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SWR4 Abendgedanken

„Abend und Morgen sind seine Sorgen“, heißt es in einem Morgenlied von Paul Gerhardt: Es heißt: „Die güldne Sonne voll Freud und Wonne“ Seine vierte Strophe passt auch am Abend.
Abend und Morgen sind seine Sorgen, Segnen und Mehren, Unglück verwehren
sind seine Werke und Taten allein.
Wenn wir uns legen, so ist er zugegen, wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen
über uns seiner Barmherzigkeit Schein.

Für dieses Lied beginnt der Morgen mit dem Abend, mit dem Hinlegen, mit dem Einschlafen. Nur wenn ich abends gut einschlafen und schlafen kann, wird der Morgen gut. Einschlafen kann ich aber nicht machen. Einschlafen muss ich geschehen lassen. Allerdings:  Am Einschlafen kann ich mich selber hindern. Wenn ich zu viel und zu spät gegessen habe. Aber auch wenn ich im Bett anfange zu grübeln. Mich kann auch am Einschlafen hindern, wenn ich nicht ausgesprochen habe, was mich belastet oder wo ich andere belastet habe. Das geht mir dann im Kopf herum und macht mich unruhig.

Dagegen hilft mir das Lied von Paul Gerhardt mit der Strophe: „Abend und Morgen sind seine Sorgen“. Ich glaube, dass Gott für mich sorgt. Das habe ich aus den Gebeten der Bibel, den Psalmen gelernt. Die sagen Gott einfach, was die Beter plagt und dass sie seinen Schutz brauchen. Und bei Jesus entdecke ich das im Vaterunser. Da hat er uns aufgefordert zu Gott zu beten wie zu einem guten Vater oder einer lieben Mutter: „Unser täglich Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld.“ Sorgen und Versagen muss ich nicht mit mir allein ausmachen.

Ich singe die Strophe aus dem Morgenlied von Paul Gerhardt gern am Abend und am Morgen. Da heißt es dann:
Wenn wir uns legen, so ist er zugegen, wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen
über uns seiner Barmherzigkeit Schein.
Mit dem Aufwachen ist es wie mit dem Einschlafen. Das mache ich nicht bewusst selbst. Das geschieht mit mir. Aber Aufstehen muss ich selbst wollen. Das fällt leichter, wenn ich mich am Morgen an Gottes Barmherzigkeit erinnere. Er wird mit mir gehen, auch auf den dunklen Wegen, vor denen ich mich fürchte. Gottes Barmherzigkeit wird meinen Tag hell machen wie die Sonne.

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SWR4 Abendgedanken

„Kunst lebt aus der Spannung von Zulassen und Gestalten.“ Solche dichten Sätze schreibt der Geigenbauer Martin Schleske in seinem Kalendertagebuch. „KlangBilder  – Werkstattgedanken“.

„Kunst lebt aus der Spannung von Zulassen und Gestalten.“
Ich finde, das gilt eigentlich für das Leben überhaupt. Ich werde beschenkt, wenn sich jemand mir freundlich zuwendet. Dann bin ich zuallererst jemand, der empfangen darf, genießen und sich freuen und danken. Ich lasse zu, dass ich beschenkt werde und bin dankbar. Für mein Leben meinen Eltern und vor allem Gott,  dem Schöpfer selbst. Ich habe mich nicht selbst entworfen und konstruiert. Ich finde mich vor. Ich lasse diesen Gedanken zu: Ich bin mir geschenkt. Vor allem Tun und Leisten steht das Empfangen.  Das macht mich froh und dankbar.
Die Lebenskunst hat es mit diesem Zulassen zu tun. Ich bin nicht für alles selbst verantwortlich. Ich würde mich hoffnungslos überfordern. Darum gehört zur Lebenskunst die Gelassenheit. Für mich ist das etwas, dass ich aus meinem Glauben lerne: Ich überlasse mein Leben Gott. Ich lasse zu, dass er für mich sorgt. Und ich vertraue darauf, dass er es gut mit mir meint.

Zulassen allein wäre aber zu wenig. Denn: „Kunst besteht aus der Spannung von Zulassen und Gestalten.“ Ich möchte mein Leben gestalten, etwas damit anfangen, für andere da sein. Ich möchte weitersagen von dem, was mein Leben trägt, von Gott und seiner Liebe, von Jesus, in dem Gott Mensch geworden ist. Gestalten ist eine Lebensaufgabe. Sie bewahrt einen vor Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit.
Gestalten ist eine andere Art von Dankbarkeit. Ich kann etwas beitragen für das persönliche Miteinander und für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Ich lasse das Geschenk meines Lebens, ich lasse meine Begabungen nicht einfach brach liegen. Ich nutze sie.

Deshalb will ich mich fragen, wo mein Gestalten dem Leben dient. Wo haben andere einen Gewinn von mir. Wo kann ich mich gebrauchen lassen und wo muss ich mich verweigern?
Ich wünsche Ihnen und mir die rechte Spannung von Zulassen und Gestalten.

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SWR4 Abendgedanken

„Wenn Gott segnet, riecht es nach Schweiß.“  Das hat eine Diakonisse vor Jahren zu mir gesagt. Mir imponiert diese Frau aus einer evangelischen Schwesternschaft. Sie hat in einer großen Stadt einen Laden eingerichtet, bei dem man gut erhaltene, gebrauchte Kleidungsstücke, Geschirr, Bücher und anderes günstig kaufen kann. Alles ist liebevoll und mit Stil dekoriert und angeordnet. Sie und ihre Mitarbeiterinnen haben immer Zeit für ein Gespräch bei einer Tasse Tee oder Kaffee. Viele nutzen diese Möglichkeit günstig einzukaufen. Besonders auch Leute, die zu wenig zum Auskommen haben. Für viele sind aber auch die Gespräche wichtig. Seelsorge im Alltag. „Sie sind ein Segen“, haben manche Besucherinnen schon zu dieser Diakonisse gesagt.
„Wenn Gott segnet, riecht es nach Schweiß.“ Hat sie über  ihre Arbeit gesagt.
Ich habe das so verstanden. Gott segnet die Menschen auch heute noch. Viele wurden und werden durch die Diakonisse und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen in jenem Laden gesegnet. Denn wenn Gott segnet, braucht er Menschen, die sich dafür einsetzen, dass dieser Segen weiter gegeben wird und ankommt. Menschen engagieren sich und werden so für andere zum Segen. Sie verstehen sich als Gottes Mitarbeiter. Sie wissen, dass sie es nicht allein in der Hand haben, dass Menschen bei ihnen ermutigt werden. Das ist wie bei jedem Gespräch. Wir können uns mühen, aber wir haben keine Garantie, dass es am Ende auch gelingt. Aber die Mitarbeiter in dem Laden für Gebrauchtes wissen auch, ohne unser Mittun würden viele Kunden von Gottes Segen nichts spüren.
Die Mitarbeiter dort leben selbst vom Segen Gottes. Sie beginnen vor der Eröffnung des Ladens und beten. Sie bitten um Gottes Segen für ihre Arbeit. Das spüren Menschen, die in diesen Laden kommen. Und die Mitarbeiterinnen spüren: Gott ist bei uns und bei dem, was wir tun. Darum macht es ihnen wenig aus, wenn sie am Ende des Tages müde und ausgepumpt sind. Sie wissen ja: „Wenn Gott segnet, riecht es nach Schweiß.“

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SWR4 Abendgedanken

Erinnern Sie sich an ihre Lehrer und Lehrerinnen? Vor kurzem habe ich von einer über 80jährigen gehört, die ein bisschen verwirrt war. Die hat manchmal gesagt: „Ich muss jetzt in die Schule. Der Lehrer Weiss versteht keinen Spaß, wenn wir zu spät kommen.“ Bis ins hohe Alter hat sie ihr strenger Lehrer verfolgt.
Wenn ich an meine Lehrer denke, fallen mir einige ein, die ich gemocht habe. Einigen würde ich gern nochmals begegnen. Manchen danken für ihre Geduld mit uns. Manchen für das, was ich bei ihnen gelernt habe. Schreiben und Lesen und Rechnen. Aber auch aufeinander hören, Fragen stellen, füreinander da sein. Danken möchte ich denen, die mich gefördert haben, neugierig und am Leben interessiert zu sein.
Ein Lehrer hat mich beeindruckt, weil er uns auch erzählt hat, was andere verschwiegen haben. Das unsagbare Leid des 2.Weltkriegs, den er als Soldat miterlebt hat. Dass er mitgemacht hat und mitschuldig geworden ist. Ich erinnere mich, dass das einigen meiner Mitschüler peinlich war, wenn er nicht mehr weiter sprechen konnte, weil es ihn zu sehr erschüttert hat. Ich bin ihm dankbar für seine Aufrichtigkeit. Ich habe es gut gefunden, einen Lehrer zu haben, der nicht wie viele versucht hat, alles zu entschuldigen, sondern dazu zu stehen, dass seine Generation schuldig geworden ist.
Bei diesem und bei einigen anderen Lehrern habe ich entdeckt, dass ein guter Lehrer einer ist, der selbst noch etwas lernen will. Einer, der sich selbst noch vom Leben überraschen lässt oder auch zugibt, dass er umlernen muss. Nicht alles besser weiß, nicht mit seinem Wissen prahlen muss. Für diese Lehrer bin ich besonders dankbar. Sie haben mir Mut gemacht, auch selber zu fragen und mich auf Neues einzulassen.
Auch wenn die allermeisten von ihnen nicht mehr leben, kann ich ihnen innerlich danken. Ich kann von ihnen erzählen, so wie jetzt. Dann erinnere ich mich intensiver. Ich hoffe, es gibt auch heute genügend Lehrer, die lernen wollen und offen sind für Neues. Das nämlich wäre ein gutes Vorbild für Ihre Schüler.

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SWR4 Abendgedanken

Die Schule hat wieder begonnen. Die großen Sommerferien sind vorbei. Straßenbahnen und Busse sind früh morgens wieder voll, manchmal überfüllt. Lebhafter und lauter ist es geworden. Für die Berufspendler und auch für ältere Menschen ist das manchmal anstrengend. Das geht mir auch so. Dann stöhne ich leise und ärgere mich oder möchte sogar schimpfen. Geht’s nicht ein bisschen leiser?
Aber dann mache ich mir klar: Die Kinder und Jugendlichen müssen sich wieder an die Schule gewöhnen. Das dauert einige Tage. Es tut ihnen gut, wenn sie sich gegenseitig erzählen können, was sie erlebt haben. Jetzt müssen sie sich wieder nach der Uhr richten. Sie müssen ihren Rhythmus umstellen. Und es ist gut, dass sie zur Schule gehen und lernen können. Sie brauchen das für ihr Leben.
Und dann schaue ich mir einige Schüler bewusst an. Wo sie wohl herkommen? Haben sie schon gefrühstückt? Hat sich jemand um sie gekümmert? Ihnen ein liebes Wort mit auf den Weg gegeben? Und was erwartet sie heute? Können sie sich auf ihre Mitschüler freuen? Sind sie froh, dass sie lernen können? Haben sie Lieblingsfächer? Wie sehen sie ihre Lehrer? Was bekümmert sie?
Manchmal fällt mir dann ein: Für diese Schüler, für einige einzelne, die ich mir anschaue, kann ich beten. Ich kann Gott um seinen Segen für sie bitten. Sie sollen entdecken, dass sie gewollt sind und geliebt werden. Von Gott ganz bestimmt und hoffentlich auch von einigen Mitmenschen. Deshalb versuche ich, freundlich zu ihnen zu sein. Wenn ich mich laut ärgere und schimpfe, wie sollen sie dann spüren, dass wir Erwachsenen sie gern haben? Ich wünsche ihnen, dass sie ihren Platz entdecken und einnehmen und erfahren, dass sie gebraucht werden. Und dass sie nicht für die Schule lernen, sondern für ihr Leben. Hoffentlich Wesentliches. Zum Beispiel: Wir Menschen brauchen einander. Ich bin wichtig, die anderen aber auch. Wir alle sind kein Zufall der Natur, sondern von Gott gewollt und geliebt.
Beim Aussteigen kann ich sie dann ganz freundlich ansehen. Manchmal sage ich: „Guten Tag“ zu einem von ihnen und denke mir: Gott sei bei dir! Er segne dich.

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SWR4 Abendgedanken

Vom Fenster aus alles übersehen und möglichst nicht selbst gesehen werden. Das gefällt vielen. Das war schon immer so.  Davon erzählt eine Geschichte der Bibel.
Sie handelt von dem reichen Oberzöllner Zachäus. Eigentlich mussten alle zu ihm aufblicken. Er beherrschte die Leute in seiner Gegend. Er nahm sie aus. Er kollaborierte mit den Römern, den Besatzern in Israel zurzeit von Jesus. Aber als eines Tages die Leute zusammengeströmt sind, um Jesus zu sehen, der vorbeikommen sollte, haben sie keine Rücksicht auf Zachäus genommen, den klein gewachsenen, reichen Oberzöllner. Und weil er nicht über die anderen hinwegsehen konnte, ist er ihnen vorausgelaufen und auf einen Maulbeerbaum geklettert. Hinter den großen Blättern war er so gut wie nicht zu sehen. Dafür hatte er den Überblick.
Sehen, aber nicht gesehen werden. Diese Gleichung ging damals nicht auf. Als Jesus unter dem Baum vorübergekommen ist, hat er nach oben gesehen und Zachäus mit Namen angesprochen. Er hat ihn aufgefordert, schnell herunter zu kommen, weil er an diesem Tag bei ihm einkehren wollte. Dem Oberzöllner Zachäus ist das nicht peinlich gewesen, dass er vor allen Leuten in seinem Versteck entdeckt worden ist. Er ist schnell heruntergestiegen  und hat Jesus freudig aufgenommen. Und das hat sein Leben verändert. Er hat das Ergaunerte zurückgegeben und Armen von seinem Vermögen abgegeben. Ausgelöst hat das seine Begegnung mit Jesus. Der hat ihn entdeckt und persönlich mit seinem Namen angeredet, sich bei ihm eingeladen und ihn so genommen, wie er ist.
Ich bin überzeugt, das tut Jesus auch heute noch, manchmal verborgen, manchmal durch andere Menschen. Vor ihm brauche ich mich nicht zu verstecken. Und wenn er mich anspricht, brauche ich mich nicht zu schämen. Er lässt mich spüren, dass er mich nicht verachtet. Im Gegenteil: Ich bin ihm wichtig. So wie der kleine Zachäus, den niemand leiden konnte, für Jesus wichtig war. Ich hoffe für Sie und für mich, dass es Menschen gibt, die uns das spüren lassen. So wie es Zachäus spüren konnte. Damit wir uns nicht verstecken müssen. Weil wir uns sehen lassen können.

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SWR4 Abendgedanken

Gott, das ist ein unsterbliches Gerücht, hat vor kurzem einer gesagt. Es gibt keine Beweise, sollte das wohl heißen, aber immer wieder ist von ihm die Rede.
Ein Gerücht ist nichts Gesichertes. An einem Gerücht kann aber auch etwas dran sein. Einem Gerücht kann ich nachgehen. Darum bieten die Gemeinden Kurse zum Glauben an. Da begibt man sich gemeinsam auf Spurensuche. Einer dieser Kurse heißt Spur8. Den findet man sogar im Internet. Eine Million mal ist er inzwischen angeklickt worden. Spur8 und andere Kurse bieten Gespräche über den Glauben an. Sie setzen bei Fragen ein, die viele umtreiben: Wozu bin ich da? Hat mein Leben einen Sinn? Bin ich auf Größeres hin angelegt? Ist mit dem Tod alles aus? Oder gibt es ein Leben nach dem Tod? Diese Gespräche sind offen. In ihnen kommen Fragen und Zweifel zur Sprache, aber auch Geschichten von Menschen, die erzählen, was sie mit Gott erlebt haben. Wie das ihr Leben beeinflusst und manchmal auch verändert hat.
Ich lese solche Geschichten in der Bibel. Von Abraham zum Beispiel. Abraham hat als alter Mann die Stimme Gottes gehört. Der hat zu ihm gesagt, dass er sein Zuhause verlassen soll und seine Heimat. Er soll dorthin gehen, wohin Gott ihn führen wollte. Dabei sollte er erfahren, dass Gott mit ihm geht und ihn segnet mit Land und Nachkommen. Abraham hat sich darauf eingelassen. So ist Abraham  losgezogen mit seiner Frau Sara und seinem Neffen Lot. Immer wieder ist er unsicher geworden, ob Gott wirklich mit ihm geht. Ob die großen Versprechungen wirklich wahr sind. Dann hat er gemeint, er müsste alles selbst in die Hand nehmen. Aber, so erzählt es die biblische Geschichte, Gott hat Abraham nicht im Stich gelassen. Er hat Abraham geholfen, wenn der nicht mehr weiter wusste. So hat Abraham immer wieder neu sich auf Gott eingelassen.
Ich finde, es lohnt sich, sich an solche Geschichten zu erinnern. Dazu sind die Glaubenskurse da. Vielleicht ist das ja auch was für Sie.

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SWR4 Abendgedanken

Ob wir Spuren von Gott in unserem Leben entdecken können. Darüber habe ich vor einiger Zeit mit einem Mitfahrer in meinem Zugabteil gesprochen. Was hätten Sie gesagt?
Mein Gesprächspartner im Zug hat einen Bauernhof mit Zuchtstieren. Vor Jahren hat ihn ein Jungstier fast zu Tode gebracht, hat er erzählt. Im Umrennen hat der ihn unter dem stromgeladenen Zaun hindurch gestoßen. Ohne den Zaun hätte der Stier ihn getötet. „Der liebe Gott wollte mich wohl noch nicht“, hat er gesagt und gelacht. Vielleicht also doch Gottes Spuren, mitten im Unglück? Habe ich ihn gefragt.
Als er gehört hat, dass ich Pfarrer bin, hat er  aber auch seine Zweifel an Gott genannt. „Wie soll ich an einen lieben Gott glauben, wenn so viele Menschen in unserer Welt unschuldig leiden? Wenn es einen Gott gibt und wenn er allmächtig ist, dann muss er doch eingreifen.“ Lange haben wir miteinander darüber gesprochen. Ich habe gesagt, dass ich auf diese Frage keine Antwort habe. Gesagt habe ich zu ihm: „Ich bete zu Gott und klage auch. Das geschieht sogar in den Psalmen der Bibel. Da wird viel geklagt und Gott keine Ruhe gelassen. Da schreien Menschen zu Gott: Warum lässt du das zu? Und: Wie lange noch greifst du nicht ein?“ In der Hälfte aller Psalmen klagen Menschen zu Gott. Erstaunlich ist es in diesen Gebeten, dass keines in der Verzweiflung endet und keiner der Beter Gott aufgibt. Viele Beter haben Gott nicht verstehen können, aber trotzdem an ihm festgehalten und mit ihm gestritten.
Von Jesus habe ich dann erzählt. Der hat auch zu Gott gebetet. Und als die Mächtigen ihn gekreuzigt haben, hat er zu Gott geschrien: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Am Ende hat ihn Gott erhört. Er hat ihn von den Toten auferweckt. So haben das damals  seine Freunde erzählt. Er ist ihnen begegnet. Sie haben seine Spuren entdeckt, an vielen Stellen ihres Lebens. Darum will ich auch Gott auf der Spur bleiben. Ihm danken für alles Schöne in meinem Leben und ihm das Unrecht in der Welt klagen und wo es geht, dagegen angehen.

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SWR4 Abendgedanken

Vor einigen Wochen habe ich einen kleinen Unfall verursacht. Für einen Augenblick bin ich unaufmerksam gewesen. Zwar hat mich die Sonne geblendet,  aber das ist keine Entschuldigung. Ich war der Verursacher des Unfalls. Gott sei Dank ist er glimpflich abgelaufen. Die Psychologie spricht von „Unaufmerksamkeitsblindheit“. Ich übersehe, was mich im Moment nicht interessiert oder womit ich gar nicht rechne. Ich bin zu sehr mit mir selbst beschäftigt oder abgelenkt. Deshalb habe ich nicht aufgepasst.
Das passiert mir nicht nur im Straßenverkehr. Wie oft bin ich in Gedanken, nehme nicht wahr. Erst recht nicht die Schönheiten des Lebens.
Aber ich möchte das gern lernen: Aufmerksamer werden für das, was um mich herum vorgeht. Deshalb habe ich jetzt angefangen beim Spazierengehen oder beim Joggen mich immer wieder daran zu erinnern: achte darauf, was dir begegnet. Ich spreche dazu ein Gebet. Ich nenne es das Gebet liebender Aufmerksamkeit. Es heißt:
„Öffne meine Augen, Heiliger Geist, damit ich die Schönheit der Schöpfung sehe.
Öffne meine Ohren, Heiliger Geist, damit ich deine Botschaft höre.
Öffne mein Herz, Heiliger Geist, damit ich deine Liebe spüre.“
Vor dem Auto fahren, heißt mein Gebet liebender Aufmerksamkeit dann so:
„Öffne meine Augen, Heiliger Geist, damit ich die anderen Fahrzeuge wahrnehme, damit ich aufmerksam fahre, niemanden gefährde und mich selbst auch nicht in Gefahr bringe.“
Für jeden neuen Tag bitte ich, dass ich aufmerksam bin für mich selbst und für die Menschen, die mir begegnen.
Es geht auch schon besser, finde ich. Ich nehme manches besser wahr. Eine Kollegin hat sich bei mir bedankt. Ich hatte zu ihr gesagt: „Heute gehen sie nicht so schwungvoll. Geht es ihnen nicht so gut?“ Sie ist sonst an ihrem raschen Gang erkennbar. Ein paar Tage später hat sie sich bei mir bedankt, dass ich das wahrgenommen habe. Sie hat mir erzählt, dass sie eine schmerzhafte Blockade hatte. Aber auch, dass es ihr gut getan hat, dass ich nach ihrem Befinden gefragt habe. Wie schön, hab ich da gedacht. Was doch so ein bisschen Aufmerksamkeit ausmacht!

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SWR4 Abendgedanken

Manche Menschen sehen mehr als andere. Jesus zum Beispiel war so einer. Anscheinend hat das die Menschen damals beeindruckt. Denn immer wieder fängt etwas Besonderes damit an, dass es heißt: "Als Jesus sie sah" oder: "Da sah ihn Jesus." Das war zum Beispiel so bei einer Frau, die seit 18 Jahren gebückt durchs Leben gegangen ist. Jesus hat sie in einer Synagoge gesehen, als er dort gesprochen hat. Dann wird erzählt: "Da war eine Frau. Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist geplagt, der sie krank machte. Sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr gerade aufrichten. Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich. Er sagte zu ihr: "Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!" Und er legte ihr die Hände auf. Sofort richtete sie sich auf und lobte Gott.“ (Lk 13, 11-13)
Was hat Jesus gesehen, als er die gekrümmte Frau gesehen hat? Bestimmt, wie sie sich gebückt durchs Leben gequält hat. Und sicher auch, wie sie von anderen gemieden worden ist und manchen mitleidigen Blick ertragen musste. Gewiss hat  ihn das Schicksal der gekrümmten Frau angerührt. Aber das ist nicht alles. Jesus hat gesehen, was andere nicht gesehen haben. Die Möglichkeit, dass sie sich nicht abfinden muss mit ihrem Schicksal. Jesus hat die Möglichkeit gesehen, die Gott ihr gegeben hat. Sie soll aufrecht durchs Leben gehen.
Ich entdecke in der Geschichte zweierlei: In der Begegnung mit Jesus ereignen sich spontane Heilungen. Manche Heilung geschieht körperlich und sichtbar. Manche geschieht innerlich.
Und das andere: Was von anderen übersehen wird, wird von Jesus wahrgenommen. Er sieht nicht nur, was ihr fehlt. Er sieht auch, dass sie nicht auf ihre Defizite festgelegt ist. Er sieht die Möglichkeiten, die sie hat – weil Gott sie ihr gegeben hat.
Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir so von Gott und anderen Menschen angesehen werden. Dass wir spüren, welche Möglichkeiten in uns stecken. Das richtet auf für den aufrechten Gang. Die verkrümmte Frau, die Jesus gesehen hat, ist ein Beispiel dafür. Und dann wünsche ich Ihnen und mir, dass wir andere wahrnehmen, die sich nichts zutrauen. Die sollen auch spüren: ich habe mehr Möglichkeiten, als ich meine.

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