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SWR4 Sonntagsgedanken

Das Thema „Flüchtlinge“ fällt mir dauernd vor die Füße. Vielleicht geht Ihnen das auch so. Die Menschen sind ja da. Ich möchte Ihnen heute Morgen erzählen, was ich beobachtet habe. Obwohl: Eigentlich habe ich selber mit den Flüchtlingen kaum etwas zu tun. Und Sie denken jetzt vielleicht: Bloß nicht auch noch hier, in den Sonntagsgedanken, das Thema Flüchtlinge. Da ist man doch irgendwie hilflos. Und es macht einem auch ein bisschen Angst.

Aber vielleicht hören Sie doch erst einmal zu, was ich beobachtet habe. Bei meinem Bruder. Dem ging es einige Zeit nicht so gut. Irgendwie hat er auch nach einer neuen Aufgabe gesucht. Und dann sah er diese Anzeige. Soll er eine Auszeit wagen – geht das überhaupt, in seinem Beruf? Soll er sich als Mitarbeiter in der Aufnahmestelle für Flüchtende melden? Mit seiner großen Erfahrung im Umgang mit Menschen war er dafür sicher gut geeignet. Aber die Sprachbarrieren, die vielen traumatisierten Menschen? Kann man da überhaupt etwas bewegen?

Mein Bruder hat es probiert. Und jetzt merkt er: Ja, es ist eine harte und herausfordernde Arbeit. Mir hat er erzählt: „Es gibt hier alles an Menschlichem, was Du dir vorstellen kannst. Da kommt man an seine Grenzen.“ Aber es sind Menschen, für die es sich lohnt, sich einzusetzen, sagt er. Es gibt auch viel Freundlichkeit und Dankbarkeit. Und mir fällt an meinem Bruder auf: Dieser Einsatz tut ihm gut. Er lebt richtig auf in dieser Aufgabe. Mit Hingabe ist er dabei. Weil es Sinn macht. Weil er helfen kann, dass  Menschen Zukunft und Hoffnung finden.

Und dann erzählt mir eine meiner Mitarbeiterinnen, sie habe eine unbegleitete Jugendliche bei sich zuhause aufgenommen. Und sie lächelt dabei. Sie ist erfahren mit jungen Menschen, hat selbst vier Kinder, die jetzt erwachsen sind. Aber ein fremdes Mädchen bei sich in den eigenen vier Wänden aufzunehmen, das finde ich schon sehr mutig. Und sicher auch anstrengend. Wie viele Jugendliche in dem Alter muss die junge Frau an Termine erinnert werden. Manchmal muss man mit ihr für die Prüfung lernen, die jetzt in der Schule bevorsteht. Aber meine Mitarbeiterin sagt: Das hält das Gehirn beweglich! Und Samia hilft mir auch. Sie gießt liebevoll die Blumen auf meinem Balkon und seit sie da ist, muss ich kaum mehr die Spülmaschine ausräumen. Die Mitarbeiterin lächelt, wenn sie davon erzählt.

Ich finde: Es ist doch genau das, was Jesus wollte, als er gesagt hat: Ihr habt mir zu trinken gegeben oder etwas zum Anziehen. Ihr habt mich besucht, ihr habt mich getröstet. Denn was ihr einem meiner Brüder oder Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan. Darauf liegt Gottes Segen. Ich meine, genau das geschieht, wo Menschen nicht nur über Nächstenliebe reden, sondern sie leben.

 

Auch meine Tochter erlebt das gerade. Nicht weit von unserem Haus sind junge Männer und Frauen aus Syrien und dem Irak untergebracht worden. Eine in der Flüchtlingsarbeit stark engagierte Ärztin hat meine Tochter angesprochen, ob sie sie nicht bei ihren Besuchen begleiten könnte. Meine Tochter spricht etwas Arabisch, hat sogar einige Zeit in Ägypten gelebt.

Und jetzt erzählt sie uns von den Begegnungen und was diese jungen Menschen in den Wohnungen umtreibt. Viele sind erst knapp unter oder knapp über 20 Jahre alt. Und trotzdem haben sie bereits viel Furchtbares erlebt. Wie der Mann im biblischen Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ sind sie unter die Räuber gefallen. Den Kriegswirren und dem unbarmherzigen Morden nur knapp entkommen. Einige tragen deutlich sichtbare Spuren von Folterungen, andere zeigen mit ihrem verstörten Verhalten, dass sie Furchtbares erlebt haben. Und jetzt haben sie Angst um ihre Familien und gleichzeitig sehnen sie sich nach ihren Angehörigen.

Es tut ihnen gut, wenn Menschen sich Zeit für sie nehmen. Und wenn dann noch jemand ihre Sprache spricht, dann geht ihnen das Herz auf, sagt meine Tochter. Vor allem die Frauen unter den Flüchtenden schätzen das sehr. Und ich sehe in Ihren Augen, wie gut auch ihr diese Begegnungen tun. Sie freut sich, dass sie in der Praxis sinnvoll einsetzen kann, was sie gelernt hat.

Was sie erlebt, erinnert mich ein bisschen an eine Geschichte, die Jesus erzählt hat. Die Leute haben ihn sehr theoretisch gefragt, wer denn für sie der Nächste sei. Da hat ihnen Jesus die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt und deutlich gemacht. Es geht nicht um Theorie, sondern um den Menschen, der mir gewissermaßen vor die Füße fällt, der gerade jetzt Hilfe nötig hat. Da kann der Fremde zum Nächsten werden, da sehen wir vielleicht aber auch unseren Nachbarn oder eine Arbeitskollegin ganz neu.

Und eines stellt Jesus nicht nur in dieser Geschichte klar. Was man in Gottes Namen wagt, da hilft er und legt noch etwas drauf. Seinen besonderen Segen. Ein bisschen von diesem Segen kann man dann sogar spüren und sehen. Das zufriedene Strahlen in den Gesichtern. Meine Mitarbeiterin erzählt: Samia bemüht sich sehr, mir zu helfen. Sie ist lustig. Mit ihr schaue ich zum ersten Mal seit Jahren wieder mit Spaß Fußball. Sie freut sich so, wenn „wir“ gewinnen. Und es ermutigt mich, mit wieviel Elan sie ihre Zukunft angeht.

In diesem Sinne wünsche ich auch Ihnen erfreuliche Begegnungen und einen gesegneten Sonntag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Können Sie sich von Herzen freuen? Der heutige Sonntag heißt im kirchlichen Jahreskalender Jubilate, was so viel bedeutet wie: „Zeigt eure Freude, lobt Gott aus vollem Herzen!“ Das hat in mir diese Frage geweckt: Wann habe ich mich zuletzt wirklich richtig gefreut?

Ich muss gestehen, in den letzten Wochen war mir nicht so sehr nach Jubeln zumute. Mir ist da einiges über den Kopf gewachsen, einfach zu viel und zu schwer geworden. An manchen Tagen musste ich mich regelrecht in die Spur zwingen. Da war ich froh, wenn ich mit mir und meiner Arbeit einigermaßen durchkam.

Mir hilft da oft Musik, die Gedanken, die Melodien, die Stimmen von anderen Menschen. Das gibt mir Kraft, und oft auch eine Ahnung, was Gott in dem Leben von anderen Menschen bewegt und bewirkt.

Ein Lied hat sich mir in den letzten Wochen besonders tief eingeprägt. Es heißt Changes, also Veränderungen. Ein Lied von Charles Bradley, einem begnadeten Soul-Sänger. Er hat es nicht selbst geschrieben, aber keiner hat es je so gesungen, mit so viel Tiefe, mit so viel Seele wie er. Es geht in dem Lied um Trennung. Es geht um den Abschied von einem geliebten Menschen. Das Lied bedauert, was man versäumt hat, in der gescheiterten Beziehung zu dieser Person. Aber dann kommt: jetzt muss ich in einen neuen Lebensabschnitt hineingehen.

Charles Bradley sagt, er singe hier von seiner Mutter, die ihm nie eine richtige Mutter sein konnte und er ihr nie ein guter Sohn. Man kann in dem Lied hören, wie traurig ihn das macht und wie wütend. Man hört seine Tränen, wenn er singt. Und in seinem schwarzen, zerfurchten Gesicht erkennt man die ganze Tragik eines langen, schwierigen Lebens. Charles Bradley ist nämlich kein junger Mann mehr. Er ist 67. Aber erst in den letzten Jahren hat er die Kurve in seinem Leben hinbekommen.

Wenn er davon erzählt, bringt er kaum einen Satz zu Ende, ohne dass ihm die Stimme abbricht, obwohl er doch eigentlich so kräftig und laut singen kann. Bei seinen Konzerten betont  Charles Bradley immer wieder, wie sein Glaube, ja wie Gott ihm immer wieder Kraft gegeben hat. Trotz schlimmer Niederlagen konnte er wieder aufstehen und weitergehen.

Für mich verströmt Changes, trotz allem viel Kraft und Lebensmut. Es sagt mir, dass der Schmerz nicht das Letzte ist, sondern der Glaube neues Leben und neue Hoffnung hervorbringen kann.

Ich verstehe dann auch ein Wort aus der Bibel viel besser. Einen Vers aus dem ersten Johannesbrief: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Joh. 5,1-4). Mich trägt das Vertrauen auf Gott. Nicht meine Kraft, nicht meine Gesundheit, nicht irgendwelche Erfolgserlebnisse. Dass ich auf Gottes Beistand vertrauen kann, das ist ein Grund zu tiefer Freude.

 

Seine Mutter hat ihn und seinen Bruder schon früh verlassen. Sie hat die beiden einfach bei der Großmutter abgegeben. „Ich bin nicht gewollt.“ Dieses Gefühl hat ihn nach eigener Aussage dann sein Leben lang begleitet. Bald hing er mit üblen Gestalten ab, kam sogar ins Gefängnis, weil er jemanden bedroht hatte. Beinahe wäre er gestorben.
Als er wieder gesund wurde, reifte in ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass Gott einen Grund hat, ihn hier zu behalten.

Einmal hat ihm seine Großmutter Mut machen wollen, als er übel angegangen worden ist. Sie nahm ein Stück Kohle in die Hand und fragte ihn: „Weißt du, was das ist, Charles?". "Ja, damit macht man Feuer", antwortete er. "Es ist noch viel mehr als das. Wenn du das Stück Kohle drückst und drückst, wird es zu einem wertvollen Diamanten. Denke daran, wenn man dir wehtut und die Welt gegen dich zu sein scheint. Lass sie ruhig, denn dein Diamant wird nur noch stärker glänzen."

Tatsächlich verströmt er in seinen Liedern eine Ehrlichkeit und Güte wie man sie sonst selten auf Bühnen und Tonträgern erlebt. Bei manchen Liedern haben auch viele Zuhörer Tränen in den Augen. Oft tritt er nach seinen Konzerten mitten unter sein Publikum und nimmt einige einfach in den Arm. Wer ihn erlebt, gewinnt das Gefühl. hier steht einer, der selbst Kraft und Hilfe von außen braucht und diese durch seinen Glauben erfährt.

So wie es in dem Bibelwort heißt: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Joh. 5,1-4). Wie nahe dann Tränen und Jubel beieinander liegen, das kann man in einem Konzert von Charles Bradley erfahren.

Und was ist das für ein Glaube, der einem Mut macht, wenn das Leben einem zu schwer wird? Was kann einem Kraft geben, wenn einem alles über den Kopf wächst und einem alles genommen wird?

Christen halten sich dann fest an Jesus Christus. Er hat auch schlimme Niederlagen erlebt, wurde von Freunden verraten, verhaftet und hingerichtet. Aber als es so aussah, als ob er von Gott und der Welt verlassen wäre – da hat Gott ihn auferweckt. Gott hat ihm das Elend und den Schmerz nicht erspart. Aber er hat ihn nicht verlassen. Gott hat Jesus Christus auferweckt. Er hat ihm neues Leben geschenkt.

Nicht Schwäche, Krankheit und Tod haben das letzte Wort. Gott eröffnet  immer wieder neue Lebensmöglichkeiten: So, wie er es für Jesus getan hat, so kann er es auch für mich tun und für Sie auch. Mitten im Leben, wenn man glaubt, nun sei alles aus und vorbei. Und am Ende des Lebens auch. Ich finde, das ist ein Grund zu echter Freude. Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Diesen weiten Horizont wünsche ich Ihnen heute und einen gesegneten Sonntag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Viele haben Schwierigkeiten bei der großen Flut an wichtigen und weniger wichtigen Informationen überhaupt noch Gottes Wort zu hören. Das geht mir auch oft so.
Besonders wenn man Zweifel hat am eigenen Weg oder schwere Fehlentscheidungen passiert sind, braucht man Zuspruch und Ermutigung. Was man dann nicht brauchen kann sind Hinweise, wie man das hätte verhindern können.
Mir ist das an folgendem Erlebnis deutlich geworden. Einem älteren Mann ist ein sehr dummer Fehler passiert. Dadurch hat er viel Geld verloren. Aber statt Hilfe und Verständnis haben alle in seinem Umfeld ihm nur große Vorwürfe gemacht. Bis er es nicht mehr hat ertragen können. Er hat ja um seinen Fehler gewusst, aber gerne hätte er auch irgendeine Ermutigung und den Zuspruch der Vergebung gehört. So hat er sich immer mehr zurückgezogen, seine Wohnung kaum mehr verlassen. Er, der bisher eher gesellig gewesen ist und mitten im Leben gestanden hat, wurde zunehmend einsamer und depressiver.
Mehr und mehr sind ihm als gläubigem Menschen auch Zweifel gekommen. Der Gedanke, ob Gott ihn jetzt auch ablehnt. Oder ob er umsonst auf Gott vertraut hat. Deshalb hat er mich angerufen. Ich habe versucht zu verstehen, warum er Gott nicht mehr spüren und hören kann. Ich habe dann auch versucht, mit ihm einen Weg zu finden, wie er wieder neues Zutrauen zu sich und zu Gott fassen kann. Wir haben ein paarmal miteinander telefoniert. Am Ende unserer Gespräche habe ich immer ein Gebet mit ihm gesprochen. Denn ich bin der Überzeugung, Gott sieht hin. Er hört uns. Und er redet mit uns. Auch wenn wir das manchmal lange nicht merken.
Kleine Schritte hat der Mann dann gewagt, Schritte nach draußen, kurze Spaziergänge. Die haben nicht nur ein bisschen Lebensfreude zurück gebracht, sondern auch ein Stück Selbstvertrauen und ein neues Hörvermögen. Er hat es mir so erklärt: „Jetzt kann ich die anderen Stimmen endlich wieder zurückdrängen und mit meinem Fehler leben. Ich habe Gott neu kennengelernt. Er segnet nicht nur das Gelingende. Ich habe gehört und gespürt, dass er auch mein Versagen mitträgt“
Gerade ist dieser Mann noch überflutet worden, von Vorwürfen und wenig hilfreichen Informationen. Seine Selbstvorwürfe und seine Glaubenszweifel haben ihm die Lebensfreude genommen.
Aber er hat Hilfe gesucht. Und in kleinen Schritten hat er sich Gottes Wort und Zusagen ganz neu anvertraut. Er hat gemerkt, dass Gott keinen loslässt.

Ich habe gelesen, dass die meisten von uns nur noch reizgesteuert sind. Sie können gar nicht mehr selbständig handeln und gestalten, nur noch reagieren. Das macht unsicher. Aber auch die Zweifel nehmen zu, an sich und am Glauben.
Wo bleiben da die Worte, die ein Leben aufrichten, die Trost und Hoffnung in verfahrenen Situationen schenken, die den weiten Horizont Gottes für mein Leben aufreißen?
Diese Fragenimmt der Ideenwettbewerb „Kirche macht was. Aus deiner Idee.“ auf. Da wird genau dieses Thema aufgegriffen, das viele beschäftigt oder eben lähmt. Ein Bild, ein gezeichnetes Motiv fasst es treffend zusammen. Es zeigt einen Menschen, der im Wasser zu versinken droht. Mehr noch, über diesem Menschen sieht man eine riesige Welle, die bald über ihm zusammenschlagen wird. Diese bedrohliche Welle setzt sich aus Buchstaben zusammen. Es ist das große Blahblahblah unserer Zeit. Tausende von Informationen, Meinungen und Ratschlägen – sie drohen den hilflosen Menschen in einer medialen Flutwelle bald zu ersticken. Auch das ansteigende Wasser ist in diesem Bild beschriftet. Es steht für die Zweifel, die viele Menschen umgeben, Zweifel an sich und am Glauben. Sie werden in zwei kurze Sätze gefasst. Zuerst: Gottes Wort spricht alle an. Darunter aber die Erfahrung, die heute viele teilen: Ich höre nichts.
Der Ideenwettbewerb fordert dazu auf, Lösungen für dieses Dilemma zu finden. Eine gute Idee kann man zum Beispiel auf der Internetseite www.kirche-macht-was.de mit anderen teilen.
Dass Sie heute Morgen zuhören, zeigt aber, dass Sie wahrscheinlich schon wissen, wie man Gottes Wort hören kann. Zum Beispiel in einer Radioandacht oder im Gottesdienst.
Was ist aber das Fundament, der Lebensboden, auf dem wir sicher stehen können? Mir fällt dazu die Geschichte ein, als sich Jesus von seinen Jüngern verabschiedet hat. Die Männer und Frauen konnten es damals noch kaum fassen, dass Jesus, der doch gekreuzigt, also getötet worden ist, jetzt wieder lebt und vor ihnen steht. Und deshalb steht im Matthäusevangelium, also in der Bibel: „Einige aber zweifelten.“ Jesus aber schüttet seine Jünger nicht mit einer Fülle von Erklärungen und Informationen zu. Nein, er weist nach vorne und sagt nur: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“
Ich verstehe das so: Egal ob jemand einen starken oder einen schwachen Glauben hat, auch wenn jemand zweifelt, Gott lässt ihn oder sie nicht los. Gott bleibt an seinen Menschen dran.
Ja, Jesus Christus bleibt bei uns. Das können wir glauben. Das gibt mir Halt und Orientierung. Das wünsche ich auch Ihnen.  Und einen gesegneten Sonntag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

und ihr seid die Reben (Joh 15,5):
Mit diesem einfachen Bild hat Jesus erklärt, woher Menschen ihre Kraft bekommen können.

Den Reben fließt durch den Weinstock Kraft zu, damit sie Früchte bringen können. Genauso ist es mit den Menschen, die sich mit Jesus verbunden haben und im Geist Jesu leben. Die leben aus seiner Kraft. Was Jesus gesagt und getan hat, das macht ihnen Mut. Auch wenn wir heute Jesus nicht mit eigenen Augen sehen, ist er nah und ganz fest mit unserem Leben verbunden. Wie der Weinstock und die Reben. Und Gott selbst kümmert sich um seinen Weinstock, dass er gedeihen und Früchte hervorbringen kann.
Manchmal denke ich, das ist ein bisschen wie mit unseren Kindern. Für die ersten Lebensjahre versorgen wir sie mit allem, was uns zur Verfügung steht. Wir sind wie miteinander verwachsen, stehen ihnen Tag und Nacht zur Seite, bieten ihnen Geborgenheit und ein Zuhause, unterstützen sie später auch bei ihren eigenen Schritten. Meine Kinder sind jetzt groß geworden. Gut zu wissen, dass sie sich zwar vom Elternhaus lösen, aber weiterhin mit Gott verbunden bleiben. Dieser Gedanke beruhigt mich und ich hoffe und bete, dass sie diese Verbindung auch nutzen.
Vor einiger Zeit hat mir ein älterer Mann gesagt. Ich weiß, dass Gott mir nahe geblieben ist – auch als ich gar nicht damit gerechnet habe. Er hat es bisher gut mit mir meint, deshalb nehme ich weiterhin gerne die schönen und die schwierigen Stunden aus seiner Hand. Und ich weiß genau, dass jetzt im Alter nicht alles nur schön sein wird. Umso wichtiger wird mir die Verbindung zu Jesus. Die hält mein Gottvertrauen wach.
Jesus hat das so beschrieben:
Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.
Und Jesus hat mit Frucht nicht den äußerlichen Erfolg oder eine gelungene Karriere gemeint. Eher ein Leben, das durch die Jahre hindurch von Gott gehalten und getragen ist, ein Leben, das Kraft weitergibt und Mut und Hoffnung – wie die Reben an einem Weinstock Saft und Kraft weitergeben.
Aber dieses Bildwort drückt noch etwas aus. Wenn Jesus mir so nahe ist wie der Weinstock den Reben, dann kann ich ihm alles anvertrauen, zum Beispiel beim Beten. Weil Jesus mir so nahe ist, versteht er auch alles, was sich in meinem Leben so zuträgt. Und weil er sich mit mir fest verbunden hat, bietet er auch in schwierigen Tagen Kraft, Trost, seinen festen Halt und überraschend wunderbare Möglichkeiten.

Immer wieder höre ich aber: Was kann ich schon bewegen oder bewirken? Ich habe doch viel zu wenig Kraft oder bin mit meinen Möglichkeiten so schnell am Ende. Vielen Menschen scheint gar nicht bewusst zu sein, was für eine Kraftquelle so ein Weinstock ist. Und sie vergessen oder verdrängen, wie wichtig sie selbst für andere sind, wie viele Trauben an einer Rebe wachsen können. Sie übersehen, wie viele gute Dinge sie anstoßen können, wie viel sie an Halt und Trost auch weitergeben können. Als menschliche Reben an Gottes Weinstock.
Alles liegt an der Verbindung, nicht nur beim Weinstock. Am elektrischen Strom kann man sich das klar machen: In meiner Küche brannte auf einmal nur noch eine von vier Halogenlampen. Drei sind auf einen Schlag erloschen. Das kann doch nicht sein, habe ich noch gedacht. Aber dann habe ich trotzdem eine um die andere Minibirne ersetzt, sie geprüft, aber sie haben einfach nicht geleuchtet. Dann habe ich den Trafo und die Verbindungen untersucht. Tatsächlich: Eine der Schrauben hatte sich gelockert. Der schlechte Kontakt hatte dann so viel Hitze erzeugt, dass die Leitung verkokelt ist. Erst mit einem neuen Kabel und fest angezogenen Verbindungen konnte der Strom wieder richtig fließen und die drei ausgefallenen Lampen zum Leuchten bringen.
Ich glaube, manchmal ist es mit unserem Leben ganz ähnlich. Es geht darum, diesen Kontakt wieder fest zu machen. Den Kontakt zur Quelle von Energie und Mut. Denn Gott will unser Leben und das der Menschen um uns herum in seinem Sinne zum Leuchten bringen, etwas bei uns bewegen. Oder im Bildwort von Jesus ausgedrückt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; ohne mich könnt ihr nichts tun.
Auch hier kommt es auf eine feste Verbindung an und dass diese Verbindung fest bleibt. Das übersieht man oft. Wer zu Jesus die Verbindung hält und wen Jesus trägt und hält, der kann wunderbare Lebensfrüchte hervorbringen, durch Gottes Wirken.
Jeder Mensch, ob jung oder alt, kann mit Energie und Kraft von Gott versorgt werden. Das habe ich selbst in den letzten Wochen ganz neu gelernt. Ein Onkel ist krank geworden, musste in die Klinik. Da ich selbst gesundheitlich angeschlagen war, konnte ich ihn aber nicht besuchen. So habe ich mich mit seiner Frau regelmäßig telefoniert. Und am Telefon haben wir auch miteinander gebetet. Damit die Verbindung zur Quelle unseres Lebens nicht abreißt. Ja, manchmal ist es an der Zeit, auch wieder aktiv und vielleicht sogar mit jemand anderem zusammen, die Verbindung zu Jesus und damit zu Gott zu suchen. Es hat uns miteinander gut getan und geholfen, die schwierige Zeit durchzustehen.
Jesus hat gesagt: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben.

Dass Sie das ganz praktisch in Ihrem Leben erfahren, wünsche ich Ihnen. Und einen gesegneten Sonntag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Muss man auch noch in den Sonntagsgedanken über Fußball und die WM sprechen? Eigentlich nicht. Für die kommende Woche hat meine evangelische Kirche aber ein Motto, das hat mich an ein paar Szenen auf und neben dem Spielfeld erinnert.
Da heißt es nämlich: Einer trage des andern Last.
Und da sind mir einige Situationen auf dem Rasen eingefallen. Zum Beispiel nach einer kräftezehrenden Verlängerung bei der es immer noch unentschieden gestanden hat. Die Nerven liegen blank, es geht zum Elfmeterschießen. Da fassen sich gestandene Männer an den Händen oder sprechen sich gegenseitig Mut zu. So geht es leichter, auf dem Rasen wie im richtigen Leben, wenn man dem anderen zeigt, ich bin bei dir, stehe dir zur Seite.
Noch so eine Szene: Nach einem dramatischen Spiel ist ein hochbegabter junger Spieler verzweifelt, ja fast untröstlich über das Ausscheiden der eigenen Mannschaft. Da geht einer zu ihm hin, einer, der gerade noch sein Gegner war, und der nimmt ihn in den Arm und tröstet ihn.
Was für ein Bild, was für ein Zeichen. Statt den eigenen Sieg auszukosten, hat sich dieser Spieler um einen weniger Erfolgreichen gekümmert, der die Niederlage nicht fassen kann. Ganz nach dem biblischen Satz: Einer trage des andern Last.
Ich weiß, man kann diese Fußball-WM auch ganz anders sehen: Denn Fußball wird von vielen extrem überhöht, und so eine Weltmeisterschaft kostet Milliarden und einige von diesen jungen Männern verlieren wegen ihrer Millionengehälter jegliche Bodenhaftung. Und auch die Medien berichten über Fußball als ginge es um Leben oder Tod. Dabei müssen an anderen Orten unserer Welt Millionen junge Menschen ganz andere Lasten und viel größere Schmerzen tragen .
Trotzdem finde ich: Die Bilder vom Fußballplatz, wo sich Spieler gegenseitig trösten und einander stützen, diese Bilder helfen, das Wesentliche im Leben nicht zu vergessen. Sind es nicht solche Zeichen und Taten, die uns Menschen zusammenbringen und zusammenhalten? Wenn einer hilft, die Last eines anderen leichter zu machen: Das stärkt die Hoffnung und den Glauben. Und ich glaube fest daran: genauso kann es auch an anderen Orten dieser Welt funktionieren.
Vielleicht gerade in einem der politischen Krisengebiete aber auch in einer ganz privaten Lebenskrise, die nur Sie und ich kennen.
In der Bibel heißt es: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Wenn also Menschen anfangen, sich gegenseitig zu helfen, dann tun sie, was Gott will.

Ich habe Ihnen hier im SWR4 Sonntagsgedanken gerade schon von den Fußballspielern erzählt, die einander stützen und trösten. Solche Geschichten gibt es natürlich auch sonst im Leben. Wahrscheinlich kann jeder von uns so eine Mutmach-Geschichte aus dem eigenen Umfeld oder dem eigenen Leben berichten, bedeutende aber auch weniger spektakuläre Erlebnisse. Ich denke da an einen jungen Mann und seine Familie, die sich seit mehreren Jahren bedingungslos einsetzen für die Pflege einer Frau, die einen Schlaganfall erlitten hat. Das kann man nicht aufwiegen und schon gar nicht bezahlen. Diese Last und Mühe, die das Leben des anderen erträglich macht.
Ein anderer meint,  er hätte nicht gedacht, dass er auch einmal Hilfe braucht. Aber dann war er einfach nur dankbar, als er es selbst nicht mehr geschafft hat. Er ist am Knie operiert worden. Und zwar ambulant. Das heißt, nach dem Eingriff wird man sofort wieder nach Hause geschickt. Aber nach dem Aufwachen hat er sich furchtbar elend gefühlt, konnte kaum atmen.
Da er schon einmal große Probleme mit der Lunge gehabt hatte, verfiel er in leichte Panik. Wie soll das gehen? Zuhause, steile Treppe, Schlafzimmer im dritten Stock... Bis zur Couch im Erdgeschoss hat er es dann gerade noch so geschafft.  Und wieder Panik, Atemnot. Aber seine Frau hat sich einfach ihren Schlafsack geholt und sich neben das Sofa auf den Boden gelegt. Es war eine schlimme Nacht, aber nur halb so schlimm, als wenn er die nächsten Stunden alleine hätte durchstehen müssen. Schön, wenn man merkt, wenn der andere einen braucht und dann einfach da bleibt – auch wenn es unbequem wird.
Einer trage des andern Last. Jemand ist da, wenn ich es alleine nicht schaffe oder einfach nicht mehr kann. Das ist unheimlich viel wert. Das tut gut.
Dazu braucht es oft nicht viel: Manchmal nur Dableiben und uhören. Wir Männer wollen ja oft eine Sache sofort angehen und lösen. Aber was braucht der andere wirklich.. Wieviel wird schon leichter, wenn man ein offenes Ohr findet, jemanden mit Geduld, jemanden, der das Gleiche sich auch nochmals anhört.
Oder jemanden, der Zeit schenkt. Der einmal neben einem Bett eine oder zwei Stunden sitzen bleibt, die Hand hält oder einen langsamen Spaziergang mitmacht. Oft hilft es viel, wenn jemand eine Besorgung erledigt oder einen anderen bei einem schwierigen Gang begleitet. Oder wenn einer in schwieriger Situation weiß: Da denkt jemand an mich und betet für mich.
Das ist nicht billig, sondern für viele eine große Unterstützung.
Wer es wagt, die Last anderer mitzutragen, der hilft ihnen zum Leben. Und vielleicht hilft er auch, dass der andere hoffen kann. Und glauben.
Ich wünsche uns allen die Kraft und die Geduld dazu – und Gottes Segen.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Wenn einer durchhalten kann und sich nicht beirren lässt – das beeindruckt mich.
So ein Mann lebt in unserem Nachbarort. Als er aus dem Berufsleben ausgeschieden ist, hat er sich neue Ziele gesetzt und er hat sich neue Aufgaben gesucht, bei Freunden oder Nachbarn, die Unterstützung oder Hilfe brauchen. Und um körperlich fit zu bleiben, steht er jeden morgen früh auf und bewegt sich.
Seine zwei Stunden spazieren gehen, die hält er eisern durch. Morgen für Morgen. Bei schönem und bei schlechtem Wetter, im Sommer wie im Winter. Weil er dran bleiben will am Leben, und damit er andern keine Last wird, sondern eine Hilfe sein kann.
„Jeden Morgen um sieben“, habe ich ihn gefragt, „da kannst du ja im Winter und im Wald nicht mal den Weg erkennen. Nimmst du da eine Taschenlampe mit?“ Er hat gelacht und erwidert: „ Nein, das brauche ich nicht. Ich kenne meinen Weg inzwischen so gut, dass ich ihn auch blind gehen kann.“
Wie er mit seinem Humor und Lebensmut, aber auch mit seinem Mitanpacken anderen gut tut, darüber spricht er nicht. Aber sein Durchhaltevermögen ist einfach bewundernswert. Dran bleiben, nicht nachlassen, sich nicht abbringen lassen von dem, was gut ist und gut tut. Ich finde das bewundernswert.
In der Bibel lese ich, dass Gott so mit seinen Menschen umgeht. Er lässt sich nicht beirren, sondern bleibt dran an jedem einzelnen von uns, Tag für Tag. Er will uns Gutes tun.
Mitten in der Bibel, im Buch des Propheten Jesaja ist festgehalten, was Gott selbst versprochen hat. Damals waren die Menschen entmutigt und verzweifelt. Sie hatten nur noch wenig Kraft und Hoffnung. Ihnen hat der Prophet im Auftrag Gottes gesagt:
„Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“(Jes. 54, 7-10).
Beständig und unbeirrbar geht Gott uns nach. So haben es Menschen damals dann auch erlebt. Das gilt aber auch für heute. Gott bleibt dran an uns Menschen mit seiner Liebe und seiner Gnade. Und er geht nicht weg, selbst dann, wenn alles zusammenbricht und einfach nicht mehr trägt – weil ich und weil vielleicht auch Sie das brauchen: Einen Gott, der einem nicht von der Seite weicht, sondern unbeirrbar bleibt.
Ich bin überzeugt: Ob wir an ihn glauben oder nicht, seine Liebe hört nicht auf. Mehr noch, er trägt auch das mit, was einen beschwert, er hilft auf, wenn man nicht mehr kann. Ich glaube, Gott ist es, der einem dann auch Menschen schickt, wie den Mann aus dem Nachbarort. Damit ich Gottes Nähe spüren und glauben kann. Auch das, was in einem Menschenleben nicht gelingen will oder falsch gelaufen ist, das will Gott zum Besten wenden. Dafür hat er einen langen Atem, so dass man am Ende nur staunen kann.

Gerade habe ich hier in den SWR4 Sonntagsgedanken von dem Mann erzählt, dessen Beständigkeit und Lebensmut mich schwer beindruckt haben. Und in der Bibel wird auch von Gott gesagt, dass er uns mit seiner Liebe und Gnade nicht von der Seite weicht.
Wie das aussehen kann, hat ein Junge erlebt:
Als er auf eine weiterführende Schule im Nachbarort wechselt, wird auch sein Schulweg bedeutend länger. Zum Glück gibt es einen Feldweg, eine echte Abkürzung. Aber auf diesem Feldweg muss man in einer Senke durch ein kleines Wäldchen hindurch gehen. Als er im Herbst bei hereinbrechender Dunkelheit zum ersten Mal dort durch das Waldstück läuft, ist ihm ganz schön mulmig geworden. Und dann hat er auch noch von weitem Schritte gehört.
Verstecken kann er sich nicht. Also stellt er sich der Situation und grüßt vorsichtig in die Dunkelheit hinein und fragt, wer denn der andere sei. Dann hört er die Stimme… und begreift: Das ist ja Vater! Da war seine Angst wie weggeblasen. Offensichtlich hatte der Vater sich erinnert, wie es einem in diesem Waldstück gehen kann. Und so ist er dem Sohn entgegen gekommen, damit der sich nicht fürchten muss.
Situationen, die einem Angst machen, die gibt es auch im Erwachsenenleben. Es gibt Momente, die einen schwer verunsichern. Und Dinge, denen man sich eigentlich stellen sollte, statt davon zu laufen oder sich zu verstecken.
Dann hilft es mir, mich an Gottes Versprechen aus der Bibel zu erinnern. Gott geht seinen Menschen nach, und wenn es dunkel wird, kommt er ihnen sogar entgegen. Er weicht nicht von mir. Das hat er versprochen. Der Prophet Jesaja hat es ausgerichtet.
Man kann es also wie jener Junge machen und in bedrohlichen Situationen die Initiative ergreifen. Man kann Gott ansprechen, zu ihm beten. Vielleicht gerade, um auf einem unsicheren Weg neue Sicherheit zu bekommen. Oder jemanden zu finden, der einen begleitet. Gott hört auch Stoßgebete oder meinen hilfesuchenden Seufzer Richtung Himmel. Man kann auch sich selbst laut vorlesen, was Gott durch seinen Propheten versprochen hat.
Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer (Jes. 54, 7-10).
Ich bin überzeugt: Auch wenn schon viel hingefallen ist, Gott weicht niemals von unserer Seite, sondern kommt uns Menschen mit seiner Liebe und Gnade entgegen. Das wünsche ich Ihnen und mir für die kommende Woche. Und einen gesegneten Sonntag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

„Früher gingen wir im Advent langsam auf die Festtage zu, heute geht Weihnachten auf uns los.“ Das hat vor ein paar Tagen ein Mann zu mir gesagt.
Weihnachten geht auf uns los: Es gibt vieles was diesen Eindruck erwecken kann. Der Zeit- und Termindruck, der viele Menschen gerade jetzt sehr ungnädig antreibt. Vor Weihnachten muss doch noch so viel erledigt werden. Vielleicht meint er auch die Überfülle an Musik und Weihnachtsliedern, die uns aus allen möglichen und unmöglichen Ecken entgegenschallen.
Ich gebe zu, über manche Auswüchse des Weihnachtsrummels kann man wirklich nur den Kopf schütteln. Trotzdem: Insgesamt  stört er mich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich finde es gut. Ich bin sogar froh, dass wenigstens einmal im Jahr wir alle miteinander an das Ereignis erinnert werden, das die Welt verändert hat: an die Geburt von Jesus Christus. Dieses Ereignis hat schließlich auch für mich persönlich enorme Bedeutung.
Ich verstehe es so und nehme ernst, was viele gerne singen und aus tiefer Überzeugung glauben: Seht die gute Zeit ist nah, Gott kommt auf die Erde, kommt und ist für alle da, kommt das Frieden werde.“ (EG 18) Jesus Christus, Gottes Sohn ist gekommen und hat mitten unter uns Menschen gelebt. Als ein Geschenk des Himmels. Das macht den Menschen bis heute Hoffnung und hilft ihnen, auch einen Blick über den Alltag und die eigenen Lebensgrenzen hinaus zu werfen.
Das ist die zentrale Botschaft von Weihnachten, das ist der Kern des Evangeliums. Wissen wir das noch? Nicht nur irgendwo weit hinten abgelegt in unserer Erinnerung, sondern auch ganz präsent mitten im alltäglichen Leben? Gottes ist den Menschen ganz nahe gekommen. Das hat sich im Leben von Jesus gezeigt. Daran kann ich mich festhalten. Und zwar genau dann, wenn mir manches zu viel wird. Wenn ich nicht mehr weiß, wie ich Belastungen tragen, wie ich Schwieriges ertragen oder hinausführen kann. Auch dann, wenn mir vieles in meinem Leben sinnlos und leer erscheint.
Ich stelle mir vor, dass es den Hirten in Bethlehem auf dem Feld genau so ging. Tagsüber haben sie hart gearbeitet, nachts mussten einige zudem noch Wache schieben. Bis sie mitten in der Nacht, bei ihrer Arbeit, erlebt haben, wie der Himmel aufgeht. Nur für sie, ein persönliches Weihnachtsfest. Sie zögern nicht. Sie gehen hin zu dem Kind, wie der Engel es ihnen gesagt hat. Und nachdem sie es gesehen hatten, war alles anders. Auf einmal haben sie begriffen, es kann anders werden: Das Leben muss nicht dunkel bleiben und ohne Freude.
Auf diese Freude macht uns bis heute so vieles aufmerksam. Aber sie ist nicht wirklich zu finden, wenn ich nicht auf dieses Kind schaue und mich von ihm anrühren lasse. Ich glaube, darauf kommt es wirklich an, jetzt im Trubel vor Weihnachten.

Einmal im Jahr, in der Adventszeit, wird man mit Liedern und Lichtern, mit Krippenfiguren und Engelshaar darauf gestoßen, dass Gott Mensch geworden ist. Aber wie findet man in all dem Trubel zu Jesus Christus, von dem wir glauben: So ist Gott? So sieht es aus, wenn Gott zur Welt kommt.
Wie kann man zu diesem Kern der Weihnachtsbotschaft finden?
Mir persönlich hilft es, immer wieder neu die Weihnachtsgeschichte zu lesen oder zu hören und dabei die Geschichte auf heute zu übertragen.
Wir sehen eine schwangere Frau und einen Mann in großen Schwierigkeiten, weit weg von ihrem Zuhause. Das hat es nicht nur damals gegeben. Auch heute gibt es Menschen, die verzweifelt einen Platz zum Leben suchen. Gott hat seinem Sohn diese Herausforderung nicht erspart und hat dabei gezeigt: Es braucht wenig, um zu helfen. Aber es braucht Menschen, die das tun, damit das Kind gesund zur Welt kommen und leben kann.
Ich entdecke in der Weihnachtsgeschichte außerdem Menschen, die vorher nichts miteinander zu tun gehabt haben, so wie auch heute viele nicht voneinander wissen. Dabei könnten sie eigentlich füreinander da sein. Damals waren es die Hirten, und dann die Gelehrten, die weisen Männer aus dem Osten und natürlich die kleine Familie, Maria, Josef und das Jesus-Kind. Ihre Herkunft, ihre Bildung und ihr Einkommen waren ganz unterschiedlich. Und gerade diese Menschen führt Gott auf wundersame Weise zusammen,. Und sie haben begriffen, dass bei Jesus die Hindernisse und Unterschiede aufgehoben werden. Da geht Ihnen der Himmel auf. Da passieren Wunder zwischen diesen Menschen. Jeder gibt dem anderen etwas und jeder geht danach reich beschenkt seinen Weg weiter.
Die Hirten erkennen, dass Gott sie nicht vergessen hat, dass er ihr Leben im Blick hat, auch ihre harte Arbeit. Und die Weisen sehen, dass nicht brutale Könige und reiche Kaufleute die Welt im Griff haben. Vielmehr schreibt Gott auf seine ganz eigene Art Menschheitsgeschichte und er hilft, sogar in einem kleinen Stall abseits der großen Straßen. Da begreifen beide, die einfachen Hirten und die gelehrten Männer, dass Gott in diesem kleinen Kind zu den Menschen kommt. So entsteht neue Hoffnung, für sie, und für alle Menschen bis heute.
Und die junge Familie in ihren Schwierigkeiten erlebt, dass sie nicht allein ist, dass Gott über diesem Kind wacht, dass er sie sogar mit reichen Geschenken versorgt. Und plötzlich ist Glanz in der Hütte. Es gibt Hoffnung und Licht, sogar im Stall.
Das wünsche ich auch Ihnen, dass Sie mitten im trubeligen Alltag Gottes Nähe spüren. Vielleicht gerade an diesem Sonntag. Dazu wünsche ich Ihnen Gottes Segen.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1:

Haben Sie schon einmal so richtig Glück gehabt? Etwas Besonderes erreicht oder einen großen Gewinn gemacht? Vielleicht auch eine einmalige Chance ergreifen können oder einen lieben Menschen gefunden, der jetzt zu Ihnen gehört? 

Nicht jeder kann jetzt sagen: So etwas ist mir auch schon passiert. Viele hoffen noch, dass sie endlich auch einmal das große Glück finden. Und sie würden alles dafür geben... 

Auf neues Lebensglück haben auch viele Menschen gehofft, die damals Jesus aufgesucht haben. Sie hatten von seinen Wundern gehört, von der großen Kraft Gottes, die man da erleben konnte. Sie haben gehört, dass die Menschen, die bei ihm waren, verändert und glücklich nach Hause gegangen sind.Und andere haben gerne alles zurück gelassen, um bei Jesus zu bleiben und mit ihm Gott zu erleben. 

Damals sind immer mehr aufgebrochen, voller Hoffnung, dass Jesus auch Ihnen helfen würde. Und tatsächlich hat Jesus viele gesund gemacht. Er hat bei einer seiner Reden sogar tausende von Menschen mit sieben Broten und zwei Fischen satt gemacht. Aber das Glück, das er weitergegeben hat, war nicht bloß Geld und Brot, auch nicht Gesundheit oder eine besondere berufliche Karriere. Das Glück, das Jesus den Menschen vermittelt hat, war etwas anderes. Und die Menschen fanden anscheinend: Das ist tatsächlich etwas Besseres. 

Er hat Menscheneinen neuen Horizont eröffnet, er hatsie mit Gott vertraut gemacht.Und das geschieht auch heute. Seine Worte öffnen vielen die Augen. Sie geben vielen Menschen eine Ahnung von Gottes himmlischer Welt und von seinen Möglichkeiten, ganz konkret, im Alltag hier und heute. 

Jesus sagt: Dafür lohnt es sich, alles einzusetzen. Das ist wie wenn ein Schmuckhändlerauf einer Handelsreise die wertvollste Perle der Erde angeboten bekommt oder wie wenn ein Mensch in einem nahen Acker einen wertvollen Schatz findet. Würde der Händler nicht alle Hebel in Bewegung setzen, um diese Perle tatsächlich zu bekommen? Und der glückliche Finder: Würde der nicht sofort versuchen mit seinem ganzen Vermögen den Acker zu kaufen, in dem sich der Schatz befindet?

Für mich sagt Jesus damit: Genau so findet man Gott, unerwartet und mitten im Leben, vielleicht beim Radiohören oder beim Nachdenken oder bei einem Gebet. Wie eine Wahrheit, die man plötzlich versteht, wie eine Begegnung, die ein Leben verändert. Ich glaube, dann sollte man nicht zögern, auf dieses Glück sein weiteres Leben zu gründen.

 Teil 2

Auch die Urlaubszeit hat mit der Suche nach Lebensglück zu tun. Wenn in diesen Wochen wieder viele aufbrechen und verreisen, suchen sie nicht nur Erholung, sondern oft auch nach einem anderen Leben. Viele Urlauber hoffen durch Abstand und Ruhe eine neue Richtung für ihr Leben zu finden. Oder dass neue interessante Eindrücke ihrem Leben einen neuen Antrieb geben. 

Manche hoffen sogar, dass sie in dieser kurzen, schönen Zeit vieles aufarbeiten können. Oder dass neu auflebt, was irgendwie eingeschlafen oder vertrocknet ist.Sie haben ganz große Erwartungen bis hinein in die Partnerschaft und Beziehung. Ob der Urlaub das aber leisten kann? 

Andere wiederum lassen bewusst alles hinter sich und leisten sich etwas Außergewöhnliches.Sie wollenin der Ferne dasGlück finden, das sie zuhause vergeblich suchen. 

Ich wünsche allen, die jetzt auf Reisen gehen, dass sie sich nicht überfordern und die Enttäuschung nachher größer ist als zuvor. Manchmal ist es vielleicht besser, den Urlaub mit bescheideneren Erwartungen anzugehen.Man kann sich nicht alles selbst geben und auch die anderen Menschen sind mit solchen Ansprüchen oft überfordert. Und meistens gehen die anderen ja ebenfalls mit großen Erwartungen und Ansprüchen auf die Reise. 

Dabei kann man diese Urlaubszeit ja wirklich gut nutzen, zuhause genauso gut wie auf einer Reise. Das meint Jesus mit seinen beiden Geschichten, vom unermesslichen Schatz im nahen Acker und von der wertvollen Perle, die einem unerwartet angeboten wird. Ich würde vielleicht eher sagen: Mit den beiden Geschichten, die Gottes Nähe zeigen. Er ist ganz nah. Man muss ihn bloß finden. 

Ich glaube, der Urlaub ist auch dazu da, das Gottvertrauen aufzufrischen, weildas Lebensglück doch am Ende von Gott kommt.

Im Urlaub kann man spüren, wie schön das Leben sein kann: Die Berge oder das Meer, ein Frühstück am Sonntagmorgen, wenn die Vögel singen, entspannte freundliche Menschen. Da kann man neu erfahren: Gott meint es gut mit mir. Das macht dankbar. Da wächst das Gottvertrauen.

 Manche nutzen auch den Urlaub, um mal wieder in eine Kirche oder sogar in einen Gottesdienst zu gehen.Auch da wird man erinnert: Gott meint es gut mit seinen Menschen.

Ich finde: Auch da kann man Gottes Güte begegnen. Das ist wie der Schatz im nahen Acker, das ist wie die Perle, die dem Schmuckhändler unterwegs angeboten wird. Zu Gott finden und auf ihn vertrauen. 

Dass Sie diese Perle des Gottvertrauens finden oder diesen Schatz desGlaubens für sich ausgraben, das wünsche ich Ihnen - hier zuhause oder im Urlaub.

Und einen gesegnete Sonntag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Manche Menschen sind richtige Lebenskünstler. Sie lassen sich nicht beirren. Sie machen auch noch aus völlig verfahrenen oder verkorksten Situationen das Beste. So eine Frau habe ich im Zug getroffen.
Sie ist zugestiegen, zusammen mit vier weiteren Personen. Die vier hatten eine dunkle Hautfarbe sprachen schlecht deutsch und kannten sich offensichtlich nicht aus. Aber alle 5 hatten ein gemeinsames Ticket. Und die junge Frau hat dann versucht mit ihren Mitreisenden den Fahrpreis abzurechnen. Weil ihr Wechselgeld nicht ausgereicht hat und ich ihr aushelfen konnte, sind wir miteinander ins Gespräch gekommen.
Sie ist in Bulgarien geboren, hat sie mir erzählt, aber jetzt schon einige Jahre in Deutschland. Sie schlägt sich mit verschiedenen Jobs durchs Leben. Sie hilft auf dem Messegelände aus oder übersetzt simultan bei Kongressen.
Und was tun sie, hat sie mich dann gefragt. Ich bin Pfarrer, habe ich geantwortet. Darauf hat sie mir sofort erklärt: Ich bin Atheistin, ich glaube nicht an Gott, höchstens an eine höhere Macht. Eines habe sie bald gelernt: Man braucht viel Energie fürs Leben. Man muss sich immer wieder neu erfinden und auch einmal um 180° umkehren, sonst kommt man nicht durch.
Die Frau hat mir dann ihr halbes Leben erzählt. Als sie frisch nach Deutschland gekommen war, hat sie eine Ausbildung bei einer Rechtsanwaltskanzlei begonnen. Alleine hier, ohne Eltern, ohne Geld. Deshalb hat sie während ihrer Ausbildung aus Kostengründen ihre Zimmer aufgegeben. Fast zwei Jahre lang sei sie obdachlos gewesen, zuerst nur aus Sparsamkeit. Als ihr Chef aber davon gehört hat, hat sie auch noch den Ausbildungsplatz verloren.
Aber als sie obdachlos war, hat die Frau gesagt, da sei ihr aufgefallen, wie bequem sie und andere sich in dieser Randexistenz eingerichtet hätten.
Und voller Stolz hat sie mir weitererzählt: Da habe ich mich nochmal aufgerafft. Ja, es ist sehr schwierig gewesen. Es hat viele Hindernisse gegeben und auch Rückschläge, aber ich habe mich immer wieder selbst überwunden und schließlich herausgekämpft. „Gott-sei-Dank", hat sie gesagt, die junge Atheistin.
Ein bisschen erstaunt habe ich ihren letzten Satz wiederholt. „Gott-sei-Dank? Meinen Sie das wirklich?" „Ja, schon", hat sie geantwortet. Man lebt doch erst richtig, wenn man sich anstrengt und eine Umkehr schafft. Aber man muss auch ein bisschen Glück dabei haben.
Und ich habe gedacht, Ja, so ist es. Gott hält oft schützend seine Hand über unser Leben und führt manches gut hinaus, was wir nicht in der Hand haben. Gott sei Dank.
Eine junge Frau im Zug hat mir gesagt: Man muss immer in Bewegung bleiben. Und aufmerksam dafür, was man dringend anders anpacken muss. Damit man nicht nur vor sich hin existiert, sondern wieder aufleben kann. Das Leben besteht doch aus lauter Umbrüchen und Veränderungen. Ohne eigenen Antrieb und Anteil gibt es aber keine Veränderung, hat sie gemeint.
Und dann hat sie mich gefragt, ob ich ebenfalls schon solche Erlebnisse, hatte, eine komplette Umkehr mitten im Leben?
Bekehrung, ist mir da eingefallen. Sie fragt eigentlich nach Bekehrung.
Und ich habe gestaunt, dass ausgerechnet eine Atheistin nach dem fragt, was wir Christen Bekehrung nennen.
Mir fallen einige solcher Momente in meinem Leben ein. Manchmal bin ich sehr unsicher gewesen in solchen Umbrüchen. Dann war ich froh, wenn mich jemand dabei ermutigt hat. Im Nachhinein bin ich dankbar, dass es gelungen ist. Deshalb möchte ich diese Frage auch an Sie weiterreichen: Was hätten Sie der jungen Bulgarin geantwortet? Was könnten Sie beschreiben, erzählen von den eigenen Veränderungen... Und was ist zu persönlich? Und vor allem: Was steht jetzt an? Wo wäre jetzt eine Veränderung nötig oder sogar eine Umkehr? Und was braucht es dazu. Oder was Sie zurück, Ihrem Leben noch einmal einen neuen Anstoß zu geben?
Heute, am Muttertag, denken manche vielleicht über die eigene Familie nach, Kinder über Eltern, Eltern über Kinder, über das was gut ist, aber auch über das, was weniger gut gelaufen, vielleicht sogar auseinandergegangen ist. Kann ich da noch etwas ändern? Besitze ich genügend Kraft, noch einmal umzukehren, auf den anderen zuzugehen?
Man lebt erst richtig auf, wenn man die Umkehr wagt, hat die junge Frau gesagt. Und ich glaube, dass Gott uns seine Hilfe anbietet für so einen Neuaufbruch.
Jesus hat es so ausgedrückt: „Ich lebe und ihr sollt auch leben." (Joh 14,19).
Für mich heißt das: Gott lässt uns aufleben, wenn wir mit ihm den Aufbruch wagen, wenn wir uns zum Beispiel von Enttäuschungen oder Empfindlichkeiten bewusst verabschieden und auf andere wieder zugehen. Wenn wir ihnen die Hand reichen, ob sie es verdient haben oder nicht.
Das Ziel ist, was Jesus so einfach ausgedrückt hat: „Ich lebe und ihr sollt auch leben." Ich muss mir nicht mehr schwach und zerbrechlich vorkommen, Gott schenkt mir Kraft für einen neuen Anfang.
Wenn es Ihnen also nötig scheint: Wagen Sie ruhig Ihre ganz persönliche Umkehr oder einen Neuaufbruch. Sie werden aufleben! Und vielleicht können Sie dann wie die junge Frau Gott-sei-Dank sagen. Ich wünsche Ihnen deshalb heute einen ganz besonderen Muttertag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Ja, diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht. Das Schönste und Wichtigste im Leben bekommt man geschenkt.
Nie vergessen werde ich zum Beispiel diesen einzigartigen Moment als ich - gleich nach der Geburt - unsere Tochter zum ersten Mal in den Armen habe halten dürfen. Was für ein Glück, was für eine besondere Freude war das. Was für ein unvergleichliches Geschenk das Leben doch ist. An diesem neugeborenen Kind ist mir das so eindrücklich bewusst geworden. Das Wichtigste im Leben bekommt man geschenkt. Wie zum Beispiel Glück und Freude oder Gesundheit und Frieden, aber auch Freunde und die Familie oder eben dieses Kind. Als ich damals die Eltern angerufen habe und von unserem großen Glück berichten wollte, hat mich dieses Geschenk Gottes so bewegt, dass ich kaum sprechen konnte.
So wird es auch im Stall von Bethlehem gewesen sein. Als Maria und Joseph den kleinen Jesus zum ersten Mal auf ihre Arme genommen und gedacht haben: Was für ein Geschenk! Da haben sie sicher alle anderen Sorgen und auch die schwierigen Umstände für einen Moment vergessen: Die Schikanen der Römer bei der Volkszählung, die Suche nach einer Unterkunft, die ungewisse Zukunft. Ihr Kind hat das alles überstrahlt. Gottes Geschenke bereiten tiefe Freude, dass sogar Beschwerliches oder Ärgerliches in den Hintergrund treten muss.
Mehr noch: Von außen betrachtet hat es sich damals im Stall nur um eine armselige Geburt gehandelt. Aber die Bibel erzählt, dass damals allen, die dort waren, klar geworden ist: Das Jesuskind ist nicht nur ihnen geschenkt worden. Es hat eine viel größere Bedeutung. Gott will mit diesem Kind die ganze Welt beschenken.
Heute feiern wir den vierten Advent. Und wir erinnern uns an die Ankunft des göttlichen Kindes mitten in der Welt.
Im Advent schauen wir aber auch auf den erwachsenen Jesus, der für viele sprichwörtlich ein Geschenk des Himmels ist. Er hat seinen Mitmenschen von der Liebe und vom Frieden Gottes erzählt, er hat ihnen in ihrer Not geholfen, ihre Herzen berührt. Er hat viele gesund gemacht oder von anderen  Lasten befreit. Nicht weil sie es verdient gehabt hätten oder bessere Menschen gewesen sind, sondern weil sie Gottes Geschenk dankbar angenommen haben.
Ja, das Wichtigste und Schönste im Leben bekommt man geschenkt. Deshalb feiern wir Advent und Weihnachten. Deshalb beschenken wir uns gegenseitig. Und deshalb lohnt es sich auch, in jedes Geschenk Liebe und Sorgfalt zu packen. Denn so wird die Erinnerung an das größte Geschenk aller Zeiten wach gehalten und kann viele Menschen erreichen. Damit möglichst viele von Gott mit Freude und Frieden beschenkt werden.

Das Wichtigste im Leben bekommt man geschenkt. Und gerade die Weihnachtszeit erinnert mich immer wieder daran. Vielleicht haben Sie diese Erfahrung auch schon gemacht. Sogar Dinge, die ich mir eigentlich gut selber kaufen könnte, bekommen einen anderen Wert, wenn ein lieber Mensch sie mir schenkt.
Natürlich überdeckt der ganze Weihnachtsrummel viel vom ursprünglichen Anliegen der Festzeit. Und viele tun sich auch schwer, überhaupt geeignete Geschenke für ihre Lieben zu finden. Manche können auch nur wenig für Präsente ausgeben. Aber wertvolle Geschenke müssen nicht unbedingt viel Geld kosten. Einige meiner Freunde und Bekannten schätzen es, wenn man sich mal wieder gezielt verabredet, zu einem Essen um die Ecke oder auch zuhause, für einen Ausflug  oder für einen schönen Film.
Zeit, die man füreinander reserviert, ist ein wunderbares Geschenk.
Weil man das Schönste und Wichtigste im Leben geschenkt bekommt, lasse ich mir das Schenken und Beschenkt werden bestimmt nicht von Weihnachtsmuffeln vermiesen. Ich finde sogar, Schenken und Beschenkt werden sind ein echter Gegenentwurf zu einer Gesellschaft, die jede Leistung berechnet und fast alles nur noch in Geld ausdrückt.
Beim Beschenken darf man das Aufrechnen weglassen und sich von anderen Gedanken leiten lassen. Worüber würde sich der Beschenkte besonders freuen? Vielleicht auch über etwas Symbolisches, denn viele haben doch schon alles, was sie täglich brauchen? Wie kann ich vielleicht sogar einen guten Anstoß weitergeben, der diesem Menschen in seiner gegenwärtigen Situation weiterhilft, seinen Glauben stärkt oder einfach nur zeigt: Ich bin für Dich da. Vielleicht durch einen ermutigenden Brief oder durch ein anregendes Buch?
Wer sich so für andere aber auch für die Botschaft von Jesus öffnet, der setzt bereits um, wozu die Propheten, die Gottesmänner schon lange vor Jesu Geburt eingeladen haben. Ihre Botschaft war schlicht, aber hilfreich:
Ebnet den Weg für Gott" Macht Platz in Eurem Leben für das, was Gott will. Macht die Hindernisse niedrig, dass Gott wirklich einziehen kann mit seinem Geschenk und mit Euch Weihnachten feiern. Tut, was ihr könnt, damit die Menschen um euch herum sich nicht in ihrem Kummer oder ihrem Unglück vergraben - sondern sich über Gottes Fürsorge freuen können.
So gesehen liegt es auch an mir, ob Gottes Geschenk ankommen, ob seine Freude sich in meinem und in vielen anderen Wohnzimmern ausbreiten kann, wie damals im Stall.
Das Wichtigste im Leben bekommt man geschenkt. Das ist ein Teil der Weihnachtsbotschaft von Jesus. Also lassen Sie sich beschenken und geben Sie diese Freude weiter. Ich wünsche Ihnen dazu einen gesegneten, einen von Gott beschenkten vierten Advent.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14388
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