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SWR4 Abendgedanken BW

„Wo 20 Teufel sind, da sind gewiss auch 100 Engel. Wenn das nicht so wäre, dann wären wir schon längst zugrunde gegangen." Von Luther stammt dieser Satz, und er klingt ziemlich optimistisch. Gegenüber den Teufeln sind fünfmal soviel Engel aktiv. Da kann eigentlich nicht viel schief gehen. Wichtig ist nur, dass die Engel in ihrer Überzahl auch zum Einsatz kommen.

Man braucht nicht an den Teufel zu glauben, so wie man es im Mittelalter getan hat, als man sich den Teufel in einer bestimmten Schreckensgestalt vorgestellt hat. Aber Erfahrungen mit dem Bösen haben wir täglich. Ich mache Erfahrungen mit Menschen, die mir schaden wollen, die mich betrügen und mich bedrohen. Ich mache Erfahrungen mit Ereignissen, für die niemand etwas kann und die doch Leid und Not über Menschen bringen.  Vieles trifft uns, was wir nicht erklären können und wo die Frage nach dem Warum keine Antwort findet. Der alte Satz in der Bibel, der am Ende der Sintflut steht, gilt noch immer: „das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf." Trotzdem gilt der Satz Luthers, dass die Macht des Guten immer wieder stärker ist. Wo 20 Teufel sind, da sind gewiss auch 100 Engel. Diese Überzeugung ist wichtig für mich, sonst könnte ich die Schläge des Bösen kaum aushalten und würde verzweifeln über der Not und dem Elend in der Welt.

Luther lebte in der Überzeugung, dass Gottes Macht stärker ist als die des Bösen. Belege dafür nahm er aus vielen biblischen Erzählungen. Das ganze Leben Jesu  ist ja ein ständiger Kampf gegen das Böse, gegen Krankheiten, gegen Hunger, gegen Todesdrohung, gegen menschliche Bosheit und Unbarmherzigkeit. Und als am Ende dieses Lebens das Böse und der Tod siegen, da ist das gerade nicht das Aus. Am Ende erzählen die Menschen, die ihm nahe standen, von seiner Auferstehung. Sein Leben war stärker als der Tod. Darum ist Ostern das erste und älteste Fest der Christen

Daraus schöpfen bis heute Menschen immer wieder ihr Zuversicht: wo 20 Teufel sind, da sind  gewiss auch 100 Engel.

Dass die Teufel aktiv sind, das erleben wir täglich. Dass auch die Engel präsent sind, sollten wir  nicht vergessen. Ich finde, sie geben einem die Kraft, Wunden zu heilen und barmherzig zu sein zu denen, die leiden. Sie geben einem Trost und Zuversicht, dass wir begleitet werden. Wenn es nicht gleich 100 Engel sind, die uns zur Seite stehen, so ist auch ein einziger genug.

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SWR4 Abendgedanken BW

Es ist ein besonderes Glück, wenn man erfährt, dass man gebraucht wird. Wenn mir ein befreundeter oder in Liebe verbundener Mensch sagt: ich brauche dich, dann gibt es kaum etwas Schöneres. Ich weiß, dass ich wichtig bin für den anderen. So verstehe ich dieses Signal: ich brauche dich.

Um so schlimmer ist es, wenn man von einem anderen zu hören bekommt: ich brauche dich nicht, oder: ich brauche dich nicht mehr. Da erwischt es mich kalt, da werde ich einsam. Da bleibe ich allein mit der Frage. Wozu bin ich eigentlich noch da, wenn ich nicht mehr gebraucht werde? Es ist ein Unglück, wenn niemand mich braucht. Das spüren beispielsweise viele Menschen, wenn sie ihre Berufsarbeit beenden und nun im Ruhestand oder in einer Krankheit erleben, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Oder wenn ein Mensch seinen Partner, seine Partnerin verloren hat und nun niemand mehr da ist, für den er oder sie da sein kann. Wir leben davon, dass wir andere brauchen und dass andere uns brauchen.

Ein ebenso großes Unglück ist es aber, wenn man nur für einen bestimmten Zweck gebraucht wird. Wenn ein Mensch merkt, dass er nur benutzt wird, dass er Instrument für einen anderen ist, damit der zu seinem Ziel kommt, dann fühlt er sich missbraucht und ausgenutzt. Dann ist er in seiner Würde verletzt. Denn dann ist er zu einem Ding, zu einem Instrument, zu einem Mittel für einen bestimmten Zweck geworden.

Ich brauche dich - dieser Satz ist ein Ausdruck des Vertrauens und der Zuneigung. Er ist ein Zeichen meiner Bereitschaft, mit meiner ganzen Person zu der Gemeinschaft mit anderen zu gehören. Du bist wichtig, du wirst gebraucht - das sollte ich manchmal anderen sagen, die meinen, niemand brauche sie mehr, sie seien zu alt oder zu unerfahren. Vielleicht trauen sie sich einfach nicht, für andere da zu sein. Dabei werden sie doch gebraucht. Ich sollte manchmal einfach mutiger zu sein, anderen zu sagen: Sie werden gebraucht.

Ich brauche dich - das kann ich auch immer wieder zu Gott sagen. Ich brauche die Zuwendung und Begleitung Gottes.  Denn ich bin angewiesen auf ihn, ich brauche seine Begleitung an guten und bösen Tagen. Und ich glaube auch, das Gott mich braucht. Er braucht Menschen, die ihn lieben, die ihm vertrauen, die  anderen Menschen von ihm erzählen. Das ist ein Zeichen der lebendigen Beziehung, wenn man andere braucht und von anderen gebraucht wird. Diese lebendige Beziehung brauche ich zu anderen Menschen und zu Gott.

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SWR4 Abendgedanken BW

Nicht nur die bedeutenden Persönlichkeiten sind wichtig. Sondern oft sind es gerade die, die nicht auffallen, die man kaum wahrnimmt, die scheinbar nichts zu sagen haben, die für unsere Gemeinschaft und für unser Leben eine entscheidende Rolle spielen. Dass sie wichtig sind, merkt man oft erst, wenn sie fehlen.
Die Bahnhofsmission am Hauptbahnhof ist eines morgens geschlossen, es gibt weder einen Kaffee noch eine Möglichkeit zum Übernachten. Die einzige Mitarbeiterin ist krank geworden. Nun merken nicht nur die, die Hilfe brauchen, sondern auch die katholische und die evangelische Kirche, die die Bahnhofsmission  tragen, wie sehr diese kleine Einrichtung zu Bahnhof und zu den vielen Reisenden gehört.

So ist das auch in unseren Gemeinschaften und Beziehungen. In unserer Gemeinde fiel den meisten erst auf, wie viel Arbeit unbemerkt und selbstverständlich von einer Frau erledigt wurde, als sie plötzlich krank war. Und in einer Großstadt wie Berlin hat man erst erkannt, wie wichtig die kleinsten technischen Geräte sind, als auf einmal die S-Bahn ausfiel und viele Wagen in Reparatur mussten. Selbstverständliches ist nicht mehr selbstverständlich, wenn in einer Gemeinschaft ein Mensch, den bisher kaum jemand beachtet hat, seine Arbeit nicht mehr macht.

Der Apostel Paulus beschreibt die christliche Gemeinden , an die er sich mit seinen Briefen wendet, als einen Leib, einen Körper, der nur lebendig ist und wirken kann, wenn alle Glieder mitmachen. Wenn ein Glied leidet, dann leiden alle Glieder mit. Da gibt es scheinbar unwichtige und solche, die man nicht für bedeutend hält. Aber wenn sie streiken, merkt es der ganze Leib.

Mancher der nicht ganz vorne und im Licht steht mit seiner Arbeit sondern mehr im Hintergrund, fühlt sich zu wenig beachtet. Ich kenne Leute, die sagen: Niemand nimmt wahr, was ich tue, dann kann ich es doch auch lassen. Es dankt einem ja doch keiner. Und dann fehlt plötzlich ein wichtiges Glied am Körper und alle leiden darunter. Wir sollten aufpassen, dass das nicht passiert. Das niemand meint: meine Arbeit halten sie alle für unwichtig.

Jeder und jede wird gebraucht, damit der Leib lebendig bleibt und gut funktioniert. Alle Glieder, die starken und die schwachen, werden gelenkt durch das Zentrum. Für Paulus ist es Christus, den er das Haupt der Gemeinde nennt. Dieses Haupt braucht alle Glieder, so wie alle Glieder von dem Haupt abhängen. Da gibt es keine minderwertigen oder zurückgesetzten Glieder, jeder wird gebraucht und alle haben ihre Aufgabe.

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SWR4 Abendgedanken BW

„Die Entdeckung der Langsamkeit“ – das ist für mich nicht nur der Titel eines schönen Romans. Sondern das ist auch eine wichtige Erfahrung, die man vielleicht leichter macht, wenn man älter ist: die Entdeckung der Langsamkeit. Langsamkeit ist kein Wort, das in unsere Gesellschaft passt. Langsam klingt nach lahm, und das kann man sich nicht leisten. Unsere Umwelt und unser Alltag sind vielmehr geprägt von schnellen Veränderungen und einem ständigen Wechsel, auf den man sich rasch einstellen muss. Mobilität heißt das Stichwort. Sie ist wichtig, ich darf mich nicht an bestimmte Orte binden, ich muss mich lösen können von der Bindung an Gewohntes, auch an Menschen, an die ich mich gewöhnt habe. Damit verliere ich aber auch ein Stück Heimat, in der ich mich eingelebt habe; die Nachbarschaft entwickelt sich nicht so intensiv, und vieles bekomme ich nicht mit, weil ich eben mobil sein muss.

Zwar bewundere ich die Familien in dem benachbarten Wohnblock, in dem Soldatenfamilien wohnen, wie schnell sie sich bei den vielen Umzügen jeweils auf die neue Umgebung einstellen. Aber ich erfahre auch, wie schwer es die Kinder in der Schule haben. Ich brauche auch Ruhe und Innehalten, ich muss die Möglichkeit haben, mich einzurichten und zu bleiben, wo ich bin, ohne dauernd mit Veränderungen zu rechnen.

Langsamkeit ist ein Kind der Ruhe, der Besinnung und des Anhaltens. So wie ich bei einer Wanderung anhalte, um auszuruhen und mich für den weiteren Weg neu zu orientieren. Dass ich langsam sein kann, hilft mir, intensiver, fröhlicher und unbeschwerter mit meiner Familie und mit meinen Freunden umzugehen. Die Ruhe, die mir geschenkt wird, macht es mir leichter, die Menschen neben mir intensiver wahrzunehmen und damit auch die Beziehungen zu ihnen fester werden zu lassen.

Langsamkeit brauche ich auch für meine Beziehung zu Gott. In Eile und Hektik fällt es fiel schwerer, seine Stimme, sein Wort zu vernehmen. Es ist nicht so leicht, Zeit und Raum zu finden, um nachzudenken über meinen Glauben, über das was ich brauche, was Gott mir geben kann und was ich von ihm erbitte.

Ich finde, gerade für Ältere ist Langsamkeit eine Stärke. Denn wir Ältere haben eher Zeit, wir können mehr zuhören. Vor allem können wir es uns leisten, langsam zu sein. Aber wir können das auch nutzen und Beziehungen aufbauen und pflegen. Und so haben wir die Gelegenheit, denen zu helfen und ein Stück Heimat aufzubauen für die, die mobil sein müssen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7874
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SWR4 Abendgedanken BW

Unsere Kirche wird abgerissen. Eine Renovierung sei zu teuer, außerdem sei in der Nähe eine weitere Kirche, so heißt es. Ich bin traurig, dass da wo die Kirche steht, bald nur noch ein freier Platz oder ein Wohnhaus sein wird. Mein Nachbar sagt: Gott kannst du überall anbeten, dazu brauchst du keine Kirche. Das ist doch auch nur ein normales Bauwerk.

Aber ich weiß, dass ich nicht allein bin mit meiner Trauer. Sogar Leute, die seit Jahren sicher nicht mehr in diese Kirche gegangen sind, regen sich auf oder bedauern, dass sie abgerissen wird. Die Kirche, das ist eben doch mehr als nur ein normales Bauwerk. Es gibt viele Menschen, für die die Kirche ein Stück ihres Lebens abbildet. Da haben sie sich trauen lassen, da sind sie getauft worden oder konfirmiert, da hat man in einem Gottesdienst an ihre verstorbenen Angehörigen gedacht. Da war der Christbaum immer besonders groß und die Orgel hatte einen richtig romantischen Klang. Der Raum redet zu mir, er gehört zu meinem Leben – so sagt es ein anderer Nachbar, der in dieser Kirche ein Stück Heimat gefunden hat.

Natürlich kann ich überall beten und Gott braucht keine besonderen Räume, wenn ich mit ihn in Kontakt treten will. Aber eine Kirche hilft mir dabei, denn sie ist vor allem dazu da, die Verbindung zwischen mir und dem herzustellen, was Gott mir sagen will . Hier fällt es mir leichter, an ihn zu denken, als in meinem Wohnzimmer. Das Kreuz und der Altar, die Fenster und die Musik, die ganze Atmosphäre, die zu einer Kirche gehören, kann ich an einem anderen Ort nicht finden.

Lasst die Kirche im Dorf – so heißt es in einem Sprichwort, wenn man sich gegen Übertreibungen oder gegen besonders verstiegene Vorstellungen wehrt. Lasst die Kirche im Dorf – so möchte ich am liebsten auch jetzt sagen, wenn ich daran denke, das sie nun abgerissen wird. Denn die Kirche ist auch ein Stück meines Stadtteils, sie gehört zu unserer Gemeinschaft wie die Schule und das Rathaus. Sie trägt die Last einer Jahrhunderte alten Tradition und Kultur. Sie gibt mir immer wieder neu die Möglichkeit, Stationen des Lebens und Gedanken über Glauben und Gott an einer bestimmten Stelle besonders zu erleben. Sie gehört zu meinem Leben und zum Leben vieler Menschen, die hier wohnen. Natürlich werde ich mich an eine andere Kirche gewöhnen müssen, aber vermissen werde ich die alte Kirche doch wie viele andere auch. Merkwürdig eigentlich, dass wir erst jetzt so richtig merken, wie wichtig sie uns ist. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7873
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SWR4 Abendgedanken BW


Ein ausländischer Geschäftsmann reist nach Irland. Am Bahnhof von Dublin will er sich nach der Uhrzeit erkundigen. Er sieht vor sich vier Uhren. Aber alle zeigen eine unterschiedliche Zeit an. Empört wendet sich der Mann an einen Angestellten der irischen Bahn: „Sagen Sie mal, was sollen denn vier Uhren, die alle unterschiedliche Zeiten anzeigen?“ Der Mann entgegnet: „Was für einen Sinn sollen denn vier Uhren haben, die alle die gleiche Zeit anzeigen?“

Eigentlich ist es ja eine Selbstverständlichkeit. Natürlich zeigen überall in der Welt die Uhren zur selben Stunde verschiedene Zeiten an. Das kennen wir, wenn wir mit dem Flugzeug reisen. Und erst recht unterscheidet sich die Zeit darin, wie wir sie empfinden. Dem einen ist die Zeit wie im Flug vergangen, so viel hat er in einer Stunde erledigt. Die andere quält sich durch den Tag mit ihrer Arbeit und der Zeiger ihrer Uhr scheint nur langsam zu kriechen. Der eine freut sich, weil er noch den ganzen Tag und viele Stunden vor sich hat. Die andere wird von Minute zu Minute nervöser, weil sie merkt, dass ihr für ihre Arbeit die Zeit nicht reicht.

So orientieren wir uns an einer Uhr und haben doch zugleich unser eigenes Zeitempfinden, das für uns wichtig ist, unabhängig von der Uhr. Eine glückliche Begegnung oder ein schmerzlicher Abschied markieren meine Zeit und machen sie besonders wichtig. Es ist, als laufe jedes Leben nach einer eigenen Uhr, die die Höhen und Tiefen meines Lebens in besonderer Weise anzeigt.

Und dann gibt es noch etwas, was ich das Zeitempfinden des Glaubens nennen möchte: In einem Psalm der Bibel heißt es nämlich: meine Zeit steht in deinen Händen. So redet ein Mensch in seinem Gebet zu Gott: du hast mir meine besondere Zeit, meine Lebenszeit gegeben und du wirst sie auch beschließen. Ich kann meine Zeit, die mir gegeben ist, nach meinen Möglichkeiten und Fähigkeiten gestalten und ausfüllen. Ich kann sie auch vertun und einfach so dahin fließen lassen. In den letzten Tagen des Jahres wird mir das bewusst, dass meine Tage und meine Jahre ein Ziel haben. Meine Zeit in Gottes Händen.
Damit werde ich befreit von dem Druck, meine Zeit zu füllen mit möglichst vielen Unternehmungen. Aber auch von der Enttäuschung darüber, dass mir die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Dass Gott die Zeit in der Hand hält, bedeutet, dass er die Stunden trägt, die sich hinziehen und auch die, die wie im Flug vergehen, Alle meine Zeit, die vielen Stunden des zu Ende gehenden Jahres und die Zeit im neuen Jahr sind in Gottes Hand gut aufgehoben.
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SWR4 Abendgedanken BW


Die Weihnachtstage sind vorbei, die Geschenke sind ausgepackt. Die Kinder haben die neuen Spielsachen bereits eifrig in Benutzung. Aber was soll nun mit dem alten Holzpferd geschehen und mit dem Stoffhasen? Ganz abgeschleckt sind die Farben am Holzpferd, und auch der Schwanz und die Zügel fehlen. Und der Stoffhase hat ja gar kein Fell mehr, und ein Auge ist auch schon ausgefallen Die beiden Tiere werden nun wohl ausgedient haben und können bald im Müll verschwinden, hat mir die Mutter erzählt. Denn jetzt sind die neuen Spielsachen dran. Und dann hat sie sich mächtig gewundert , als sie festgestellt hat, dass die Kinder die alten und zerknitterten Tiere, das Holzpferd und den Stoffhasen doch wieder ganz eng neben sich auf dem Kopfkissen liegen haben, und sie liebevoll herumtragen. Weit öfter als den nagelneuen Bären und den farbenprächtigen Enterich. „Das sind unsere wirklichen Tiere“, haben die Kinder ihre alten Lieblinge verteidigt, „die anderen müssen erst noch unsere wirklichen Tiere werden.“

Die alten Spielsachen, abgeschleckt und mit einem fehlenden Auge- das sind die wirklichen Tiere, sagen die Kinder. Sie gehören ganz zu ihrem Leben. So wie das alte Jahr, das jetzt zu Ende geht, es gehört zu meinem Leben. Auch wenn mir vieles in der Erinnerung ramponiert und oft wenig gelungen vorkommt. Nicht nur die glücklichen Stunden und die guten Erfahrungen von Vertrauen und Freundschaft sind es, sondern auch die traurigen Stunden der vergangenen Monate gehören dazu. Bei der so lange geplanten Reise, die dann doch schiefgegangen ist, haben wir doch auch hilfsbereite Leute kennen gelernt und Erfahrungen gemacht, die uns Mut gemacht haben. Mit dem Tiefschlag in der beruflichen Laufbahn hat sich dann doch noch eine Chance für einen neuen Anfang ergeben. Solche Erfahrungen geben mir Zuversicht. Darum halte ich lieber an vielem fest, was ich vom alten Jahr noch an Erlebnissen habe. Das neue Jahr ist noch so unbekannt und neu. Wer weiß. Was sich entwickelt!

Trotzdem bleibt die Zeit nicht stehen. Was hilft mir, mit Vertrauen in die Zukunft zu gehen? Jochen Klepper schreibt in einem Silvesterlied: „Der du allein der Ewge heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unsrer Zeiten, bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an deiner Hand, damit wir sicher schreiten.“ Ich finde, mit dieser Gewissheit kann man dem Jahr 2010 mutig entgegen gehen – auch wenn es noch neu ist.
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SWR4 Abendgedanken BW


Weihnachten soll vor allem das Fest der Kinder sein. Weil sich Kinder besonders auf dieses Fest und natürlich die Geschenke freuen. Aber auch weil im Mittelpunkt der christlichen Weihnachtsverkündigung die Geburt eines Kindes steht. Dennoch werden gerade Kinder nach dem Bericht der Bibel die ersten Opfer der Weihnachtsbotschaft, dass Gott den Menschen in einem Kind besonders nahe kommt. Daran erinnert von Anfang an dieser Tag heute, drei Tage nach Weihnachten. Der 28. Dezember ist seit Jahrhunderten der Tag der unschuldigen Kinder. Und in den Gottesdiensten wird erinnert an die dunklen und leidvollen Töne, die auch zu den bunten Bildern von Weihnachten gehören. So berichtet das Matthäusevangelium im Neuen Testament, wie der König Herodes das Kind sucht, das ihm die Weisen aus dem Osten, aus dem Morgenland ankündigen. Und als er es nicht finden kann, lässt er alle Kinder unter zwei Jahren, deren er habhaft werden kann, töten. Denn der König fürchtet, dass ihm da ein möglicher Gegner heranwächst, der ihm die Macht streitig machen könnte.

Kinder haben in den biblischen Erzählungen immer wieder eine besondere Stellung. Als Jesus in Jerusalem einzieht und wie ein König empfangen wird da schreien und jubeln die Kinder besonders laut. Und Jesus bezeichnet die Kinder als Vorbilder dafür, wie Menschen seine Botschaft annehmen sollen: unbefangen und ohne lange Bedenken. Aber Kinder und ihre Eltern sind auch immer die ersten Leidtragenden, sogar zu Weihnachten. Die Bosheit der Menschen und das Leid, das dadurch entsteht: die Schwächsten trifft es zuerst. So muss man das wohl verstehen. Ein ganzes Leben lang wird unschuldiges Leiden dieses
Leben Jesu begleiten. Er selbst wird am Ende das Opfer der unbarmherzigen Macht religiöser und staatlicher Führer.

Beides gehört also zusammen: Jubel und Freude zu Weihnachten und der Schmerz und das Leid von Menschen im Dunkel. Doch das Licht von Gott, der den Menschen nahe kommt, dringt auch ins Dunkel. Gott meint gerade auch die, die wenig Grund zum Jubeln haben, wenn er menschliche Gestalt annimmt. Darum heißt es in einem Weihnachtslied: Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt. Denn Gott ist nicht nur ein Gott der Herrlichkeit und des Lichtes. Er ist auch ein Gott, der im Dunkel unserer Welt und meines Lebens gegenwärtig ist und mit mir geht. Daran erinnert der heutige Tag der unschuldigen Kinder. Hoffentlich können sie trotz allem etwas spüren vom Licht und von der Nähe Gottes.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7406
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SWR4 Abendgedanken BW

„Lehre mich, ein Nein zu sagen, das nach Ja schmeckt.“
Diesen Satz lese ich in einem Gebet des verstorbenen brasilianischen Bischofs Dom Helder Camara. Ein Nein, das nach Ja schmeckt. Ich verstehe das so: Ein Freund bittet mich um Hilfe und um einen Besuch. Ich lehne ab und sage nein, aber dann schlage ich ihm doch einen
Weg vor, der ihm weiterhilft.

Viele denken, wenn Christen über Fragen des Glaubens oder der Bibel reden, dann geht es vor allem um Verbote, um Nein. Manche Propheten und auch Johannes der Täufer mit seiner Bußpredigt gegen Soldaten oder das Verhalten der Reichen gegenüber den Armen wirken so. Und kommt nicht auch Jesus selbst so daher, wenn er mit einem entschiedenen Nein die Wechsler und Händler aus dem Vorhof des Tempels wirft oder gegen die Schrift gelehrten Führer des Volkes wettert? Dieses Nein schmeckt nach Nein . Ein solches Nein macht viele Menschen aber störrisch, denn mit Drohungen kann man einen Menschen nicht zur Einsicht bringen. Es macht es vielen Menschen schwer, zugleich etwas von der Liebe und Versöhnung
in den biblischen Erzählungen zu spüren Da wirkt vieles so streng, so absolut, eben als Nein, das nicht nach Ja schmeckt.

Und doch gibt es gerade in den Erzählungen von Jesus viele Züge, wo das Ja durchschmeckt, auch wenn es mit einem Nein anfängt. In der Erzählung von der Ehebrecherin lehnt er Ehebruch ab, aber die Ehebrecherin verdammt er nicht. Da schimmert doch ein Ja durch, wenn er sie wegschickt mit den Worten: Mach es besser! Sündige hinfort nicht mehr, und ihre Ankläger beschämt verschwinden. Als die kranke Frau aus Syrien ihn um Hilfe und Heilung bittet, sagt er Nein. Weil er vor allem zu seinen Landsleuten in Israel gekommen ist. Aber als sie bei ihrer Bitte bleibt, wird aus seinem Nein ein Ja: er ist für alle Menschen gekommen, die eine Last zu tragen haben. Darum hilft er ihr. Wie wohltuend so ein Ja dann sein kann, zeigt die Geschichte von Zachäus. Zu dem haben damals alle Nein gesagt. Keiner wollte mit diesem korrupten Beamten etwas zu tun haben. Jesus aber besucht ihn. Er sagt Ja zu ihm. Da muss Zachäus nicht mehr bockig sein und störrisch, sondern kann sich und seine Lebenseinstellung ändern.

So wünsche ich es mir ,dass wir auch untereinander, in unserer Familie und in unserem
Alltag, nicht einfach durch ein kompromissloses Nein die Kontakte abbrechen und keinen neuen Anfang ermöglichen, selbst wenn wir uns völlig im recht glauben. Ich möchte versuchen, einen Schritt weiter möglich zu machen und so ein Nein zu sprechen, das nach
Ja schmeckt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6644
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SWR4 Abendgedanken BW

Ich sammle Geschichten, Erzählungen, Erfahrungen von Menschen, ganz alltägliche, aber
auch solche die aus dem Rahmen fallen und überraschende Wendungen nehmen. Zu den Geschichten, die ich sammle, gehören Erinnerungen und Erfahrungen mit Erfolgen oder Niederlagen.
Wichtig ist mir dabei, dass ich die gesammelten Erinnerungen und Erfahrungen nicht wie
Briefmarken oder Münzen, die man sammelt, in den Schrank stelle und dann höchstens ab und zu einem interessierten Besucher vorführe. Sondern ich erzähle sie weiter. Und ich
mache die Erfahrung, dass die nächste und die übernächste Generation, also meine Kinder
und Enkel gerne zuhören, wenn ich ihnen etwas von dem erzähle, was ich gesammelt habe. Das erstaunt mich, denn einige Zeit hatte ich den Eindruck, dass das Weitergeben von Erfahrungen und Erinnerungen an die nächste Generation nicht leicht ist. Aber es scheint mir doch wichtig. Wir Älteren sollen an die nächste Generation nicht nur das schwere Erbe einer belasteten Umwelt und einer Fülle von Schulden weitergeben. Wir können ihnen auch Erzählungen und Erfahrungen weitergeben, die so etwas wie Lebensbrote, Erfahrungsbrote, eine Wegzehrung für Jüngere sind.
Meine Erfahrungen und Erinnerungen gebe ich nicht weiter, um andere zu belehren und deutlich zu machen, was ich alles besser wissen will. Sondern ich hoffe, dass ich in manchem besser verstanden werde, dass manches Missverständnis sich aufklären lässt und dass vielleicht die eine oder andere Erfahrung anderen dazu hilft, selbst manchen Fehler und manche Enttäuschung zu vermeiden.

Zu den besonderen Schätzen, die in Erfahrungen und Erzählungen eingepackt sind, gehören auch Erfahrungen mit dem christlichen Glauben. Denn er ist für mein Leben eine wichtige Grundlage und ein Maßstab. Keine frommen Sprüche und aufdringlichen Bekenntnisse will
ich sammeln und weitergeben. Sondern Erlebnisse und Begegnungen mit Menschen, die sich mit ihrer Zeit und ihrer Kraft in einer Gemeinde engagieren. Da gibt es viel zu erzählen.
Zum Beispiel von dem Mann, der jahrelange Kontakt hat mit einem Gefangenen, der eine lange Strafe nach einem schweren Verbrechen abzubüßen hatte. Durch diese Verbindung
nach draußen kann der sein Leben ganz anders sehen und hat nach seiner Entlassung wirklich die Kraft zu einem Neuanfang. Oder die allein stehende Frau im Heim, die seit
Jahren Samstag für Samstag Besuch von einem alten Nachbarn bekommt. Ich kann auch davon erzählen, wie es weitergeholfen hat, zu beten oder mit anderen zu reden. Ich kenne viele Geschichten, die wie Lebensbrot sind, Wegzehrung, die man weitergeben kann und von denen andere wirklich zehren und eine Zeit leben können. Sie wahrscheinlich auch. Die
sollten wir nicht nur sammeln, sondern auch weitergeben.
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