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SWR2 Wort zum Tag

Ihr seid das Salz der Erde, das sagt Jesus seinen Zuhörern in der Bergpredigt des Matthäusevangeliums. Und weiter sagt er: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“ Wer sich heute an Jesus orientiert, darf also nicht „geschmacklos“ werden, oder? Wenn ich diese Bibelstelle höre, höre ich sie zunächst als Mahnung. Und ich glaube auch, dass ich als Christ darauf achten muss, nicht den christlichen Geschmack zu verlieren, die Würze. Aber ich überlese dabei zu schnell den Anfangssatz: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Wenn ich dieses starke Bild erst mal auf mich wirken lasse, dann geht es gar nicht darum, dass ich für mich ein guter Christ bleibe. Dann geht es vor allem darum, dass ich nach außen wirke, dass ich unter meinen Mitmenschen, in der Gesellschaft, auf der Erde wie Salz wirke. Nicht für mich selber oder für meine Gemeinde bin ich Christ. Mit meinem Handeln und Leben soll ich das Leben anderer würzen.
Je mehr ich mir dieses Bild, um im Bild zu bleiben, auf der Zunge zergehen lasse, umso mehr gefällt es mir. Salz kann man ja ganz unterschiedlich dosieren, ohne Dinge gleich ungenießbar zu machen. Manchmal darf etwas kräftig gesalzen sein und man darf es ordentlich herausschmecken, wenn ich kritisch Position beziehe, vielleicht sogar jemanden zurechtweise. Manchmal reicht aber auch eine Prise Salz, damit eine Speise gut schmeckt; wenn ich etwas ganz gewöhnliches tue, bei dem man vielleicht gar nicht merkt, dass ich das als Christ tue, wenn ich beispielsweise einem Menschen eine Freude mache, jemanden besuche. Das Bild vom Salz der Erde entlastet mich, einerseits jedenfalls. Wenn ich als Christ für Jesus Salz der Erde sein will, dann muss ich nur einen kleinen Teil beitragen, die anderen Zutaten kommen von wo anders her: Menschen, die auf schwierige Situationen aufmerksam machen, andere, die sich für bessere Lebensbedingungen engagieren, wieder andere, die ein gutes Miteinander anstreben. Selbst wenn ich der einzige Christ unter ihnen sein sollte, kann ich mit ihnen zusammen Gutes bewirken und Jesu Auftrag gerecht werden.
Andererseits aber steckt in dem Bild eine starke Aufforderung: ich muss Salz der Erde sein. Wenn ich mich nicht einbringe, dann werde ich schal und unnütz. Wenn mein Christsein keine Folgen hat in der Welt, dann wird es nutzlos.
Und es bringt gar nichts, wenn ich abwarte, bis ich fester im Glauben stehe oder mehr über Bibel und Kirche weiß. Jesus hat seinen Zuhörern nicht gesagt: Wenn ihr mir fertig zugehört habt, dann sollt ihr in der Welt möglichst wie Salz wirken. Er hat gesagt: Ihr seid das Salz der Erde.
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SWR2 Wort zum Tag

Wie sieht Gott für euch aus? Das habe ich meine Schüler gefragt. Sie sollten ein Bild malen, das ihre Vorstellung von Gott ausdrückt. Die Schüler haben sich sehr schwer getan. Und weil sie auch keine Lust hatten, fiel ihnen gleich ein Argument ein: Wir dürfen uns doch gar kein Bild von Gott machen.
Stimmt, das kann man so aus der Bibel herauslesen, aber ich komme mit Gott nicht gut zu Recht, wenn ich ihn mir nicht vorstelle, z. B. als gütigen Vater oder als barmherzige Mutter. Für das Volk Israel war ja vor allem wichtig, dass ein Bild von Gott nicht in Gold gegossen werden sollte. Gott kann man nicht in einem Bild festlegen. Er verändert sich in meinem Leben oder besser gesagt: unsere Beziehung verändert sich. Auch das Volk Israel hat ihn immer wieder anders erfahren, mal als Retter, mal als denjenigen, der für Gerechtigkeit sorgt, sogar einen eifersüchtigen Gott haben sie erlebt. Israel glaubte an einen Gott, der für alles zuständig war. Wenn man ihn mit einer Statue als Fruchtbarkeitsgöttin oder als Kriegsgott dargestellt hätte, wäre man ihm nicht gerecht geworden. Ins babylonische Exil verschleppt, haben die Israeliten die Schöpfungsmythen anderer Völker kennen gelernt. Um diese Zeit sind auch die biblischen Schöpfungsgeschichten entstanden, aber es spielen darin eben kein Urgottheiten eine Rolle, sondern wieder nur der eine Gott.
Für Israel sind immer wieder andere Seiten des einen Gottes wichtig. Und für mich ist es ähnlich. An einem schönen Sommertag bin ich Gott, dem erfindungsreichen Schöpfer dankbar. In einer Nacht, in der ich mir Sorgen mache oder Angst habe, ist Gott eher ein fernes Wesen, das ich nicht spüre, von dem ich aber glauben möchte, dass er an meiner Seite ist.
Dieses Gesamtbild von Gott, das eben kein Bildnis ist, finde ich wieder im biblischen Buch des Propheten Jesaja. Zum Ende des babylonischen Exils, lässt der Prophet Gottes Stimme hören. Während die babylonischen Götter zusammenbrechen und als schwere Last von Tieren getragen werden müssen, ist es bei Israels Gott umgekehrt: das Volk Israel ist die Last, die er trägt. So einen aus Gold gemachten Gott trägt man herum und stellt ihn dann wieder auf seinen Platz. Dann rührt er sich nicht von der Stelle. Ruft man ihn an, so antwortet er nicht; wenn man in Not ist, kann er nicht helfen Beim Gott Israels ist es eben umgekehrt, und das sagt er durch Jesaja seinem Volk und damit auch mir zu: „Ich bleibe derselbe, so alt ihr auch werdet. Bis ihr grau werdet, will ich euch tragen. Ich habe es getan, und ich werde euch weiterhin tragen, ich werde euch schleppen und retten.“
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SWR2 Wort zum Tag

Ich streite eigentlich nicht gern, aber wenn es mal richtig zur Sache geht, dann ist eines klar: Wenn ich etwas an den Kopf geworfen bekomme, dann muss das, was ich zurückgebe, auf jeden Fall größer sein, treffender, verletzender.
Schon das alte Testament hat es da mit Regeln versucht: Wenn Dir einer einen Zahn ausschlägt, dann fordere von ihm auch nur einen Zahn. Wenn Dir einer ans Auge geht, dann geh’ auch Du ihm nur ans Auge, nicht mehr. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.
Doch Jesus will in seiner Bergpredigt noch mehr. Was er fordert, das entspricht überhaupt keiner menschlichen Logik mehr: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.“
Was Jesus da fordert, kommt mir erst mal ganz schön unrealistisch vor. Will er mich provozieren?
Angenommen, ich handle tatsächlich so, wie Jesus es fordert. Was passiert dann? Ein Streit ist so eskaliert, dass mir jemand eine Ohrfeige gibt. Angenommen ich schlage nicht zurück und halte ihm auch nicht mit einem überheblichen Grinsen die andere Wange hin. Sondern ich frage ihn: „Hilft es Dir, wenn ich Dir jetzt auch noch die andere Seite hinhalte?“ Möglich, dass ich mich dadurch etwas lächerlich mache, aber wahrscheinlich kommt uns beiden der ganze Streit dann doch ziemlich absurd vor. Und Jesus wirkt auf einmal wie ein moderner Konflikttrainer: Das „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist nicht mehr wichtig, auch wenn man sich dabei um noch so viel Gerechtigkeit bemüht. Jesu fordert dazu auf, kreativ mit Konfliktsituationen umzugehen und zu fragen: Was bringt uns gemeinsam weiter? In der großen Politik könnten wir genau diese Kreativität brauchen, in Israel und Palästina, in Sri Lanka und an vielen anderen Orten. Und auch unseren bundesdeutschen Politikern wünsche ich, dass sie nicht immer auf der Oberfläche des Streites oder des Wahlkampfes bleiben, sondern sich wirklich fragen, was gemeinsam zu tun ist.
Doch die Bergpredigt Jesu richtet sich nicht nur an die Politiker, sie taugt auch für meinen Alltag.
Dass mich jemand zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, kann ich mir heute kaum vorstellen. Aber dieses Beispiel führt mich zum Straßenverkehr: Da tut die eine oder andere Deeskalation im Sinne der Bergpredigt ganz gut. Wenn ich nicht auf meinem Recht beharre, sondern auch mal zwei Autos vor mir einfädeln lasse, dem Radfahrer oder Fußgänger die Vorfahrt lasse, obwohl ich dran wäre, dann kann ich nicht nur entspannter fahren. Wenn mir das in so kleinen Dingen gelingt, ist eine andere Forderung Jesu – „Liebet Eure Feinde!“ – auch etwas weniger schwer, einfach weil gar nicht so viele Feinde entstehen.
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SWR2 Wort zum Tag

„O Heiland reiß die Himmel auf“. Keine Sorge, ich will nicht den Schokoladennikoläusen im Supermarkt zuvorkommen. Sondern an Friedrich Spee erinnern, von dem dieses Adventslied stammt. Und der ein heftiger Kritiker der Hexenprozesse im 17. Jahrhundert war. Heute jährt sich sein Todestag. Geboren wurde Spee 1591 in einer Adelsfamilie. Er ging aufs Gymnasium und sollte wie sein Vater Jurist und Burgvogt werden. Doch Friedrich entscheidet sich für einen anderen Weg, er möchte als Missionar nach China gehen und schließt sich deshalb den Jesuiten an. Zwar geht sein Wunsch nicht in Erfüllung, aber in Deutschland kommt er doch weit herum. Sein Orden schickt ihn nach Trier, Fulda, Würzburg, Speyer und Worms, Köln und Paderborn. Spee lehrt Moraltheologie und ist als Beichtvater und geistlicher Begleiter tätig. Immer wieder wird er versetzt, oft auch, weil er sich zu sehr um Gestrandete und Gefährdete kümmert. Aber genau diese Verbindung zwischen Lehre und praktischem geistlichen Leben zeichnet sein Leben aus. Seine Erfahrungen fließen in seine vielen Gedichte und Lieder ein, die dadurch schon mal sehr drängend werden: „O Heiland reiß die Himmel auf“, „Wo bleibst Du Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal.“ Friedrich Spee kennt die Leiden vieler Frauen und Männer, die der Hexerei angeklagt waren. Er hat Verurteilte im Gefängnis besucht und sie zum Richtplatz begleitet, sich mit Verhören und Gerichtsakten auseinandergesetzt. Das alles fließt ein in sein neben den Liedern bekanntestes Werk, die anonym herausgegebene „Cautio Criminalis“. Darin argumentiert er mit spitzer Feder gegen die Hexenprozesse seiner Zeit. Er fragt sich, warum man so mühsam nach Zauberei suche. Man findet sie doch, wenn man sich die nächsten Ordensleute, Kapuziner, Jesuiten greift und sie foltert. Wenn sie nicht beim ersten Mal gestehen, soll man sie halt noch mehrmals foltern, dann werden sie schon noch gestehen. Und wenn man so immer weiter macht, sind schließlich alle Zauberer und Hexen. Sein Grundgedanke: wenn jemand unter Folter etwas gesteht, muss dieses Geständnis nicht wahr sein.
Mich fasziniert an Friedrich Spee, dass er mit allem Engagement aus seinem Glauben heraus lebt. Das, was er lehrt, versieht er selbst mit Hand und Fuß. Er pflegt immer wieder Kranke und Verwundete und so kommt es schließlich, dass er sich bei Opfern des Dreißigjährigen Krieges mit der Pest ansteckt und am 7. August 1635 mit 44 Jahren stirbt. Er hat sein Bestes getan und kräftig Hand angelegt für die Welt, wie Gott sie für uns Menschen haben will. Für den Rest ist Gott zuständig, so wie Spee es in seinem Adventslied formuliert: „O Sonn, geh auf; ohn deinen Schein in Finsternis wir alle sein.“
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SWR2 Wort zum Tag

Seit über sechzig Jahren gibt es in dem kleinen Dorf Taizé in Burgund eine ökumenische Brüdergemeinschaft, die von Anfang an immer wieder besonders Jugendliche angezogen hat. Zu Beginn kamen diese Jugendlichen vor allem zu den Gebeten, später teilten sie auch das Leben der Brüder und halfen bei den täglichen Arbeiten mit. In den letzten Jahrzehnten nehmen Woche für Woche bis zu 5000 Jugendliche am gemeinsamen Leben in Taizé teil. Die täglichen Gebetszeiten und Bibelgespräche sowie das gemeinsame Arbeiten spielen für viele Jugendliche eine wichtige Rolle in ihrer religiösen Entwicklung.
Ein wichtiges Anliegen der Brüder in Taizé ist dabei vor allem, den jungen Menschen zuzuhören. Der Gründer der Gemeinschaft, Bruder Roger Schutz, hat gesagt, das Schönste in seinem Leben seien die Gebete, und das zweitschönste sei es, „einen Menschen im persönlichen Gespräch in seiner Ganzheit zu erkennen, sowohl die innere Dramatik (...) wie auch die unersetzlichen Gaben, durch die hindurch das Leben in Gott in einem Menschen alles vollbringen kann.“ Die inneren Konflikte eines Menschen, seine Schwächen und sein Scheitern gehören für Roger Schutz dazu, aber er möchte nicht dabei stehen bleiben, sondern möglichst schnell zu den besonderen Gaben des Gesprächspartners finden. Und er hält es für besonders wichtig, gerade in der Gemeinschaft der Kirche immer wieder zuzuhören und mitzufühlen. Als Christ kann man sich nicht mit sich selbst zufrieden geben. Sich mit Christus einzulassen ist eine Entscheidung für die Liebe. Und wer liebt, ist voll Erbarmen für die Menschen, die ihm anvertraut werden. Roger Schutz ist davon überzeugt, dass Gott jedem Menschen andere Menschen anvertraut. Und er glaubt, dass die Begleitung eines Menschen die tiefste Form der Selbstverwirklichung ist: „Je tiefer wir einen Menschen zu verstehen trachten, desto mehr lebt unser Herz auf.“
Weil sich die Fähigkeit des Zuhörens bei manchen Menschen im Alter auspräge, hält er den Dienst des Zuhörens für einen Dienst, den vor allem Ältere gut tun können. Er selbst hat es in den Anfängen seiner Gemeinschaft erlebt, wie die älteren, allein stehenden Frauen in dem kleinen Dorf in Burgund ihm zugehört und damit geholfen haben, seinen Weg zu finden. Und mit seiner Sorge für die Jugendlichen kommt er zu dem Schluss: „Es ist so wichtig, dass alte Menschen einen Jugendlichen einladen und ihn anhören, zum Beispiel einen jungen Menschen, der bis auf den Grund seiner Seele verletzt wurde, weil die engsten Beziehungen zu anderen Menschen zerbrochen sind. Wenn sie in der Stille für ihn beten, drängen sie sich damit nicht auf, und ihr Gebet ruft keine Verlegenheit hervor. Durch ihr Mitfühlen können sie, sogar ohne Worte, tiefes Vertrauen wecken: Die Vergangenheit ist in Gottes Herz versenkt, und unserer Zukunft nimmt er sich an.“
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SWR2 Wort zum Tag

Heute vor 60 Jahren wurde in dem Dorf Taizé in Burgund eine kleine Brüdergemeinschaft gegründet, die Gemeinschaft von Taizé. Genau genommen war diese Gemeinschaft schon früher entstanden und langsam gewachsen, aber an diesem Osterfest im Jahre 1949 haben sich die ersten sieben Männer verpflichtet, ihr ganzes Leben als Brüder in dieser Gemeinschaft zu verbringen. Das große Thema in Taizé ist die Versöhnung, die Versöhnung nach dem Krieg zwischen den Europäern, vor allem aber die Versöhnung zwischen den christlichen Konfessionen. Der Gründer, Bruder Roger Schutz, ist überzeugt, dass der Christenheit in Wirklichkeit eine einzige Kirche zugrunde liegt. Das bedeutet: die Einheit muss nicht hergestellt, sie muss nur entdeckt werden. Die Gemeinschaft von Taizé möchte „ein Widerschein der ungeteilten Kirche sein, (...) ständig darum bemüht, sich zu versöhnen.“ Vorbild für Bruder Roger war seine Großmutter, die – selbst evangelisch – immer die katholische Kirche besucht hat, um in sich mit der Versöhnung anzufangen. Die Brüder von Taizé wollten nicht feststellen, wer recht oder unrecht hat, sondern einfach sagen: „Versöhnen wir uns!“ Heute gehören zur Gemeinschaft evangelische, katholische und orthodoxe Männer aus 25 Nationen,
Von Anfang an ging es in Taizé darum, in Freude, Einfachheit und Barmherzigkeit den christlichen Glauben zu leben und dabei für Arme da zu sein. Der frühere Erzbischof von Paris, Kardinal Lustiger hat das mal so beschrieben: „Taizé hat die wesentliche Botschaft des Christentums entdeckt: Je mystischer ein Mensch ist, desto praktischer ist er; je mehr man für Gott ist, desto mehr ist man für den Menschen, desto mehr ist man gestimmt, sich notfalls die Hände schmutzig zu machen, um Menschen in Bedrängnis beizustehen.“
Bruder Roger waren deshalb auch die drei Gebetszeiten so wichtig und in diesen Gebetszeiten die Stille. Und die Gespräche mit den unzähligen Jugendlichen, die nach Taizé gekommen sind. Wenn er sich an erfüllte Augenblicke im gemeinsamen Leben erinnerte, dann zitierte er eine alte christliche Weisheit, die in Taizé zu einem Lied geworden ist: „Wo die Liebe ist, wo herzliche Nächstenliebe ist, da ist Gott.“
Aus diesen Erfahrungen mit Gottes Nähe schöpfte Bruder Roger, schöpfen die Menschen in Taizé immer wieder Kraft. Trotz der immer wieder erlebten Enttäuschungen und Rückschläge, Bruder Roger war sicher: „Gott verbaut niemals die Wege. Er bahnt immer wieder neue, wenn sie auch manchmal schmal sind.“ Und er macht Mut: „Wäre das Vertrauen des Herzens aller Dinge Anfang, du kämest weit, sehr weit.“
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SWR2 Wort zum Tag

Mit dem Herzen arbeiten

Heute vor hundert Jahren wurde Helder Camara geboren, ein Mann, der sich unermüdlich und auf vielfältige Weise für die Menschen in Brasilien und für die Kirche in Lateinamerika eingesetzt hat. 1931wurde er mit 22 Jahren zum Priester geweiht, von 1964 bis 1985 war er Erzbischof von Recife. In dieser Zeit organisierte er Hilfen für Arbeiterinnen, Wohnungen für Menschen in Elendsvierteln, und verschiedene Bildungsangebote. Er warb in Europa und in der Kirche für die Anliegen der so genannten „Dritten Welt“ und war maßgeblich daran beteiligt, die brasilianischen und lateinamerikanischen Bischöfe zu Konferenzen zusammenzubringen, um die Probleme ihres Kontinentes zu erörtern.
Doch hinter diesem engagierten Priester und Bischof ist ein tief spiritueller Mensch zu erkennen. Er schöpfte Kraft für sein Leben aus der Feier der Eucharistie und ließ sich mitten in der Nacht wecken, um zu meditieren.
Bei einer dieser Meditationen macht er sich Gedanken darüber, dass die Menschen nach immer mehr Kommunikation suchen. Und Helder Camara fragt: „Wo bleiben die Erfinder? Wir brauchen dringend Erfindungen, die zu Stille verhelfen, sie schützen, sie retten.“
So sehr mich das Engagement von Helder Camara beeindruckt, die Spiritualität dahinter, die Verbindung zwischen beidem finde ich noch anregender. Ich weiß, dass beides zusammengehört, dass meine Arbeit mir sicher besser von der Hand ginge, wenn ich auch mehr Stille und Gebet hätte. So scheint mir die folgende Meditation Helder Camaras direkt für mich geschrieben zu sein:
„Du bleibst armselig, solange du nicht entdeckt hast, dass man nicht mit offenen Augen am Besten sieht.
Du bleibst recht naiv, solange du nicht weißt, dass man mit verschlossenen Lippen ein Schweigen erzielen kann, viel reicher als ein Schwall von Worten.
Du bleibst solange recht ungeschickt, als du nicht einsiehst, dass man mit gefalteten Händen weit mehr bewirken kann als mit tätigen Händen, die – ohne es zu wollen – oftmals verletzen.“
Normalerweise würde ich mich gegen solche Worte sperren, weil ich das Gefühl hätte, da will mich jemand zu frommer Untätigkeit zwingen. Von Helder Camara kann ich so etwas ganz gut annehmen. Wenn ich viel tue und mich engagieren will für Menschen, gerade dann ist es wichtig, auch zu beten und zu schweigen und auf die Kraft zu bauen, die daraus erwachsen kann. Für Helder Camara bedeutet das: Egal was ich tue, „immer mit dem Herzen arbeiten und mit ganzem Herzen.“
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SWR2 Wort zum Tag

„Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“ Dieser Ausspruch stammt von Helder Camara, einem Bischof aus Brasilien. Vor zehn Jahren ist er gestorben, morgen wäre er hundert geworden. Er war fromm, ein sehr spiritueller Mensch, der viel von der Ewigkeit geredet hat. Aber diese Ewigkeit meinte er immer wieder in dieser Welt zu spüren, das war für ihn der Beginn der neuen Wirklichkeit. Für diese Wirklichkeit setzt er sich mit viel Tatkraft und Organisationstalent ein. Er hilft Arbeiterinnen, sich zu organisieren, gründet Kampagnen für Bewohner von Elendsvierteln, richtet eine Bank ein und engagiert sich für eine groß angelegte Volksbildungsbewegung. Nach der Ermordung seines Sekretärs prangert er mutig Folter und Unterdrückung durch die brasilianische Militärdiktatur an und bekommt dafür ein öffentliches Redeverbot. Man nennt ihn den „roten Bischof“ und wirft ihm immer wieder vor, Sozialist zu sein. Seine Antwort darauf: „Mein Sozialismus heißt Gerechtigkeit.“
Leider wurde auch in der Kirche viel zu wenig gesehen, dass tiefe Frömmigkeit und großes Engagement für Arme und Unterdrückte zusammen gehören. Gott begegnet uns nicht nur im rein kirchlichen Zusammenhang, in der Feier der Eucharistie, er begegnet uns auch in jedem armen Menschen. Meine Hoffnung auf ein ewiges, gutes Leben bei Gott darf mich nicht einfach vertrösten. Diese Hoffnung drängt mich, schon hier und heute aktiv für ein gutes Leben einzutreten und – wie Helder Camara es einmal ausgedrückt hat – „wie eine schlichte Wasserlache den Himmel zu spiegeln“.
Er stellt sich vor, dass Jesus in seinen Seligpreisungen auch gesagt haben könnte: „Selig, die träumen. Sie werden viele zur Hoffnung bewegen und süße Gefahr laufen, eines Tages ihre Träume verwirklicht zu sehen.“ Manche, heute immer noch aktuellen, Träume möchte Camara ständig wiederholen, damit alle sie träumen und sie bald Wirklichkeit werden. Er fordert uns auf: „Träumen wir davon, dass alle Kriege ein Ende finden! Eines Tages wird der gesunde Verstand siegen, und der Mensch wird aufhören, (...) das Leben auf der Erde total zu zerstören. Träumen wir von einer gerechteren und menschlicheren Welt, in der es weder Besiegte noch Sieger, weder Unterdrückte noch Unterdrücker gibt. Geist Gottes, schenk allen Menschen Träume. Aber keine trügerischen (...) Träume. Schenk Ihnen schöne Träume, Träume, die morgen Wirklichkeit werden!“

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SWR2 Wort zum Tag

Gäbe es eine innerbiblische Bestsellerliste, Lukas würde wohl einen der vorderen Plätze belegen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass er der Verfasser der Weihnachtsgeschichte ist. Dieser Lukas ist generell ein großer Erzähler: Statt in theologischen Formulierungen versucht er in Geschichten und Gleichnissen zu vermitteln, worum es eigentlich geht bei diesem Jesus von Nazareth. Und er kommt dabei recht modern daher. Wie die Menschen heute waren schon seine Leser oder Zuhörer keine Jüngerinnen und Jünger der ersten Stunde. Sie waren auch keine Armen und Außenseiter mehr, die jeden Moment damit rechneten, dass Christus wiederkommt und das Reich Gottes errichtet. Deshalb musste Lukas die Botschaft Jesu alltagstauglich machen. Er musste sich beispielsweise dem Problem widmen, wie man einerseits in der Welt leben – vielleicht sogar wirtschaftlich erfolgreich –und andererseits den Ansprüchen Jesu gerecht werden kann. Dabei passt Lukas die Botschaft Jesu nicht einfach an den herrschenden Zeitgeist und den vorhandenen Wohlstand an. Im Gegenteil: er ist derjenige im Neuen Testament, der den Reichtum am heftigsten kritisiert. Immer wieder warnt er, nicht darin zu versinken, z. B. mit Worten wie: „Weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; ihr werdet klagen und weinen.“ Und Lukas illustriert die Warnung mit einem Gleichnis: Ein reicher Mann lebt in Freuden und genießt seinen Reichtum, während ein armer Mann namens Lazarus vor seiner Tür liegt und hungern muss. Beide sterben irgendwann. Nun wird Lazarus von Engeln in den Himmel getragen, während der Reiche im Totenreich ausharren muss. Als der Reiche sich wünscht, Lazarus möge sein Dasein etwas erleichtern, bekommt er zu hören: „Das geht nicht. Lazarus wird für sein irdisches Leben getröstet, du hast schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten und musst jetzt leiden.“
Man könnte meinen, die Reichen wären verloren, aber Lukas will vor allem mahnen und drängen: Manchmal ruft er dazu auf, ganz auf Besitz zu verzichten, manchmal fordert er wenigstens Wohltätigkeit und den Einsatz für die Armen. „Sammelt nicht Schätze hier auf der Erde “, sagt er, „sammelt Schätze im Himmel.“ Ich glaube, Lukas wollte schon damals klar machen: Ihr könnt Jesus nicht gerecht werden, wenn ihr nicht für Arme und Ausgegrenzte da seid. Und ich glaube, genau das ist heute wieder aktuell: Unsere Wirtschaft und unser Wohlstand sind nicht ungefährdet. Wenn wir darüber aber die Menschen und Völker vergessen, die noch ärmer sind, dann – so würde Lukas wahrscheinlich heute schreiben – gefährdet der Wohlstand uns.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4686
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SWR2 Wort zum Tag

Die Erfahrungen mit Gott, von denen die Bibel berichtet, sind nicht eindeutig. Mal erzittern Menschen in Furcht vor Gott, mal erleben sie, dass sie Gott vertrauen dürfen, dass er sie rettet. Heute ist Angst vor Gott nicht mehr so weit verbreitet, Menschen reden eher von Schicksalsschlägen und Naturkatastrophen. Dafür setzen sie andererseits auch nicht all ihr Vertrauen in Gott und versuchen, möglichst viel selbst zu kontrollieren. Dennoch: Angst und Vertrauen gehören zum Leben dazu. Sie kommen in jeder Beziehung vor, auch in der zwischen Gott und den Menschen
Furcht und Vertrauen in Bezug auf Gott thematisiert auch der Evangelist Lukas. Anscheinend erleben seine Zuhörer bedrängende Zeiten, sie müssen vielleicht um ihr Leben fürchten. Da zitiert Lukas Jesus, der den Jüngern zuruft: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, euch aber sonst nichts tun können. Fürchtet Euch vor dem, der nicht nur töten kann, sondern dessen Macht noch über den Tod hinausgeht. Ja, das sage ich euch: Ihn sollt ihr fürchten.“ Das ist beinahe schon Galgenhumor: Wenn ihr schon Angst habt, dann sucht euch wenigstens den richtigen Grund dafür. Die Macht von Menschen hört irgendwann auf, Gottes Macht dagegen ist grenzenlos. Daraus leitet Jesus ab, dass die Jünger auf Gott vertrauen können, und er vergleicht sie mit Spatzen. Fünf Spatzen sind nur ein paar Pfennig wert, und Gott vergisst keinen von ihnen. „Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch nicht! Ihr seid viel mehr wert als viele Spatzen.“
Diese Worte im Lukasevangelium sind konkret für Menschen bestimmt, die von Jesus und seiner Botschaft erzählen, und deshalb in Bedrängnis geraten. Ihnen gibt Jesus mit auf den Weg, dass Gott sie nicht im Stich lässt.
Aber gilt das nur, wenn ich mich als Missionar betätige? Oder kann man dieses „Hochrechnen“ von den Spatzen auf die Jünger auf alle Menschen ausdehnen? Und wie passen da die vielen Menschen hinein, die gerade nicht das Gefühl haben, dass Gott für sie sorgt?
Auf die Fragen weiß ich erst mal keine Antwort. Ich lese nur sehr häufig in der Bibel, dass ich mich nicht fürchten soll, weil Gott bei mir ist. Mir scheint, dass in der Bibel das Vertrauen ein deutliches Übergewicht hat. Und ich selber vertraue – zumindest im Moment – auf diese Zusage. Die Hoffnung und vielleicht auch die Furcht, dass bei Gott sehr viel mehr möglich ist, als ich mir vorstellen kann, weckt in mir so etwas wie ernste Zuversicht.
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