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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Ich glaube nicht an deine Existenz“, so hat jemand ins Gästebuch unserer Kirche geschrieben. „Aber wenn es dich doch gibt, dann hilf mir und hilf meiner Familie.“ Not lehrt beten, sagt der Volksmund. Angst leret beten, schreibt Martin Luther. Oft wird darüber gelästert, wenn Menschen nur in der Not anfangen zu beten. Aber ich bin sicher: Gott wird ein solch unsicheres Gebet hören. Wie gut, wenn einem Gott in der Not noch einfällt.
„Hilf uns“, sagt der Vater eines kranken Kindes zu Jesus.
Und dann schreit er sogar:
„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Ein ungläubiger Beter, wie der aus dem Gästebuch. Das gibt es. Das passiert einem manchmal, wenn man in Angst gerät, wenn die Not einem die Sprache verschlägt und nur noch ein „Hilf mir“ übrig bleibt. Der Beter aus dem Gästebuch wagt den entscheidenden Schritt. Zweifelnd zwar. Aber er wagt den Glauben. Er wagt das Du. Redet Gott direkt an. „Wenn es dich doch gibt...“. Angst lehrt Beten. Und das ist das Anfangskapitel im Lehrbuch des Betens:
Sprich Gott an! Rede nicht über Gott, sondern mit ihm.
Spring über deinen Unglauben, über deine Zweifel, hinein in das Gebet.
Den Sprung kann jeder.
Und wenn’s nur ein Stoßseufzer ist oder ein gestammeltes „Hilf mir“. Der Vater damals fand Hilfe für sein Kind. Und heute?
Nicht jeder, der betet, findet die Hilfe, die er erbittet. Aber viele erleben: beten macht ruhig und hilft tragen. Am Sterbebett erlebe ich das manchmal. Wie Menschen in der Angst ein Gebet sprechen, wie sie ruhiger werden, wie sich die Tränen lösen, die vorher vom Schmerz festgehalten wurden, wie Frieden in die Gesichter der Sterbenden kommt. Wie gut, wenn einem in der Not das Beten einfällt. Manche erinnern sich in der Not an alte Gebete, aus Kindertagen oder an das Vater unser. Nicht die eigenen Worte, sondern fremde. Solche Gebete sind die Notsprache, wenn einem das Leben die Sprache verschlägt, wenn einem keine Worte mehr einfallen. Da muss man noch nicht mal selber glauben. Diese alten Gebete glauben für mich mit. Und das hilft, denn Gott hilft.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=63
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Wir Christen reden von Vergebung. Aber wirklich vergeben ist schwer. Wie gehen wir mit Menschen um, die Schuld auf sich geladen haben, schwere Schuld sogar? Und was machen wir, wenn sie ihre Tat ernsthaft bereuen? Gerade kann man in der Zeitung davon lesen, wie schwierig das ist. „Einmal Mörder – immer Mörder.“ Über einen Pfarrer sagen die Leute das. Ein Pfarrer, der ein Mörder war, vor über 30 Jahren.
Damals war er 21 und hat in Schottland seine junge Ehefrau von einen Felsen gestürzt.
16 Jahre lang saß er dafür im schottischen Gefängnis. Erst nach der Tat wird ihm klar, was er getan hat. Er träumt davon, peinigt sich mit Selbstvorwürfen, beschimpft sich als Stück Dreck, als nutzloses Nichts. Heult und tobt - und dann beginnt er, in der Bibel zu lesen. Immer und immer wieder.
Worüber er sich früher lustig gemacht hat, jetzt wird es seine Rettung. Er liest von Schuld, und er liest von Vergebung. Er bekehrt sich und wird Christ. Vergebung verändert sein Leben. Im Gefängnis studiert er Theologie. Nach der Haft kehrt er nach Deutschland zurück und wird Pfarrer. Die Kirche weiß von dem Mord und dem Gefängnisaufenthalt und tut sich nicht leicht damit. Aber sie stellt ihn ein. Und er arbeitet lange Jahre mit Drogenabhängigen. Erst in diesem Jahr ist seine Vergangenheit durch einen Verwandten öffentlich geworden. Bis dahin war er ein unauffälliger, stiller Pfarrer. Und jetzt heißt es: „Einmal Mörder, immer Mörder.“ So jemand sei in der Kirche nicht tragbar. Aber wenn so jemand in der Kirche nicht tragbar ist, wo dann sonst? Natürlich musste ich auch zuerst mal schlucken, als ich davon in der Zeitung las. Aber wenn jemand ernsthaft bereut?
„... vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Steht im Vater unser. Jesus hat es so gelehrt. Das wichtigste Gebet für uns Christen. Vergebung – neu anfangen. Auch wenn die Schuld so groß ist wie bei dem Pfarrer. Das ist möglich. Denn Gott vergibt Schuld. „Wir sind eine Kirche, die Vergebung predigt.“ Das sagt die Hamburger Bischöfin Jepsen zu diesem Fall.
Und verdient nicht jeder eine zweite Chance?
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Es ist nie zu spät, sein Leben zu ändern.
Das sagt mir eine junge Frau, die bei der Berliner Stadtmission arbeitet.
Darum fährt im Winter der Kältebus der Stadtmission durch Berlin und sammelt Obdachlose auf, damit sie nicht erfrieren.
In der Unterkunft am Lehrter Bahnhof dürfen sie schlafen, duschen und bekommen was zu Essen.
Und sie werden als Gäste behandelt, nicht als Penner.
Das ist der jungen Frau ganz wichtig.
„Wir nehmen auch die dreckigsten, die vollgekackt sind, verlaust, besoffen oder voller Drogen“, sagt die junge Frau und lächelt über mein betroffenes Gesicht. So ist das eben. Diese Menschen gibt es nun mal. Die sind in einer Situation, dass sie noch nicht mal selbst zur Unterkunft laufen können, abends jedenfalls nicht.
„Wenn die Obdachlosen erfrieren, haben wir keine Chance, ihnen beizubringen, wie sie ihr Leben ändern können,“ sagt die engagierte Christin. Ich bewundere ihren Optimismus und frage, ob sie denn auch Erfolg damit hätten. Etwa 10% hätten sie in Wohnungen vermitteln können, einige wenige würden sogar manchmal arbeiten. Die anderen 90% kommen halt im nächsten Winter wieder. Dass es immerhin 10% schaffen, überrascht mich.
Und ich erwische mich dabei, dass ich diese Menschen insgeheim abgeschrieben hatte. „Solange ein Mensch lebt, kann er sein Leben ändern. Dafür ist es nie zu spät“, sagt die Mitarbeiterin. „Und wir versuchen eben, dabei zu helfen, dass der Mensch am Leben bleibt.“ Was für eine Hoffnung! Geboren aus der Liebe zu allen Menschen. „Woher nehmen die Leute die Kraft, ihr Leben zu ändern“, frage ich. Das ist doch schwer. Und ich denke daran, wie schwierig es schon für mich selber ist, etwas in meinem Leben zu ändern. Wenn mir alles so festgefahren erscheint. Die junge Frau sagt:
„Die Menschen müssen das Gefühl bekommen wertvoll zu sein, sich selbst eine Veränderung wert. Das geht uns doch genau so. Natürlich ist das schwieriger, wenn man so tief gesunken ist. Aber es geht. Sieht man ja. Seinen Wert bekommt ein Mensch von Gott.“ Und sie erzählt weiter, dass die Mitarbeiter morgens immer allen Obdachlosen ein Wort mit auf den Weg geben:
„Du gehst nicht allein. Gott ist bei dir.“
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