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SWR2 Wort zum Tag

Jesus in schlechter Gesellschaft – dieser Buchtitel aus dem Jahr 1971 paßt in die Adventszeit. Denn in diesen Wochen lenkt die Bibel den Blick auf die Vorfahren Jesu, und da stößt man auch auf viele Geschichten von Blut und Tränen. Die Ahnenreihe Jesu ist wie ein Vorspann zur Weihnachtsgeschichte. Eine der Frauen in dieser Reihe ist Batseba. Im Alten Testament, im 2. Buch Samuel finden wir ihre Geschichte. Batseba - so heißt es - nimmt an einem Spätsommerabend ein Bad auf dem Dach ihres Hauses. König David beobachtet sie, sie gefällt ihm, und er erkundigt sich nach ihr. Dabei erfährt er, daß sie die Frau des Offiziers Urija ist, eines ausländischen Söldners in seinem Heer. Trotzdem lässt er sie zu sich holen. Batseba wird schwanger. David versucht nun, ihrem Mann Urija das Kind unterzuschieben. Als das misslingt, schickt David Urija zurück in den Krieg, in die vordersten Linien, und sorgt dafür, daß er fällt. Batseba klagt um ihren Mann. Nach der Trauerzeit holt David sie in den Palast und sie gebiert einen Sohn. Doch das Kind stirbt. Wiederum trauert Batseba. David tröstet sie, und abermals bringt Batseba einen Sohn zur Welt: Salomon. Die Eltern lieben ihn sehr, und Batseba setzt alles daran, daß er König in Israel wird. Da David noch andere Söhne hat von seinen weiteren Frauen, geht dies nicht ohne Blutvergießen. Entschlossen und klug, ja raffiniert, mischt Batseba mit. Sie erreicht, was sie will: Salomon wird König, und er läßt ihr einen zweiten Thron aufstellen neben dem seinen. Schließlich bringt sie ihn dazu, noch seinen letzten Halbbruder zu töten. Nun kann niemand  mehr ihrem Sohn den Thron streitig machen. Mit Salomo geht die Ahnenreihe Jesu weiter.

Eine Adventsgeschichte besonderer Art. Eine Vorgeschichte zur Geburt Jesu. Bedeutet das, daß Jesus Ja sagt zu Ehebruch, Mord und Machtgier? Sicher nicht. Aber daß er Ja sagt zu uns Menschen, zu denen all dies gehört. Etliche Vorfahren Jesu haben ähnliche Lebensläufe wie David und Batseba. Jesus scheut offenbar unsere schlechte Gesellschaft nicht. Und unsere Geschichte von Blut und Tränen und Schuld führt uns nicht von Gott weg, sondern geradewegs auf ihn zu.

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SWR2 Wort zum Tag

Das Neue Testament fängt an mit einem Stammbaum Jesu. 42 Generationen umfasst er, mit den erstaunlichsten Personen. Eine der wenigen Frauen darin ist Rahab, die Ururgrossmutter des Königs David. Sie gehört nicht zum Volk Israel, sondern ist Bewohnerin von Jericho. Und das genau zu der Zeit, als die Israeliten ihren langen Weg durch die Wüste beendet haben, und mit heftigen Kämpfen das Land Kanaan einnehmen. Da ist Jericho strategisch sehr wichtig. Rahab ist eine Prostituierte in Jericho. Zu ihr kommen 2 Kundschafter der Israeliten, um den Sturm auf Jericho vorzubereiten. Zwar stellt der König von Jericho ihnen nach, doch Rahab versteckt die zwei auf dem Dach ihres Hauses und verhilft ihnen dann listig zur Flucht. Zuvor lässt sie sich von den beiden versprechen, ihr Haus und ihre Familie zu schonen, wenn sie die Stadt einnehmen werden. Als Zeichen vereinbaren sie eine purpurrote Schnur, die Rahab ans Fenster bindet.

Tatsächlich nehmen die Israeliten Jericho ein, zerstören es, töten die Bewohner und verschonen Rahab und ihre Familie. So erzählt es das biblische Buch Josua. Wörtlich heißt es dort im 6 Kapitel: „Nur die Dirne Rahab und die Familie ihres Vaters und alles, was ihr gehörte, ließ Josua am Leben. So wohnt ihre Familie bis heute mitten in Israel, denn Rahab hatte die Boten versteckt“ (6,25).

Jahrhunderte später taucht Rahab im Matthäusevangelium auf, und zwar als eine der Ahnfrauen Jesu. Da findet sich also im Stammbaum Jesu eine Prostituierte, eine Fremde, eine Verräterin, die vielleicht keine andere Wahl hatte, eine die hineingehört auch in die endlose blutige Geschichte Israels und Palästinas. Sie hat damals die politische Lage klug eingeschätzt und sich und ihre Sippe vor dem Untergang bewahrt. Rahabs Familie und die Israeliten konnten sogar zusammenleben.

Mit dem Stammbaum Jesu beginnt das Neue Testament. Gleich danach erzählt der Evangelist Matthäus die Geburt Jesu. Dieser Stammbaum ist also seine Adventsgeschichte. Als Ahnfrau Jesu gehört Rahab nach biblischem Denken zu denen, die Jesus den Weg bereitet haben. Sie ist Mitglied der Familie Jesu. Das kann kein Zufall sein.

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SWR2 Lied zum Sonntag

„Wie soll ich Dich empfangen“. So lauten die Anfangsworte eines Liedes von Paul Gerhardt, verfasst 1647. Und die Frage bezieht sich auf Gott: „Wie soll ich dich empfangen, und wie begegn ich dir, Du aller Welt Verlangen und meiner Seele Zier.“ Ein Mensch erwartet Gott und fragt: wie kann ich dich denn begrüßen? Wie soll ich dich willkommen heißen?

In dem Lied liegt eine eigenartige Spannung: es ist klar, dass Gott da ist – gleichzeitig erwartet ihn der Mensch, der hier betet und singt. Mir geht es ähnlich: oft schon habe ich Weihnachten gefeiert, und trotzdem jedes Jahr wieder Advent, die Zeit, in der ich mit Liedern und Kerzen und Nachdenken die Sehnsucht nach Gott besonders stark spüre. Wie kann ich Gastgeberin sein für Dich, der Du schon längst da bist? Wie empfange ich Dich, der du mich und die Welt doch schon längst umfängst? Paul Gerhardt bittet den Gast selber, ihn beim Vorbereiten zu erleuchten: „O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei, Damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.“ So dichtet er. Und spricht dann immer wieder davon, wo er Gott rettend und nahe erlebt hat.

Und noch eine Spannung liegt in diesem Lied: da ist dieser Mensch, der so gut er nur kann, Gottes Gastgeber sein will und gleichzeitig weiß: Gott kommt, Gott ist da, weil er selber es will, weil es ihn unwiderstehlich hinzieht zu uns Menschen.

Nichts, nichts hat dich getrieben
Zu mir vom Himmelszelt
Als das geliebte Lieben,
Damit du alle Welt
In ihren tausend Plagen
Und großen Jammerlast,
Die kein Mund kann aussagen,
So fest umfangen hast.
Paul Gerhardt hat seine Weise gefunden, wie er Gott empfangen möchte. Dabei erinnert er sich an Jesu Einzug in Jerusalem, als die Menschen ihn mit Palmzweigen begrüßt haben:

Mein Herze soll dir grünen
In stetem Lob und Preis
Und deinem Namen dienen,
So gut es kann und weiß.

Strophe 1 und 2

Musik 1: Wie soll ich Dich umfangen? Instrumentalfassung zum Mitsingen, „Aus meines Herzens Grunde“ SWR2/Carus, CD 1, Track 13

 

Musik2: (SWR2/Carus 83.015, CD1, 13, Str 1 und 2, 1’30)

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SWR1 3vor8

„Der goldgekrönte Christus“, so heißt ein koreanisches Theaterstück. Da steht vor einer Kirche eine Jesusstatue aus Zement mit einer Krone aus echtem Gold. Bettler sitzen davor. Ein Priester und ein Geschäftsmann gehen achtlos vorbei, ein Polizist versucht sogar, die Bettler zu vertreiben. Einer der Bettler fängt an, auf die Statue zu schimpfen: „Was für eine Verwandtschaft kann zwischen diesem Zementklotz und mir bestehen?“ Er greift nach der Goldkrone und versucht sie zu stehlen. Da beginnt die Statue zu weinen. Sie sagt zum Bettler: „Du hast mich aus meinem Gefängnis befreit! Nimm die Goldkrone! Für mich ist eine Dornenkrone gut genug! Nimm das Gold, und verteile es!“ Das Stück endet damit, daß der Priester, der Geschäftsmann und der Polizist zurückkehren, dem Bettler die Krone entreißen und ihn verhaften. Jesus wird wieder zu ausdruckslosem Stein.[1]

Für mich trifft dieses Theaterstück das Herz des Evangeliums. Es bringt auf den Punkt, was auch im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums pointiert gesagt wird. Da identifiziert sich Jesus mit Menschen, die hungern, dürsten, nichts zum Anziehen und kein Dach über dem Kopf haben, mit Fremden, Kranken und Gefangenen. Er sagt den Leuten: „Was Ihr einem von denen getan habt, das habt Ihr mir getan.“ „Und was ihr einem von denen nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Er sagt nicht: Das habt Ihr für mich getan, sondern viel stärker, viel direkter: das habt ihr mir getan. Jesus selber begegnet uns in den Hungernden, heißt das, in den Dürstenden, Kranken, Fremden. Ich kann das schwer begreifen. Aber ich versuche immer wieder, so zu handeln, zusammen mit vielen andern. Mit Frauen und Männern in Tafelläden, mit Gefängnisseelsorgern und Sternsingern, mit Gruppen, die Flüchtlinge begrüßen. Damit Menschen geholfen wird und damit wir Jesus nicht bloß auf den Sockel stellen.



[1]  vgl. Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus I/3 Zürich 1997, 523 

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SWR2 Wort zum Tag

Für manche ist Toleranz ein hohes Ideal, für andere ein Ausdruck von Schwäche. Für Christen ist Toleranz seit 2000 Jahren ein brisantes Thema. Zunächst mussten sie für sich selbst darum kämpfen, um die Freiheit, ihren neuen Glauben zu bekennen, auch öffentlich, und darum, nicht zu religiösen Praktiken gezwungen zu werden, die sich mit ihrem Glauben nicht vertrugen, z.B. zum Kaiserkult. Um 200 schrieb der Theologe Tertullian: „Jedoch ist es ein Menschenrecht und eine Sache natürlicher Freiheit für jeden, das zu verehren, was er für gut hält“.

Leider haben die Christen solche Sätze später weitgehend vergessen. Im 4. Jahrhundert wurde das Christentum politisch toleriert und war sogar Staatsreligion. Und jetzt unterdrückten Christen mit staatlichen Mitteln die altrömischen Kulte sowie neu auftretende religiöse Gruppen. Bis in die frühe Neuzeit hinein wurden so auch Frauen und Männer aus den eigenen Reihen verfolgt und sogar getötet. Zum Beispiel Jan Hus beim Konzil von Konstanz vor genau 600 Jahren.

Religiöse Toleranz war und ist auch ein politisches Thema. Wie weit müssen Menschen religiös übereinstimmen, damit sie zusammenleben können? In Europa war in dieser Hinsicht das 16. Jahrhundert besonders brisant. Kirchenspaltung und Religionskriege haben gezeigt, dass die konfessionelle Einheit unwiederbringlich verloren war. Sie ließ sich auch durch Zwang nicht aufrechterhalten. Verträge wie z.B. der Westfälische Friede von 1648 regelten zumindest das gleichberechtigte Nebeneinander von Protestanten und Katholiken. Der Gedanke, dass Religionsfreiheit ein Menschenrecht ist, hat sich dann erst im 18. Jahrhundert weiter durchgesetzt. Und 1965 erst erklärte die katholische Kirche durch das Konzil feierlich, „dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat“.

So ist der moderne Toleranzgedanke nicht denkbar ohne die christlichen Kirchen. Er hat sich zumindest in Europa entwickelt und weitgehend durchgesetzt sowohl gegen die Kirchen als auch mit ihrer Hilfe. Und heute? Damit, daß wir uns gegenseitig tolerieren, ist viel gewonnen. Aber wir dürfen nicht stehen bleiben beim pragmatischen Dulden. Toleranz ist etwas Lebendiges. Sie gelingt nur, wenn wir immer wieder miteinander reden und aufeinander hören. Interessiert und wertschätzend. Mit einer eigenen Position und bereit sich anfragen zu lassen. 

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SWR2 Wort zum Tag

„Und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen“, so lautet einer der tröstlichsten Sätze der Bibel. Er steht im letzten Buch des Neuen Testaments, der Geheimen Offenbarung des Johannes, sie wird auch Apokalypse genannt. Ein unbekannter Verfasser hat dieses Buch geschrieben, um das Jahr 100 nach Christus. Hintergrund sind wohl schwere Christenverfolgungen unter dem römischen Kaiser Domitian. Domitian verlangte, daß alle seine Untertanen ihn als Gott verehrten. Viele, die sich geweigert haben, diesen Kaiserkult zu vollziehen, wurden gefoltert und umgebracht.

„Und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen“, dieser Satz, den ich heute als sehr persönlich empfinde, war damals auch ein politischer Satz. Er bedeutete nämlich: Nicht der Kaiser hat das letzte Wort und die größte Macht, sondern Gott. Und Gott nimmt alles wahr, was Ihr jetzt leidet, und er will und kann die geschundenen Menschen trösten.

Ob er auch die Opfer in unsern heutigen Kriegen und Bürgerkriegen trösten wird, auf der ganzen Welt? Die Opfer von Herrschern, Terrorgruppen und Wirtschaftskartellen, die Opfer all derer, die sich um ihrer eigenen Macht willen zum Schicksal anderer machen? Ich finde, dieser Satz aus der Bibel verspricht genau das. Daß Gott im massenhaften Leid das persönliche Leid sieht, die Tränen im Gesicht jedes und jeder einzelnen. Immer wieder versuchen Menschen, sich an die Stelle Gottes zu setzen. Heute nicht mehr, indem sie religiöse Verehrung für sich fordern. Aber indem sie sich zu Herren machen über das Schicksal anderer, über ihre Lebensumstände und auch über ihr Leben überhaupt. Daß die Macht von Menschen über Menschen nicht grenzenlos ist – davon spricht jener unbekannte Verfasser um 100 nach Christus.

 

Immer wieder haben Menschen diesen tröstlichen Satz aber auch in andern Situationen auf sich bezogen, bei Krankheit, schmerzhaftem Abschied, Verlust. Es steckt nicht das Versprechen darin, verschont zu sein. Die Tränen werden geweint. Aber es gibt einen, der sie sieht und der sie abwischt, irgendwann oder auch bald.

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SWR2 Wort zum Tag

Allerseelen und Allerheiligen – das ist Ostern im November. Diese Tage, die wir heute vor allem mit Tod und Trauer verbinden, haben im Grunde einen sehr hoffnungsvollen Inhalt. Allerheiligen zum Beispiel geht schon zurück ins 4. Jahrhundert und wurde ursprünglich in der Osterzeit gefeiert, ein Fest voller Freude und Zuversicht, daß die Heiligen in Gemeinschaft mit Gott leben.

Um 800 ist das Fest auf den 1. November gewandert. Allerheiligen war jetzt wie ein Lichtschimmer in der dunklen Jahreszeit. In unseren Breiten erleben wir in dieser Zeit ja vor allem das Sterben und Vergehen in der Natur, der Blick auf die Heiligen sollte die Hoffnung auf neues Leben stärken.

Heilige – das sind Modelle eines geglückten Lebens. Menschen, die auf der Erde gelebt, gelitten, geliebt, gezweifelt und gehofft haben, und von denen die Kirche glaubt, daß sie in der unverlierbaren Gemeinschaft mit Gott leben. Daß sie erreicht haben, was Gott sich für jeden Menschen wünscht. Das ist ja Ostern. Das ist es, was die Auferstehung Christi uns ermöglicht. Menschen können erreichen, was Gott sich gedacht hat, als er sie ins Leben rief. Viele hat die Kirche im Lauf der Jahrhunderte für heilig erklärt, bis heute. Aber nicht nur ihnen gilt das Fest Allerheiligen, sondern auch denen, die heilig sind, ohne von der Kirche heiliggesprochen zu sein. Alle diejenigen, die unauffällig und unspektakulär etwas vom Evangelium verwirklicht haben, im Sinne von Roger Schutz, dem Prior der ökumenischen Gemeinschaft in Taizé. Der hat einmal einem suchenden Menschen gesagt: „Lebe das wenige, das du vom Evangelium verstanden hast.“

In einem der liturgischen Gebete an diesem Tag heißt es: „Gott, im Himmlischen Jerusalem loben dich auf ewig... unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind.“

Allerheiligen ist also ein Fest, das Vergangenheit und Zukunft umfasst. Es verbindet uns mit den Menschen, die vor uns gelebt haben, und schenkt uns einen Ausblick auf die Zukunft: Glaube an das Ostern für Dich, habe Vertrauen, dass dein Leben sich in Gott vollendet.

Auch wenn viel Scheitern darin ist, auch wenn vieles Angefangene nicht fertig wird. Leben kann glücken.

 

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SWR2 Wort zum Tag

Vielleicht träumen Sie auch manchmal, es gäbe keinen Tod. Das ist ein so faszinierender Gedanke, verlockend und erschreckend. Nicht nur, weil die Welt bald überfüllt wäre. Die Lebenszeit wäre dann nicht mehr kostbar. Und es könnte nichts vergehen, auch nichts Schlimmes. Ich träume trotzdem immer wieder vom Leben ohne Tod. Der christliche Glaube und die Bibel sind da allerdings nüchterner. Sie benennen die Tatsache, daß wir sterben müssen, und sie fordern dazu auf, die Toten nicht zu vergessen. Der Mensch stirbt unweigerlich, aber nichts und niemand kann ein Leben ungeschehen machen. Und jeder ist es wert, dass man sich seiner weiter erinnert und sich weiter mit ihm verbunden fühlt.

Gerade gestern am Allerseelentag haben sich wieder viele Menschen an ihre Toten erinnert und damit gezeigt: Wer tot ist, ist nicht vergessen, nicht von den Lebenden und nicht von Gott.

Jedes Jahr am Allerseelentag nennen viele Gemeinden im Gottesdienst die Namen derer, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Vorher wird ein Abschnitt aus dem Johannesevangelium gelesen. Da heißt es: „Jesus sagte zu seinen Jüngern: Euer Herz sei ohne Angst. Glaubt an Gott und glaubt an mich.... Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen ... Wenn ich hingegangen bin und euch einen Platz bereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen.“ (Joh14)

Allerseelen – an die Verstorbenen denken, daran denken, was sie uns bedeutet haben. Glauben und hoffen, dass Gott ihr Leben würdigt – mit dem Guten und dem Schlechten, glauben und hoffen, dass auch ich im Tod nicht vergessen bin, nicht von Gott und nicht von den Menschen.

Ein weiterer Gedanke gehört zu diesem Tag: Indem wir für unsere Toten beten, können wir sie bewusst Gott anvertrauen. Vielleicht ist inzwischen Zeit vergangen, so dass wir jetzt das Leben ohne sie in die Hand nehmen können. An sie denken können wir dabei weiterhin.

Manche und mancher darf sich endlich auch von einem Menschen lösen, mit dem es schwer war im Leben.

Denn Allerseelen ist ein Tag, der den Verstorbenen gilt und den Lebenden dient.

 

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SWR2 Wort zum Tag

Endlich streiten sie mal richtig! Kardinäle und Bischöfe haben in Rom offenbar heftig diskutiert über Familie, Ehe und Partnerschaft. Da kamen auch Partnerschaften, bei denen eine oder einer geschieden ist, positiv in den Blick. Auch sie sind wertvoll und können sogar „etwas von der Heiligkeit der Ehe abbilden“, So die Synode. Gleiches gilt für sogenannte Patchworkfamilien oder Partnerschaften ohne Trauschein. Etliche Bischöfe und Kardinäle haben den Blick auch auf die Treue und Liebe lesbischer und schwuler Paare gelenkt. Und immer wieder war die Situation von Menschen im Blick, die nach einer Scheidung wieder heiraten. Endlich wurde laut und deutlich in einem hohen kirchlichen Gremium gefragt, ob es tatsächlich der Unauflöslichkeit der Ehe dient, wenn wiederverheiratete Menschen und auch deren neue Partner nicht zur Kommunion gehen dürfen. Nicht alle diese Überlegungen sind auch in den Schlußbericht der Synode eingegangen. Aber daß da gerungen wurde, ist offensichtlich. Die Bischöfe und Kardinäle sind „raus aus der Komfortzone“, so hat es Ute Eberl, die einzige deutsche Zuhörerin, gekennzeichnet.

Für mich zeugt das von Verantwortungsbewusstsein. Daß die Kirche deutlicher wahrnimmt, was ist, aber nicht einfach ihren Segen dazu gibt, wenn menschliches Verhalten sich ändert. Es zeugt für mich von Vertrauen in den Heiligen Geist. Vielleicht haben die Bischöfe erkannt, daß die Kirche keine Insel der Seligen ist und kein Fels in der Brandung, wo man genau und sicher weiß, was für die Menschen gut und was Gottes Wille ist. Mich ermutigt, was Papst Franziskus zum Ende der Synode gesagt hat:

„Eine Kirche, die für die Menschen da sein will, die bückt sich. Die bückt sich, um die Lebenswirklichkeiten wahrzunehmen – und schaut nicht zuerst mit der Brille des Kirchenrechts. Das hat nichts damit zu tun, ‚die Melodie der Welt‘ nachzupfeifen, das hat damit zu tun, bei den Menschen zu sein.“ Und Papst Franziskus fährt fort: „Vielleicht macht eine Kirche, die dient, manchmal auch Fehler in ihrem pastoralen Engagement. Aber wer dient, der hat auch keine weiße Weste an, sondern der trägt eine Schürze. Das kann man nachlesen im Evangelium von der Fußwaschung, da hat Jesus auch eine Schürze getragen.“

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SWR2 Lied zum Sonntag

1. Erfreue dich, Himmel, erfreue dich, Erde;
erfreue sich alles, was fröhlich kann werden.
Auf Erden hier unten, im Himmel dort oben:
den gütigen Vater, den wollen wir loben. 

Ein passendes Lied zum Erntedank ist das. Ursprünglich war es aber ein Weihnachtslied.

„Auf Erden hier unten, im Himmel dort oben
das Kindlein im Krippelein wollen wir loben“.

So steht es im Straßburger Gesangbuch von 1697. Ausgangspunkt war damals ein Satz aus der Weihnachtsliturgie: „Es freue sich der Himmel, und die Erde frohlocke vor dem Angesicht des Herrn, denn er ist gekommen.“

Sehr viel später, im Jahr 1963 hat die Theologin und Schriftstellerin Marie Luise Thurmair 4 Strophen hinzugedichtet, und die Freude ausgeweitet auf die ganze Schöpfung. Das Lied wurde so zu einem Lob- und Danklied mit vielen Motiven aus dem Psalm 148.

Der ist reich an Details, die das Lied mit offensichtlicher Freude aufnimmt.

2. Ihr Sonnen und Monde, ihr funkelnden Sterne,
ihr Räume des Alls in unendlicher Ferne: 

3. Ihr Tiefen des Meeres, Gelaich und Gewürme,
Schnee, Hagel und Regen, ihr brausenden Stürme:

 4. Ihr Wüsten und Weiden, Gebirg und Geklüfte,
ihr Tiefen des Feldes, ihr Vögel der Lüfte: 

5. Ihr Männer und Frauen, ihr Kinder und Greise,
'ihr Kleinen und Großen, einfältig und weise:

Auf Erden hier unten, im Himmel dort oben:
den gütigen Vater, den wollen wir loben.

Der Gedanke, daß die Schöpfung jubelt, darin wir Menschen jeden Alters, mit hohem oder niedrigem IQ, der hat etwas Mitreißendes. Im gemeinsamen Loben des Schöpfers ist alles Trennende aufgehoben. Jubeln und sich freuen verbindet. Es beheimatet mich in allem, was ist. In einem andern Lied heißt es: „Alles, was Atem hat, lobe den Herrn“, aber unser Lied geht darüber noch hinaus: Nicht nur alles, was atmet, sondern alles, was existiert, soll den Herrn loben, auch die Elemente und Gestirne und Landschaften. Indem das Lied sie zum Lob des Schöpfers auffordert, lobt es den Schöpfer schon. Und dieses Loblied ist zugleich ein Bekenntnis: Es sagt aus: die Elemente und Gestirne sind keine Gottheiten, sondern auch sie sind Geschöpfe, geschaffen von dem einen Gott. Und noch mehr: Alles was ist, ist Schöpfung. Nichts existiert aus sich heraus, alles verdankt sich dem einen Schöpfer, den es anzuerkennen gilt. „Loben sollen sie den Namen des Herrn; denn er gebot, und sie waren erschaffen.“ (148,5) So heißt es im Psalm. Und unser Lied fasst in der letzten Strophe noch einmal alles zusammen: 

6. Erd, Wasser, Luft, Feuer und himmlische Flammen,
ihr Menschen und Engel, stimmt alle zusammen:

Auf Erden hier unten, im Himmel dort oben:
den gütigen Vater, den wollen wir loben.

(Regensburger Domspatzen, Leitung: Roland Büchner, Orgel: Thomas Aumer. Chormusik zum Gotteslob. Carusverlag 2.16099; Take 26,   1’10)

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