Ob Gott mir wohl auch hilft? Wie soll ich mir das vorstellen:  Auf meiner Wanderung? Und auch sonst, wenn ich mich auf den Weg mache?
Kaum waren wir aus dem Dorf hinaus, da hatte ich meinen Tritt gefunden.
Das Klacken der Wanderstöcke hat dann den Rhythmus angegeben.
Klack - klack - klack, so ging es voran.
Schritt für Schritt für Schritt.
Meine Anspannung hat sich bald gelegt
Ich habe geschwitzt. Mein rechter Schuh hat gedrückt.
Irgendwann habe ich nicht mehr auf die Uhr geschaut und auf die Kilometerangaben auf den Wanderzeichen.
Das frischgemähte Gras hat wunderbar gerochen.
Eine kleine Echse ist über den Weg gehuscht.
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?"
In diesem ersten heißen Tag auf meiner Jakobswanderung habe ich erahnt, was das bedeuten könnte: „Meine Hilfe kommt von Gott."
Schritt für Schritt für Schritt, so geht's voran.
Es ist mir gar nichts anderes übrig geblieben, als einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Grad so, wie es der Psalm so schön ausdrückt: „Gott wird deinen Fuß nicht gleiten lassen."
Das war eine gute Erfahrung, grad für Leute wie mich, die manchmal viel zu ungeduldig und ehrgeizig sind und sich viel zu viel auf einmal vornehmen. Kein Wunder - geht einem da manchmal die Puste aus: Das schaff ich nicht!
Doch. Eins nach dem anderen.
Schritt für Schritt für Schritt, so wird der Berg kleiner, der sich manchmal vor einem auftürmt, der Papierberg auf dem Schreibtisch, der Wäscheberg, die schwierigen Anrufe beim Arzt, die noch anstehen.
Schritt für Schritt für Schritt.
So habe ich auch unser erstes Tagesziel erreicht.
Ich war fix und fertig, hatte einen Sonnenbrand - aber keine einzige Blase!
Na also - geht doch!
Gut, dass ich mich auf den Weg gemacht habe.
Und Gott, ich glaube, der war auch mit dabei.

„Warum tust du dir das bloß an?" So werde ich manchmal gefragt, wenn ich von meiner Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg erzähle.
Sicher, ich hätte meine Urlaubstage bequemer verbringen können, als täglich 20 km mit einem schweren Rucksack durch die Hitze zu laufen.
Aber ich habe ein Ziel!
Santiago de Compostela.
Da will ich hin!
Nicht schon gleich im nächsten Jahr, nicht im übernächsten, aber vielleicht in neun, zehn Jahren. Irgendwann werde ich die Stadt an der nordspanischen Atlantikküste erreichen, das Ziel, für das sich schon viele viele Pilger aus aller Herren Länder auf den Weg gemacht haben.
Pilgern ist ja im Trend, nicht nur in den letzten Jahren.
Schon zu biblischen Zeiten sind die Menschen aufgebrochen.
Über Berg und Tal, in glühender Sonne und mit eiskalten Nächten.
Und die hatten sicher keine komfortablen Treckingsandalen und keine atmungsaktive Funktionskleidung.
Aber auch die hatten ein Ziel.
Auch eine Stadt.
Eine Stadt in den Bergen hoch über dem Jordantal.
Jerusalem.
Die heilige Stadt.
In Jerusalem war der Tempel. Und der war für sie das Haus Gottes. Und wer in den Tempel geht und da betet, der macht quasi einen Besuch bei Gott und ist ihm ganz nahe, so haben die Menschen sich das damals vorgestellt.
Für mich ist es wichtig, dass ich ein Ziel vor Augen habe. Das habe ich wieder auf dem Jakobsweg gesehen.
Das spornt mich an, motiviert mich mein Tagwerk zu verrichten, hilft mir auch, Strapazen auf mich zu nehmen, den inneren Schweinehund zu besiegen.
Nicht nur, wenn ich auf dem Jakobsweg unterwegs bin.
Aber was ist dann mit den beschwerlichen Wegen, was ist dann mit den Leidenswegen?
Ich denke an die Menschen, die sich mit viel Disziplin und Fleiß die Pflicht auferlegen, für die Familie da zu sein. Warum tun die sich das an? Und ich denke an die Menschen, die schwer an ihrem Päckchen zu tragen haben. Was wird manchen da auferlegt! Was kann einem diese Mühen leichter machen?
Ich habe von Romano Guardini, einem katholischen Gelehrten, einen Satz gefunden, der mich sehr beeindruckt.
„Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzen", so hat er gesagt.
M.a.W.: Wer sich von Gott geborgen weiß und darauf vertraut, dass Gott uns Menschen am Ende erwartet, der wird die Herausforderung annehmen, die jetzt dran sind. Auch die lästigen Pflichten. Und nicht versuchen, das zu vermeiden, was keinen Spaß macht. Sich nicht wegducken, wenn man gebraucht wird.
„Meine Hilfe kommt vom Herrn." Er wird auch mich am Ende erwarten, dieses große Ziel möchte ich jedenfalls nicht aus den Augen verlieren.
Und Santiago de Compostela? Mal sehen, ob ich da wirklich jemals ankomme.
Ich nehms mir halt vor und bin froh über jede Etappe, die ich wieder geschafft habe.
Gott segne auch Ihren Start in die neue Woche - einen guten Sonntag wünsche ich Ihnen!

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SWR4 Sonntagsgedanken

Der arme Lazarus kriegt einen Platz im Himmel.
Davon ist zumindest Jesus überzeugt.
Er hat von diesem armen Menschen erzählt.
Tag für Tag ist Lazarus zu den Häusern der Wohlhabenden gezogen und hat darauf gewartet, dass die Abfalltüten vor die Haustür gestellt werden. Und dann hat er sich das alte Brot aus dem Abfall heraus gesucht. Angebissenen Brotfladen. Soßenverschmiert und labberig.
Kein Mensch isst so was noch. Außer jemand, der sonst nichts zu essen hat.
Kein Wunder, das Lazarus krank geworden ist. Über und über mit Geschwüren bedeckt.
Ob die Krankheit ihn arm gemacht hat oder die Armut krank?
Wie auch immer - so einer wie  Lazarus kann nicht alt werden.
Also stirbt er. Stirbt sang- und klanglos und ist vielleicht grad noch mit einer Sozialbestattung unter die Erde gekommen.
Ja, so stelle ich ihn mir vor, den armen Lazarus, von dem Jesus erzählt. Und denke dabei an die „armen Lazarusse", die es ja leider auch bei uns gibt.
Kinderarmut und Altersarmut, versteckte Armut und verschämte Armut, das ist leider auch in unserem Land ein Thema.
Deswegen bin ich froh, dass Jesus sich mit seiner Geschichte für den „armen Lazarus" stark macht. Und geradezu rührend finde ich es, wie Jesus erzählt, dass die Engel gekommen sind und ihn nach seinem Tod in den Himmel getragen haben. Direkt in Abrahams Schoß.
Erstaunlich, wie selbstverständlich das für Jesus ist.
Den Armen das Himmelreich! Und nicht das, was übrig bleibt vom großen Kuchen. Nicht „eine Dose Mitleid" und ein ratloses Schulterzucken - sorry, ist halt so, hat halt Pech gehabt, der arme Kerl. Oder nicht rechtzeitig vorgesorgt.
Für Jesus ist die Sache klar. Da ist ein Mensch, der ist in Not, und das ist eines Menschen unwürdig. Und deswegen sorgt Gott selbst dafür, dass Lazarus zu seinem Recht kommt. Spätestens im Himmel.
Ja, ich glaube, für Jesus ist Lazarus wie ein Programm. Denn Lazarus bedeutet „Gott hilft".
Davon war Jesus zutiefst überzeugt: Gott hilft. Er hilft dem armen Lazarus. Andere sagen vielleicht: Selber Schuld! Der hat es nicht anders verdient. Aber Gott hilft Menschen wie Lazarus, sich als Mensch zu fühlen, z. B., wenn sie unterwegs sind auf den Ämtern und seitenweise Antragsformulare ausfüllen müssen, wenn sie sich durchkämpfen bei ihrer Krankenkasse, damit sie doch noch mal einen neuen Rollstuhl  bekommen, wenn sie beim Klassenlehrer der Tochter anruft, wegen der Klassenfahrt, die doch ein bisschen viel Geld ist im Augenblick...
Ich finde, mit seiner Geschichte hat Jesus sich stark gemacht für Lazarus und für alle, die im Leben „zu kurz kommen".
Ja, den Armen das Himmelreich - und deshalb schon hier den Respekt und die Hochachtung, die ihnen zukommt wie allen anderen Menschen auch.

Eigentlich ist es ganz einfach, denen zu helfen, die zu kurz kommen.
Davon ist zumindest Jesus überzeugt.
„Ihr habt doch Mose und die Propheten" erinnert er und verweist darauf, dass eigentlich alles schon geschrieben steht. „Liebe deinen Nächsten" und die 10 Gebote, das kennt man doch eigentlich und weiß, worauf es ankommt. Worauf es Gott ankommt. Damit es gerecht und fair zugehen kann.
Ja, eigentlich muss man nur genau hinhören, so verstehe ich Jesus.
Sich umschauen in der Welt, über den eigenen Tellerrand hinausschauen, sich informieren. Die Zeitung lesen und hin und wieder auch die Bibel.
Dann könnte die Geschichte, die Jesus erzählt hat, anders laufen.
Vielleicht so:
„Es war einmal ein reicher Mann, der kleidetet sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden." Doch dann las er eines Tages auf dem Etikett in seinem schicken Designerleinenhemd den Hinweis „Made in Bangladesh" und er stutzte.
Bangladesh, Moment mal, da schuften die armen Leute in den Nähfabriken für einen Hungerlohn und er bezahlt 180 Euro für sein Hemd. Das kann doch irgendwie nicht sein. Und wenn drei T-Shirts für 19.95 Euro zu haben sind, was kann dann eigentlich noch für die bleiben, die das irgendwo auf der Welt billigst produziert haben. Auf einmal sah der reiche Mann den armen Lazarus - nicht gerade vor seiner Haustür, aber doch in derselben Welt wie er. Und er hat sich überlegt, ob da nicht ein Zusammenhang besteht zwischen seinem Wohlstand und dessen Armut. Also wollte er dafür sorgen, dass der arme Lazarus - in Bangladesh - einen Lohn bekam, von der er leben konnte. Und er selbst wollte in Zukunft nicht mehr ganz so knauserig sein und bei der Schnäppchenjagd etwas achtsamer.
Und siehe da, es ging dem Reichen richtig gut damit. Er musste sich nicht mehr mit seinem schlechten Gewissen plagen - er konnte etwas tun. Und als es dann ans Sterben ging, da schaute er froh und dankbar auf sein Leben zurück. Dankbar, weil der liebe Gott ihm die Kraft geschenkt hatte, etwas aufzubauen und zu leisten. Dankbar aber auch, weil er mit seinem Geld auch Gutes tun konnte. „Man nimmt ja doch nichts mit!" lächelte er und schloss friedlich die Augen.
Ich hoffe sehr, dass die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus heute für beide ein gutes Ende finden wird. Ich vertraue darauf, dass Gott am Ende beiden gerecht wird. Dafür, glaube ich, hat Jesus diese Geschichte doch erzählt: Es ist niemals zu spät und eigentlich gar nicht so schwierig: Hören, hinhören, hinschauen und sich informieren.
So wird Lazarus geholfen. Und mir auch.
Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag und kommen Sie gut durch die neue Woche!

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SWR4 Sonntagsgedanken

Gerade jetzt, im Frühling.
Nach dem langen Winter drängt es mich einfach hinaus - in den Garten und ins Straßencafé, hinaus auch aus dem alten Trott.
Also habe mich zu einem Französischkurs angemeldet und genieße es, nach so vielen Jahren wieder die Schulbank zu drücken. Vokabeln lernen. Hausaufgaben machen - das geht zwar alles nicht mehr so flott wie früher, aber regt den Geist an und macht richtig Spaß.
Vielleicht sollte ich das ja viel öfter ausprobieren.
Raus aus dem festgefügten Rahmen. Und gucken, was noch geht.
Vielleicht ist das eine große Chance für mich, ein Segen gewissermaßen, mit dem Gott mich voran bringen möchte.
Anscheinend macht Gott das so, jedenfalls erzählt das die Bibel.
Ich denke an Abraham und an seine Frau Sarah, zwei Menschen im vorgerückten Alter, die im Herbst ihres Lebens noch mal einen zweiten Frühling erlebt haben.
Sie sind aufgebrochen, haben ihre Heimat verlassen und haben noch mal ein neues Leben angefangen.
Und sie haben das nicht der Not gehorchend gemacht, so wie viele ältere Menschen ja ihre alte Wohnung aufgeben müssen, weil sies alleine nicht mehr schaffen. Sie sind auch nicht den erwachsenen Kindern hinterher gezogen, um im Fall der Fälle betreut zu sein.
Nein, Abraham und Sarah sind gegangen, weil sie davon überzeugt waren, dass Gott sie ruft.
„Geh aus deinem Vaterland in ein Land, das ich dir zeigen will." So hat das Gott zu Abraham gesagt, lese ich in der Bibel. Auf dieses Wort hin sind sie losgezogen. Gott wird schon wissen, wo´s hingeht. Gott wird uns zeigen, wo unser neuer Platz ist. Und uns helfen, dass wir es schaffen. Darauf haben sie vertraut. Und Abraham war da immerhin 75 Jahren alt, notiert die Bibel ausdrücklich.
Mich beeindruckt diese Geschichte.
Wenn Menschen wie Abraham und Sarah sich in vorgerücktem Alter noch mal so aufraffen können, das finde ich prima. Auch für mich.
Und denke dabei an die älteren Herrschaften aus meinem Französischkurs, denen Hausaufgaben und Vokabellernen vielleicht noch ein bisschen schwerer fallen als mir. Oder an eine liebe alte Freundin, die ihr schickes neues Wohnzimmer mit den launigen Worten kommentiert: „Wenn ich schon so eine „alte Tante" bin, dann will ich wenigstens moderne Möbel haben."
Öfter mal was Neues.
Auch wenn das Leben nicht mehr ganz so neu und frisch ist. Vielleicht zeigt Gott ja gerade dann, dass noch ganz viel drin steckt in diesem Leben und dass es eigentlich viel zu schade ist, einfach alles so weiter laufen zu lassen wie bisher und vergangenen Zeiten nachzutrauern. Gott wird dir zeigen, was du noch alles tun kannst, für dich und für andere. Das wird dir gut tun und du kannst ein Segen sein. Darauf hoffe ich und bin gespannt, was dieser Frühling Neues hervorbringt.

Öfter mal was Neues?
Das klingt verlockend, gerade jetzt, im Frühling.
Aber das kann auch ganz schön schief gehen.
Ich denke an Abraham mit seiner Frau Sarah, die in vorgerücktem Alter noch mal aufgebrochen sind, weil Gott sie dazu gerufen hat.
Was haben die beiden da nicht alles riskiert.
Was, wenn man merkt, dass die Erwartungen viel zu hoch gewesen sind, dass man sich zu viel vorgenommen hat und dann nicht mehr mit kommt.
Ich verstehe die Leute gut, die es dann lieber beim Alten belassen. „Da weiß man wenigstens, was man hat."  Ich selbst bin ja auch meistens ziemlich vorsichtig und möchte am liebsten alles ganz genau planen und kalkulieren, was auf mich zukommt, damit ja nichts schief geht.
Wie gut nur, dass Gott da nicht ganz so vorsichtig ist. Im Gegenteil. Er ist sogar ziemlich risikofreudig.
Er riskiert es nämlich, mit dabei zu sein, auch wenn es schief geht. So verstehe ich es zumindest, wenn  Gott zu Abraham sagt: „Geh in das Land, das ich dir zeigen werde. Und ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein." Wer einen Menschen so herausruft, der steht auch im Wort.
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein." Diesen Satz finde ich sehr ermutigend und entlastend für alle, die etwas Neues wagen wollen oder wagen müssen. Die eine Familie gründen oder eben auch ihre Familie verlassen. Eine neue Beziehung eingehen. Die ihre Arbeitsstelle wechseln oder die auf eine neue Stelle versetzt werden. Die umziehen, zu den Kindern ziehen. So etwas kann unheimlich gut klappen, das kann aber auch völlig daneben gehen. Und es kann trotzdem gut für mich sein, ein Segen.
Vielleicht macht er mich ja gütiger und geduldiger mit anderen Menschen, wenn ich selber mal an meine Grenzen gestoßen bin. Wenn ich erlebt habe, dass die Welt nicht untergeht, auch wenn's nicht rund läuft. Vielleicht kann ich dann gnädiger sein mit den eigenen Fehlern.
Abraham starb schließlich viele Jahre, nachdem Gott ihn mit seiner Frau Sara in das neue Land hinaus gerufen hatte, „alt und lebenssatt", wie es die Bibel notiert. Auch heute noch ermutigt das, sich auf den Weg zu machen und etwas Neues zu wagen. Auch mich ermutigt das, nicht immer ganz so vorsichtig zu sein.
Dietrich Bonhoeffer hat das einmal so formuliert: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Wiederstandskraft geben wird, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein."
Also, öfter mal was Neues. Ich möchte jedenfalls die Zeit vor Ostern nutzen, das weiter auszuprobieren. Auch Ihnen wünsche ich eine gute Passions- und Fastenzeit - und kommen Sie gut durch die neue Woche!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14836
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SWR4 Sonntagsgedanken

Sonntagmorgen.
Ein Gottesdienst irgendwo in Süddeutschland.
Die Gemeinde singt aus vollem Herzen:
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit."
Dann geht der Pfarrer nach vorn.
„Liebe Gemeinde!" sagt er „wir  haben da noch einen Brief bekommen von unserem Gründer. Er will uns besuchen, schreibt er."
Der Pfarrer lässt den Brief durch die Reihen gehen.
Ein Besuch von unserem Gründer?
Die Leute lesen den Brief - kopfschüttelnd, erstaunt, erwartungsvoll.
Man ist jedenfalls gespannt. So geht der Gottesdienst zu Ende.
Die Szene, die ich Ihnen gerade erzählt habe, habe ich in dem Film „Der Besuch" gesehen. In humorvoller Weise schildert dieser Film nach einem Roman von Adrian Plass, wie Jesus die Bitten der Gläubigen erhört und tatsächlich wieder auf die Erde kommt, ein bisschen anders, als erwartet, nicht mehr als kleines Kind in der Krippe, aber auch diesmal ganz schlicht und ohne viel Brimborium, und so, dass sich einiges verändert und es sogar richtig gut wird.
Ich hab mir diesen Film mit Jugendlichen angeschaut und sie gefragt: Und, was würdet ihr machen, wenn Jesus hier zu uns käme?
Die Ideen der jungen Leute haben mich verblüfft, ja, sie haben mich sogar richtig angerührt:
„Ich glaube, den würden wir gar nicht sofort erkennen, der säh ganz normal aus." Sagt einer.
„Ich würde ihn fragen, was mit meiner Playstation ist." Grinst der nächste. Und dann, ernst: „Und ich würde ihn fragen, wies da oben im Himmel wirklich aussieht."
Der dritte: „Wenn Jesus käme, würde ich ihn fragen, wie das war, als sie ihn ans Kreuz genagelt haben. Warum er solche Leute nicht mal kräftig vermöbelt."
Und was würde ich ihn fragen?
Schade eigentlich, dass ich mir diese Frage so wenig stelle.
Ja, eigentlich spielt das in meinem Glauben gar keine so große Rolle, diese Vorstellung, dass Jesus wieder auf die Erde kommt. Dabei bete ich doch auch, so wie viele Christen, bei Tisch: „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast..."
Ja, das wäre so dringend nötig, wenn ich mich in dieser Welt umschaue.
Das Elend an vielen Stellen, dieses himmelschreiende Unrecht.
Wenn ich nur an die schlimmen Unglücke denke, die sich dieser Tage ereignet haben.
Und die Naturkatastrophen.
Das erschrickt mich schon und wer weiß, wo das noch hinführen wird.
Wo bleibst du, Gott, wann kommst du und machst das endlich gut?
Eine adventliche Frage. Eine adventliche Hoffnung. Ich hoffe wirklich, dass er kommt. Der Besuch. Und bis dahin will ich die Hoffnung wach halten.

Wenn wir bei uns zu Hause Besuch erwarten, dann ist es mit der Ruhe erst Mal vorbei.
Betten beziehen, schnell noch mal durchs Bad wischen, und, o Schreck, wie sieht es denn im Wohnzimmer aus, was da alles rumliegt!
Der Besuch soll sich doch bei uns zu Hause wohl fühlen.
Und er soll ja nicht denken, dass wir unordentlich wären!
Und wie wäre das, wenn ER sich bei uns zu Besuch ansagt, wenn Jesus zu Besuch käme?
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Davon singen wir doch im Advent. Bedeutet das irgendwas?
Ich denke an die ersten Christen. Die waren wirklich davon überzeugt, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten zurück kommt auf die Erde. Der Herr ist nahe, darauf haben sie sich richtig gefreut. Einige haben deswegen schon gar keine Familie mehr gegründet - das lohnt sich doch gar nicht mehr, haben die gesagt. Das ist hier bald sowieso alles vorbei, das ganze Elend, die Not, die Ungerechtigkeit. Wenn Jesus wiederkommt, dann wird alles gut.
Und dann hat es immer wieder Christen gegeben, die genau berechnen wollten, wie weit die Endzeit fortgeschritten ist und wann Jesus auf die Erde zurückkehrt. Sie haben sich und andere richtig bange gemacht mit dieser Weltuntergangsstimmung.
Aber es hat auch einen Martin Luther gegeben, der gesagt hat: „Und wenn morgen die Welt unterginge, dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit."
Ja, ich glaube, wer diesen hohen Besuch erwartet, für den ist es mit der Ruhe auch vorbei.
Und zwar mit dieser etwas lethargischen Ruhe, die ich leider manchmal auch bei mir selber entdecke: Ach, es ändert sich ja doch nicht. Die da oben machen ja doch, was sie wollen. Und ich kann sowieso nichts machen.
Doch, ich kann was machen.
Ich kann aufräumen, durchwischen und sortieren in meinem Lebenshaus. Und auch ich kann bestimmt etwas bewegen: Wenn ich an die Menschen denke, die sich bei uns in einem Verein engagieren, an die Menschen, die in kirchlichen und kommunalen Gemeinden mitmachen. Ohne dieses Engagement wäre bei uns sicher nicht so viel möglich.
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Menschen in froher Erwartung. Und vor allem zuversichtlich - was kommt, das ist kein Weltuntergang und keine Götterdämmerung - auch wenn es noch so chaotisch zugeht.
„...es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Was kommt, das ist kein Aus-und-vorbei, das wars dann wohl - auch wenn unser Leben zu Ende geht. Wir bleiben in Gott geborgen.
„...es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Haben Sie heute noch einen sehr schönen, besinnlichen Adventssonntag und kommen Sie gut durch die neue Woche!

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SWR4 Sonntagsgedanken

Er war einfach nur dankbar, von Herzen dankbar.
Und konnte es immer noch nicht ganz fassen:
Der seltsame Ausschlag auf seiner Haut - weg!
Wie lange hatte er sich damit rumgequält, war von Arzt zu Arzt gelaufen, hatte dieses und jenes Wundermittel ausprobiert. Es hat nichts genützt, im Gegenteil: es wurde immer schlimmer. Und das Schlimmste war: er wurde immer einsamer. Wer etwas mit der Haut hat, könnte ja ansteckend sein, dachten die Leute und waren vorsichtig.
Und dann war das weg - wie durch ein Wunder war das einfach weg!
Dabei war er ja nur zu Jesus gegangen und hatte ihm sein Leid geklagt.
Ich weiß nicht, wie Jesus das gemacht hat und wie er dem Mann geholfen hat.
Der Mann damals hat es wahrscheinlich auch nicht gewusst.
Nur eines war ihm klar: Gott selbst hat ihm geholfen. Wer auch sonst?
Eine große Dankbarkeit erfüllte ihn.
Gott sei Dank!
Ich kann ihn gut verstehen, diesen geheilten „Aussätzigen", von dem die Bibel erzählt.
Dieses Gefühl tiefer Dankbarkeit, das habe ich auch schon erlebt.
Mich überkommt das manchmal, wenn ich bei uns durch die Reben gehe und durch die abgeernteten Felder - mein Gott, denke ich dann, haben wir´s gut hier. In den USA gab´s in diesem Jahr wegen der Dürre diese guten Ernten nicht.
Und dann denke ich daran, wie wir einen alten lieben Freund besucht haben. Er ist sehr krank und vielleicht können wir uns nicht mehr oft sehen. Aber es war noch mal ein wunderschöner, heiterer  Abend, den wir mit ihm verbracht haben.
Ich bin so froh, wenn ich so etwas erleben kann.
Ich finde, solche Augenblicke machen vieles heil, denn in solchen Augenblicken ist diese Unzufriedenheit weg, die mich manchmal überkommt, dieses Vergleichen mit anderen, dieses Selbstmitleid, mit dem ich mir manches mies mache.
Es geht mir dann fast so wie dem Mann, den Jesus von seinem Aussatz geheilt hat, denke ich:
Ich fühle mich wohl in meiner Haut, reich beschenkt und kann es fast nicht fassen: Ja, es geht mir gut, ich habe selbst was dazu beigetragen und auch gute Voraussetzungen mitbekommen. Aber eigentlich hat mir dazu ein anderer verholfen. Was für ein Glück, dass Gott es so gut mit mir meint.
Diese Dankbarkeit ist anscheinend die Grundlage, um zufrieden zu sein.
Ich glaube, deswegen ist es so wichtig, dass der Mann sich damals ganz ausdrücklich bei Jesus bedankt hat. Jesus sagt das jedenfalls so: „Dein Glaube hat dir geholfen." Für mich heißt das auch: Wer dankbar ist, der ist glücklich. Krisen und Sorgen können einen nicht so runterziehen, wenn man diese Dankbarkeit kennt. Und damit man wirklich spürt, wie gut es einem eigentlich geht, kann man sich eigentlich gar nicht genug bedanken: Bei anderen Menschen. Und bei Gott.

Die Bibel erzählt, dass Jesus zehn Männer von ihrer schlimmen Hautkrankheit geheilt hat.
Aber nur einer von ihnen ist zu ihm zurückgekommen und hat sich bei ihm dafür bedankt.
Jesus hat das offensichtlich gewundert. Denn er fragt: „Und - wo sind die anderen Neun?"
Eigentlich hätten auch sie einfach nur dankbar sein können.
Von Herzen dankbar. Aber hat sie das wirklich froh und zuversichtlich gemacht und haben auch andere etwas davon gemerkt?
Ja, wo sind sie, die anderen Neun?
Sind die nicht dankbar, freuen die sich nicht, haben die das vergessen oder hatten die was Wichtigeres vor und einfach keine Zeit mehr, um sich noch mal um Jesus zu kümmern.
Gute Frage, finde ich. Auch an mich.
Macht es mich wirklich dankbar und zuversichtlich, wenn es mir gut geht. Macht es mich glücklich?
Manchmal läuft das bei mir doch genauso ab wie in der Geschichte.
Neun Männer gehen ihrer Wege. Nur einer kommt zurück .
M.a.W: 90 Prozent Leben läuft einfach so weiter, alles wie immer, nichts ändert sich. Und nur 10 Prozent bleibt für das, worauf es wirklich ankommt. Die guten Erfahrungen, das Glück, die Freude, sie kommen gar nicht so richtig zum Zuge.
Wo sind die anderen Neun?
Diese Frage von Jesus regt mich dazu an, noch mal genau hinzuschauen.

Was hab ich in der letzten Woche erlebt, in den Ferien? Die schönen Ausflüge mit meinem Mann zusammen, all die Bekannten, die wir endlich mal wieder getroffen haben, einen bewegenden, dicken Roman hab ich gelesen - schade, wenn das alles gleich wieder so weggewischt würde vom Alltagsgeschäft.
Wo sind die anderen Neun?
Sich immer nur antreiben lassen und so zum Getriebenen zu werden - ich finde, das allein kanns doch nicht sein. Neben der Pflicht finde ich auch die stillen Stündchen wichtig, auch die am Sonntagmorgen, auch die in der Kirche.
Wo sind die anderen Neun?
Wenn´s mir gut geht, könnte ich ja eigentlich auch jemand anderem mal etwas Gutes tun. Z.B. die Kollegin entlasten, wenn ich grad selber nicht so viel zu tun habe. Oder mich noch mal bei unserem Bekannten melden, der sich z.Z. viel Sorgen macht. Oder einen ordentlichen Schein aus der Geldbörse ziehen, wenn beim nächsten Mal für einen guten Zweck gesammelt wird.
Ja, ich kann wirklich dankbar sein. Und ich glaube, wenn ich mir das auch bewusst mache, dann macht mich das bestimmt auch sensibel für die, die im Augenblick nicht das Glück haben wie ich. Die könnten dann vielleicht auch spüren, dass jemand es gut mit ihnen meint. Und - wer weiß - vielleicht dann auch froh und zuversichtlich sein.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und morgen wieder einen guten Start in die Woche!

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SWR4 Sonntagsgedanken

„Fronleichnam", wie geht denn das?
So habe ich mich früher immer gefragt, bis mir klar wurde:
Es heißt gar nicht „Froher Leichnam" und mit einem fröhlichen Totenkult hat der Feiertag heute ganz und gar nichts zu tun.
Im Gegenteil: An Fronleichnam geht es um etwas sehr Lebendiges.
Es geht um den Leib Jesu, „vrone lichnam", so die Übersetzung des mittelalterlichen Ausdrucks. Das heißt „Leib des Herrn".
Natürlich spielt auch für mich als evangelische Christin der „Fron-Leichnam", der Leib des Herrn eine ganz besondere Rolle. Leib Christi, für dich gegeben, so sagen wir es ja auch, wenn wir im Gottesdienst das Abendmahl austeilen. Das soll daran erinnern, dass Jesus für uns Menschen sein Leben gegeben hat.
Dabei hat es für mich immer wieder diese wunderbaren Augenblicke gegeben, wo mir das so richtig zu Herzen gegangen ist: Wenn ich mir vorstelle, dass Jesus für mich den vollen Einsatz gebracht hat, damit ich mich nicht allein abschleppen muss mit den Dingen, die mir das Leben manchmal so schwer machen: Manchmal plagt mich mein schlechtes Gewissen. Und Jesus sagt: „Dir sind deine Sünden vergeben." Weil er daran festgehalten hat, musste er sterben. Manchmal zweifle ich daran, ob ich das Richtige sage und das Richtige denke. Von Jesus lerne ich: Auch die nicht immer alles hinkriegen, sind bei Gott wichtig und richtig. Für diese Überzeugung hat er sein Leben gelassen.
„Leib Christi, für dich", ja, manchmal ist dieses Stückchen Brot, das ich da beim Abendmahl esse, genau der Bissen Leben, der mich ein bisschen zuversichtlicher macht und mich mit etwas mehr Gottvertrauen ans Werk gehen lässt.
Jesus, das Brot des Lebens, so heißt es deshalb ja auch  in der Bibel (Joh 6,35).
Für mich ist das ein sehr hilfreicher Gedanke: Gott ist wirklich mitten in meinem Leben drin, in meinem Leben hier und jetzt. Und das finde ich sehr ermutigend: Ich denke dabei nicht nur an den Hunger des Bauches, sondern vor allem an den Hunger des Herzen in unserem immer noch recht wohlhabenden Land.
Wie gut tut es mir, wenn ich das höre: Brot des Lebens, für dich - wenn dich nach Anerkennung hungert, weil du meinst, dass dein ganzer Einsatz eigentlich für die Katz gewesen ist.
Brot des Lebens, für dich - wenn dir der ganze Ärger im Geschäft und der Stress mit der Familie zum Hals raushängt.
Brot des Lebens, für dich - wenn du es satt hast, dich mit dummen Ausreden und fadenscheinigen Argumenten abspeisen zu lassen.
Dem Hunger meines Herzens hat Gott etwas entgegenzusetzen, so hoffe ich es zumindest - und denke an das Stückchen Brot und die Worte, die wir dazu beim Abendmahl sagen: Der Leib Christi, das Brot des Lebens. Für dich!

„So, jetzt hab ich den Herrn im Rucksack dabei!" sagte die junge Lehrerin zu mir, verstaute das Döschen mit den Brotoblaten zwischen Ordner und Heften und eilte zu ihren Viertklässlern.
Ich blieb erstaunt zurück und hab zum ersten Mal so richtig verstanden, warum meiner Kollegin dieses Brot von der Abendmahlsfeier so wichtig ist: Meine Kollegin ist katholisch, für sie hat man wirklich „den Herrn" dabei, wenn man dieses Brot dabei hat.
Eine schöne Vorstellung, finde ich, auch wenn ich mit dem Abendmahlsbrot etwas anderes verbinde. „Jetzt hab ich den Herrn im Rucksack dabei."
Die Viertklässler können das doch bestimmt gut gebrauchen, dass jemand „den Herrn, Jesus Christus" zu ihnen bringt, denke ich.  Viele von ihnen stehen nämlich ziemlich unter Druck und fragen sich, auf welche Schule sie demnächst gehen dürfen.
Und die Menschen, die jetzt im Krankenhaus liegen, denen tut das bestimmt auch sehr gut, wenn jemand an ihrem Bett „den Herrn" aus dem Rucksack zieht und ihnen die Krankenkommunion bringt. Genauso hab ich es auch schon öfter erlebt beim Krankenabendmahl: dieses Stückchen Brot  ist wirklich eine ganz große Stärkung und erinnert daran: Vertrau darauf, Gott steht jetzt an deiner Seite, gerade jetzt, wo du diesen Beistand so nötig hast.
Ein Stückchen Brot - und Jesus Christus ist da! So einfach und anschaulich können wir Christen ausdrücken, worauf auch ich von Herzen hoffe: Dass Gott dabei ist und auch mich auf meinem Weg begleitet, und dass ich mit Gott rechnen kann, ihn gewissermaßen mitnehmen kann in Rucksack und Aktentasche und im Reisegepäck, auf dem Weg ins Büro, zu dem schwierigen Geschäftsmeeting, zu den streitbaren Nachbarsleuten, zum kranken Enkelkind.
Im Grunde sind das ja alles kleine Fronleichnamsprozessionen, kommt es mir in den Sinn und denke an die Fronleichnamsprozessionen, die heute landauf- landab stattfinden. Unterwegs wird angehalten, der Priester  zeigt das Abendmahlsbrot in der Monstranz und zeigt damit dem Dorf: Seht her, der Herr. Gott ist in unserer Mitte.
Und ich denke: Na, hoffentlich geben wir ihm auch Raum in unserer Mitte, dem Herrn!
Unsere Dörfer und Städte, ja unser ganzes Land hat die Nähe Gottes und seinen Beistand so nötig. Ohne dieses Gottvertrauen wird man doch viel zu kleinmütig angesichts der großen Aufgaben, die anstehen. Oder man wird übermütig und meint, man könnte es mit viel Geld und gutem Willen schon alles selber schaffen.
Da finde ich es schon hilfreich und tröstlich, dass heute an Fronleichnam katholische Christen hinausziehen aus der Kirche und den Leib des Herrn, wie sie sagen, dorthin bringen, wo er Segen bringt - Gott unterwegs in unsere Mitte!
Jetzt gleich, um halb zehn, werden wir das bei uns in Offenburg probieren. Bei der Fronleichnamsprozession wird der katholische Pfarrer das Abendmahlsbrot als Zeichen für Jesus Christus durch die Stadt tragen und ich neben ihm die Bibel. Durch sie wissen wir von Gott. Ich finde es schön, dass wir als Christen so gemeinsam unterwegs sein können.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Die Wochen vor Ostern sind für immer mehr Menschen ein guter Anlass, bewusst etwas kürzer zu treten und für sich eine Fastenzeit einzulegen.

Morgen beginnt meine Fastenwoche.
Ich bin schon richtig nervös, wenn ich daran denke, dass ich nun eine Woche lang mit getrockneten Brötchen und ein paar Löffeln Quark auskommen soll.
Ob ich das wirklich schaffe - mir könnte ja schlecht werden oder schwindelig.
Ach, was geht mir da nicht schon seit Tagen alles durch den Kopf.
Aber genau deswegen habe ich mich auch in diesem Jahr wieder für diese eine Woche bei „Wasser und Brot" entschieden.
Für mich ist das so eine Art Vertrauensübung.
Ich möchte mich durch diesen bewussten Verzicht in dem Vertrauen üben, dass es für mich reicht, auch wenn weniger da ist - und zwar nicht nur beim Essen.
Ich bin ja gut versorgt, auch wenn ich mal auf was verzichten muss.
Ich hoffe zumindest darauf, dass Gott dafür sorgt, dass ich auch mit weniger als sonst über die Runden kommen kann. Ja, dieses Gottvertrauen, das möchte ich in meiner Fastenwoche noch mal ganz bewusst einüben.
Jesus hat dazu etwas gesagt, was ich mit auf den Weg nehmen möchte.
„Sorget nicht um den morgigen Tag, was ihr da essen und trinken sollt!" Hat er gesagt.
Als hätte er nur zu gut gewusst, wie viel Sorgen ich mir immer mache: Ob ich alles schaffe, was ich mir vorgenommen habe. Und ob ich das gut genug mache, was von mir erwartet wird. Und ob die Zeit und die Kraft reichen.
Aber Jesus hat wahrscheinlich auch genau gewusst, dass solche Fragen einen ganz verrückt machen können. Ich erlebe das jedenfalls manchmal so. Und dann merke ich, dass ich einfach nicht mehr fertig werde, weil ich's noch ein bisschen besser hinkriegen möchte. Manchmal nehme ich mir auch viel mehr vor, als ich eigentlich leisten kann.
Vielleicht sollte ich mir ja gerade in solchen Situationen ein Beispiel an den Vögeln am Himmel nehmen.
Das hat Jesus jedenfalls den Leuten geraten, die sich allzu viel Gedanken machen, dass es nicht reicht. „Seht die Vögel unter dem Himmel an!" hat er gesagt. „Sie säen nicht, sie ernten nicht, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch!"
Es kann also ruhig auch mal ein bisschen weniger sein, wenn nur das Vertrauen reicht, dass Gott wie ein Vater ist, der darauf Acht gibt, dass genug zum Leben da ist. Mir kommt es so vor, als wollte Jesus sie ganz liebevoll aufrütteln: Die allzu Ängstlichen, die 100-Prozentigen, die alles ganz besonders gut und richtig machen wollen:
Ihr tut viel für andere und kommt gut alleine zurecht. Vielleicht seid ihr deshalb manchmal am Ende eurer Kräfte. Es ist genug, was ihr tut. Gebt doch anderen die Chance, auch euch mal etwas Gutes zu tun.
Weniger ist manchmal mehr, ja, weniger ist manchmal sogar die ganz große Chance, damit ich erahne, wie Gott für mein Leben Sorge trägt. Ich bin gespannt, ob ich das auch in den nächsten Tagen bei meiner Fastenwoche erfahren werde.

Die Brötchen sind getrocknet, der Kühlschrank ist leer geräumt.
Es kann also morgen losgehen mit meiner Fastenwoche.
Mit leerem Bauch wird vielleicht ja auch der Kopf wieder etwas freier, damit ich sehe, worauf es wirklich ankommt und was ich getrost auch lassen kann. Das erwarte ich jedenfalls von diesem Verzicht.
Aber worauf kommt es an?
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit!" So hat Jesus das gesehen.
Er war davon überzeugt, dass Gott ganz genau darum weiß, was für uns Menschen nötig ist, und dass er dafür sorgt, dass jeder dann auch das bekommt, was er zum Leben braucht.
Genauso hat Jesus selbst es gehandhabt. Er hat den Armen Brot gegeben und die Reichen das Teilen gelehrt. So brauchte keiner zu fürchten, dass er zu kurz kommt und dass es nicht reicht.
So gesehen, brauche ich mir also gar nicht so sehr den Kopf zu zerbrechen, sondern kann einfach zur Stelle sein, wo mein Einsatz gebraucht wird, als Freundin, als Tochter - als „Mit-Mensch", Auch wenn ich da auf manches verzichten muss.
„Alles andere wird euch hinzugefügt" hat Jesus schließlich gesagt: Und zwar dann, wenn ihr euch wie Gott darum kümmert, dass es menschlich und anständig zugeht.
Ich finde, das ist eine ganz gute Aussicht für alle, die genau das versuchen.
Ich denke an die Leute, die Kinder groß ziehen, alte Eltern betreuen, in der Lokalpolitik mitmachen, sich für einen sozialen Dienst einspannen lassen. Was bleibt da nicht alles liegen. Mal kommt die Familie zu kurz, mal der Hauhalt - von den eigenen Bedürfnissen ganz zu schweigen. Und dann ist da natürlich auch immer die Frage, ob man denn wirklich auch genug getan hat. Die, die sich so einsetzen und dabei auch auf manches verzichten, verzichten müssen, die können sich darauf verlassen, dass dies irgendwann seinen Ausgleich findet. Es ist doch genug da - genug Zeit, genug Kraft, genug, um auch morgen wieder den nächsten Schritt zu tun. Dafür wird Gott sorgen.
Wie dieser Ausgleich aussehen kann, das hat Wilhelm Busch humorvoll-trefflich so ausgedrückt: „Sag, wie wär es, alter Schragen, wenn du mal die Brille putztest, um ein wenig nachzuschlagen, wie du deine Zeit benutztest. Oft wohl hätten dich so gerne weiche Arme warm gebettet, doch du standest kühl und ferne, unbewegt, wie angekettet. Demnach hast du dich vergebens, meistenteils herumgetrieben, denn die Stunden unsere Lebens sind die Stunden, wo wir lieben."
Ja, die Stunden, wo wir lieben, von diesen Stunden gibt es hoffentlich immer genug. Dann, glaube ich, kann es in anderen Bereichen ruhig etwas weniger sein, denn die Zeit, in der wir lieben, gleicht so manches aus, was uns sonst versagt bleibt.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Damit es wirklich Weihnachten werden kann, braucht es mehr als Plätzchen backen, Karten schreiben und Kerzenschein.
„Tut Buße!" hat Johannes gesagt.
Die Bibel erzählt, wie die Menschen in Scharen zu ihm an den Jordan gezogen, um sich von ihm taufen zu lassen.
Mir kommt das so vor, als hätten sie grad darauf gewartet, dass einer mal ganz klar sagt:
„Halt, Leute, so nicht!"
Vielleicht waren sie es einfach Leid mit diesem ständigen Weiter-so, wie wir es auch immer wieder zu hören kriegen, grad jetzt im Dezember: Kauft viel und billig, „Weihnachten wird unterm Baum entschieden!". Als ob dieses Immer-mehr und Immer-schneller den Menschen wirklich gut tut. Ich hab da schon meine Zweifel, gerade wenn ich an die Menschen denken, die sich vieles eben nicht leisten können und die nicht die Kraft haben, bei dem rasanten Tempo mitzuhalten.
Da finde ich es richtig ermutigend, wie Johannes der Täufer aufgezeigt hat, wie es auch gehen kann. Den Reichen hat er gesagt, dass sie ihr Hab und Gut teilen sollen, damit alle genug zum Leben haben. Die Soldaten sollen niemandem Gewalt und Unrecht tun und wer für den Staat Geld eintreibt, darf nicht mehr verlangen als recht ist.
Jeder kann also ganz konkret in seinem Lebensbereich einen Beitrag leisten, dass es fair und menschlich zugeht. Und was könnte mein Beitrag sein, frage ich mich.
Wie sieht das z.B. mit dem Geld aus? Klar, sind da zunächst mal die dran, die wirklich viel Geld haben. Die sind sicherlich als erste gefordert, solide und sparsam zu wirtschaften, damit es nicht zu Lasten der Allgemeinheit geht.
Eigentum verpflichtet: den Staat, die Banken, die Unternehmen, die Versicherungen - aber eben auch mich. Was bin ich bereit zu geben und abzugeben? Wenn ich Geld sparen oder gar anlegen kann, interessiert es mich dann auch, wie weiter mit diesem Geld gearbeitet wird, oder denke ich vor allem an meine Rendite?
Johannes ist da ja schon ziemlich konkret geworden: „Wer zwei Hemden hat, der gebe eines dem, der keins hat!" fordert er.
Ja, Johannes der Täufer hat viel gefordert, als er damals am Jordan die Menschen zur Buße aufgerufen hat. Aber er hat den Menschen damit auch ganz viel zugetraut.
„Bereitet dem Herrn den Weg!" hat er die Menschen aufgefordert.
Mich beeindruckt das. Wenn ich mir das vorstelle: Auch ich kann meinen Beitrag dazu leisten, dass Gott kommt und hilft. Auch mein Einsatz ist wichtig und hilft Gott, seinen Weg in diese Welt zu finden.
Ich müsste darüber grad noch mal nachdenken - bei Kerzenschein z.B. in einer besinnlichen Adventsstunde.

„Bereitet dem Herrn den Weg!"
So hat Johannes der Täufer die Menschen und sich selbst darauf vorbereitet, dass Gott kommt und die Welt zurecht bringt.
Johannes war ein Wegbereiter, der auf Jesus hingewiesen hat.
Und dann kam Jesus wirklich, er hat sich sogar von ihm im Jordan taufen lassen.
Doch es war  gar nicht so gewaltig, wie Johannes sich das vorgestellt hatte.
Da hat er sich irgendwann gefragt: Ja, mein Gott, war ´s das schon? Oder muss ich noch länger warten?
Ich kann es so gut verstehen, dass Johannes ein bisschen enttäuscht gewesen ist.
Oder zumindest verunsichert.
Er hat sich doch so engagiert und sich dafür eingesetzt, dass die Menschen ihr Leben verändern und Gott vertrauen.
Doch was tut Gott? Manchmal ist das auch meine Frage.
Ich denke an die Welt, wie sie sich dieser Tage darstellt.
Staaten am Rande des Abgrunds, weil Geldgier und entfesselte Finanzmärkte ganze Volkswirtschaften ruinieren. Wohin soll das alles noch führen? Auch bei uns?
Ich finde es tröstlich, wie es Johannes damals ergangen ist, als er im Zweifel war, ob Gott wirklich kommt und etwas in dieser Welt ausrichten kann.
Jesus hat ihm nämlich einen Hinweis gegeben, wo man Gott entdecken kann. „Blinde sehen, Lahme gehen und den Armen wird das Evangelium verkündigt."
Wenn das so ist, denke ich mir, dann ist Gott wahrscheinlich schon ganz oft mit im Spiel, aber eben inkognito, unspektakulär, hinter den Kulissen. Weiß Gott, wie oft er einem Arzt die Hand führt bei einer schwierigen Operation. Wie er Richtern das rechte Wort auf die Zunge legt, damit sie ein faires Urteil sprechen. Wahrscheinlich hat er ja der Dame den entscheidenden Anstoß gegeben, die sich nach dem Tod ihres Mannes endlich wieder unter die Menschen traut und manchmal auch schon wieder richtig lachen kann.
Und hoffentlich steht er jetzt auch hinter den Männern und Frauen aus der internationalen Politik und Finanzwelt, die kurz vor Weihnachten noch unglaublich schwere Entscheidungen treffen müssen.
Ja, Gott kommt gewaltig! Gewaltig, aber ohne Gewalt ist er mit seiner Kraft in den Schwachen mächtig. Darauf möchte ich vertrauen und einfach die Augen offen halten, wo Gott mit seiner Liebe und Güte auch bei uns, bei mir wirken kann.
Wie heißt es so schön in dem alten Weihnachtsgedicht aus Kindertagen:
„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind. Steht auch mir zur Seite still und unerkannt, dass es treu mich leite durch der Liebe Hand."
Mit diesem Lied wünsche ich Ihnen noch eine besinnliche Adventszeit und heute einen gesegneten Sonntag!

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