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SWR4 Abendgedanken

„Früher, als ich noch jung und schön war“ – diese Floskel sagt man so dahin und nicht selten folgt ein Seufzer… Ja, Jugend und Schönheit gehören irgendwie untrennbar zusammen. Das ist von der Natur ja offenbar auch beabsichtigt, damit junge Leute von einander angezogen werden, und dafür sorgen, dass wir Menschen nicht aussterben. Im Hohelied Salomos im Alten Testament kann man dazu sehr bildreiche Worte hören. Da schwärmen zwei Verliebte gegenseitig von ihrer Schönheit:“…der Gazelle gleicht mein Geliebter…“ oder „du erscheinst wie das Morgenrot…“, „…deiner Hüfte Rund ist wie Geschmeide, gefertigt von Künstlerhand…“. Sicher, „die Schönheit liegt im Auge des Betrachters“, es gibt auch junge Menschen, die nicht unserem Schönheitsideal entsprechen.  Das hat sich natürlich auch geändert  im Laufe der Jahrtausende. Aber in der Regel sind es doch junge Menschen, die wir bemerkenswert schön finden. Die ein schönes Gesicht haben, einen makellosen Körper. Doch wie geht es denen, die meinen zu wenig attraktiv zu sein, die sich nicht schön und begehrenswert finden?
Daran denke ich und bin berührt, wenn ich einen Song von Sarah Connor höre: „Wie schön du bist“, singt sie und es heißt da: „…doch wenn du lachst kann ich es sehn, ich seh dich mit all deinen Farben und deinen Narben. Hinter den Mauern. Ja ich seh dich. Lass dir nichts sagen, nein lass dir nichts sagen. Weißt du denn gar nicht wie schön du bist.

Ich finde den Text sehr ermutigend für Menschen, die an sich selbst zweifeln, traurig sind. Das Lied kann einem jungen Menschen Hoffnung machen, irgendwann jemanden zu treffen, der ihn so mag wie er ist, für den das Schönheitsbild in den Medien, überhaupt kein Maßstab ist.
Aber der Text kann auch einen älteren Menschen versöhnen, der an seinem Spiegelbild scheinbar nichts Schönes mehr entdecken kann. Weil er inzwischen vom Leben gezeichnet ist: Da sind die vielen Falten im Gesicht, da sind die Narben. Aber diese Unvollkommenheiten erzählen vom Leben. Von Enttäuschungen, die ein Mensch erlebt hat, von Sorgen, die vielleicht einen bitteren Zug um den Mund erscheinen lassen. Aber die vielen Lachfalten erinnern auch an glückliche Zeiten. „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“, sagt der Dichter Christian Morgenstern. Auch ältere Menschen können schön sein. Es tut gut, sich selbst mal etwas liebevoller zu betrachten. Und wenn ich den Menschen liebevoll anschaue, mit dem ich zusammen alt geworden bin. Der mir so vertraut ist über die vielen Jahre, kann ich auch jetzt noch viel liebenswert Schönes entdecken. Und es freut ihn ganz bestimmt, wenn ich es ihm auch sage: Zum Beispie wie herzerfrischend er immer noch lacht. Was er für schöne blauen Augen hat, wie gut mir seine Art immer noch tut…

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SWR4 Abendgedanken

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ – heißt es bei Friedrich Schiller. Eine Nachbarin hat mir den Spruch neulich aufgesagt. Ein anderer Nachbar hat sich am Geplätscher ihres Springbrunnens gestört und eine große Trennwand aufgestellt. Die gefällt ihr nun ganz und gar nicht.

Es gibt nichts Schlimmeres als mit den Nachbarn Streit zu haben, wenn man in einem Reihenhaus so nah nebeneinander wohnt wie wir. Ich fühle mich dann einfach nicht wohl. Das habe ich kürzlich gemerkt: Alle Eigentümer sollten gemeinsam eine Entscheidung treffen, es gab aber vollkommen gegensätzliche Meinungen. Eine unangenehme Situation. Ein Nachbar fühlte sich irgendwie persönlich beleidigt und hat nicht mehr gegrüßt. Glücklicherweise hat sich die Lage wieder entspannt. Ich verstehe nicht, wie Nachbarn manchmal über Jahre permanent im Streit miteinander leben. Es kann ja hin und wieder durchaus berechtigt sein, aber wenn es sich dann so hochschaukelt, dass man beinahe darauf wartet, sich wieder aufregen zu können, geht doch auch ein Stück Lebensqualität verloren! Dort stört eine Bepflanzung, auf der anderen Seite sind die Kinder zu laut. Auf eine Beschwerde folgte sofort eine Retourkutsche. Leider ist das Ganze so ein Teufelskreis, dass ein friedliches Nebeneinander nicht möglich zu sein scheint. So schade! Und ich kann nicht einmal sagen, wer der „fromme“, der friedliche Nachbar ist und wer der böse. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Solange du deinem Nachbarn das Anderssein nicht verziehen hast, bis du noch weit zurück auf dem Weg der Weisheit.“ Menschen sind nun mal sehr verschieden, nehmen Dinge unterschiedlich wahr. Leben ganz anders. Damit muss ich mich abfinden. Und ich darf nicht zu kleinlich sein, muss manches einfach mal zulassen, auch wenn ich mich ärgere. Einfach um des lieben Friedens willen. Man kann sich ja auch mal mit Humor abreagieren… Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Natürlich werden manchmal Grenzen überschritten, da muss ich auch mal ganz bestimmt meine Meinung sagen, aber wohlüberlegt und auf eine freundliche und kooperative Art und Weise. Das ist bisher fast immer gut gegangen. Es ist allerdings dann schwierig, wenn es im Vorfeld schon so viele im Grunde unnötige Querelen gegeben hat. Ich finde, da muss einer mal den Teufelskreis durchbrechen – vielleicht gibt es ja die passende Gelegenheit: spontan Hilfe anbieten, mal was Nettes sagen – über die Kinder, über den schönen blühenden Baum. Oder die Nachbarn auf ein Glas Sekt einladen, wenn man im Garten feiert… Es gibt da viele Möglichkeiten, wenn beide offen sind, etwas ändern wollen.  

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SWR4 Abendgedanken

„Menschen bringen ihre Probleme in den Urlaub mit“ sagt ein katholischer Urlaubsseelsorger. Er betreut auf Teneriffa deutschsprachige Urlauber. Bei ihm treffen Menschen auf offene Ohren, wenn sie sich im Urlaub mal ihren Kummer von der Seele reden wollen. An einen Urlaub knüpfen wir oft hohe Erwartungen. Diese sind natürlich  sehr unterschiedlich: Die einen wollen endlich mal ausspannen. Andere haben ganz genaue Vorstellungen, was sie besichtigen wollen, sind neugierig auf Abenteuer, wollen Sport treiben. Auf alle Fälle hoffen wir auf harmonische, frohe Tage. Doch leider erfüllen sich nicht immer alle Wünsche und manchmal kann ein Urlaub auch richtig schief gehen. Besonders auch dann, wenn man merkt, dass die Probleme, die man zu Hause miteinander hat, auch im Urlaub da sind. Dabei hofft man doch, dass im Urlaub alles besser ist. Sich Probleme vergessen lassen oder sogar verschwinden. So nah wie im Urlaub sind sich manche Paare das ganze Jahr über nicht. Manchem wird erst dann richtig bewusst, was nicht gut läuft zwischen ihnen. Dass sie oft routinemäßig nebeneinander her leben und in manchen Dingen doch so ganz anders „ticken“. Eine Bekannte von mir beschwert sich, dass Urlaub mit ihrem Mann ganz schwierig ist, jetzt wo die Kinder nicht mehr mitkommen. Beim Wandern legt er so ein Tempo vor, dass sie Mühe hat mitzukommen. Sie wandert auch gern, aber nicht so! Ständig  gibt’s Zank. Beide lieben das Meer, aber auch dort kommen sie schwer auf einen gemeinsamen Nenner. So schade! Meine Bekannte erzählt, dass sie es zu Hause, im Alltag auch oft schwer miteinander haben. Könnte er nicht so manches Mal etwas rücksichtsvoller sein, aufmerksamer? Und umgekehrt denkt er, „wieso gängelt sie mich nur dauernd, ich brauche doch auch mal Zeit für mich.

Im Urlaub könnten die beiden solche Dinge wunderbar besprechen, wenn sie beide dafür offen sind. Versuchen, einander zu  verstehen. Da hätten sie Zeit und Ruhe sich mal darüber austauschen, wie sie bestimmte Dinge wahrnehmen. Sind sie glücklich mit ihrer Situation oder müssen sie dringend was ändern? Wäre es nicht schön, wieder mehr gemeinsam zu tun? Vielleicht reichen schon ein paar kleine Kompromisse, ein bisschen mehr Geduld und sie können beide dabei glücklich und zufrieden sein. Im Urlaub kann man mitgebrachte Probleme nicht unbedingt lösen. Aber neue Wege dahin erkennen. Wenn man Dinge mal in entspannter Atmosphäre klar ausspricht, über Gefühle redet. Das kann oft schon ganz gut entlasten. Und auch die Seele entspannen. Damit sich ein wirklicher Erholungseffekt einstellt – einer, der auch noch wirkt, wenn der Alltag schon längst wieder begonnen hat.

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SWR4 Abendgedanken

„Warum bist du nur immer so eigensinnig“, so schimpfe ich schon mal, wenn ich verärgert bin. Weil jemand anders als erwartet reagiert. Wenn er mir widerspricht. Sich einfach nicht von mir überzeugen lässt. Das kann mein Mann sein, aber auch mein kleiner Enkelsohn. „Eigensinnig“ empfinde ich als negativ. Im Wort „eigensinnig“ steckt „eigener Sinn“, und wenn ich überlege: Ist es denn nicht in bestimmten Situationen auch gut, sogar wünschenswert, sich seine eigenen Gedanken zu machen? Das zu sagen, was man denkt, was für einen Sinn macht und danach zu handeln?

Wie oft habe ich im Leben das gemacht, was andere von mir erwartet haben, auch wenn ich tief im Inneren überhaupt nicht der Meinung war, dass das jetzt gut ist, für mich und auch für andere. Aber ich habe mich nicht getraut etwas dagegen zu sagen. Weil wir damals so erzogen worden sind: „man widerspricht Erwachsenen nicht, oder Leuten, die das Sagen haben“. Ich bin in der DDR groß geworden, da konnte ich in der Schule und während des Studiums nicht sagen, was ich wirklich gedacht habe. Da musste ich z. B in Prüfungen Dinge von mir geben, die mir völlig widerstrebt haben, sonst  hätte ich große Probleme gekriegt. Irgendwie hab ich mich damit arrangiert, aber im Grunde habe ich mich immer unwohl gefühlt dabei. Wie so viele. Aber wie so viele habe ich meinen Glauben bewahrt, auch wenn es Spott gab und Nachteile. Wenn man so will – eigensinnig.
Wer eigensinnig ist hinterfragt die Dinge, die von ihm verlangt werden. Das ist für andere manchmal unbequem. Aber ein eigensinniger Mensch will ja anderen nichts Schlechtes. Und mit Geduld und den richtigen Argumenten lässt er sich schon auch umstimmen. Er traut sich lediglich  zu sagen, wenn er etwas nicht einsieht und ist meist nicht bereit etwas nachzureden, von dem er nicht überzeugt ist. Ich muss mich davor hüten, Eigensinn mit Egoismus zu verwechseln. Ein Egoist hat nur sein Wohlergehen im Auge und ihm ist es gleich, wenn andere dabei das Nachsehen haben. Eigensinnige dagegen achten die Rechte und die Gefühle anderer.

Ich hätte mir in der Vergangenheit manchmal ein bisschen mehr Eigensinn gewünscht. Inzwischen habe ich gelernt und sage meine Meinung , wenn etwas in meinen Augen keinen Sinn macht.

Glücklicherweise, gab es und gibt es zu jeder Zeit ganz besondere eigensinnige Menschen, die sich nicht beirren lassen und ihre Ideen und Überzeugungen verteidigen gegen so manche Widerstände, gegen alle Traditionen und Regeln.  Sie haben schon viel Gutes für ihre Mitmenschen bewirkt. Nikolaus Kopernikus zum Beispiel, der sich nicht ausreden ließ, dass sich die Erde um die Sonne dreht...

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SWR4 Abendgedanken

„… und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende!“ So enden die meisten Märchen. Zwei Liebende haben sich endlich gefunden, alle Hindernisse sind aus dem Weg geräumt und es wird eine prächtige Hochzeit gefeiert. Das klingt so leicht und beinahe selbstverständlich, eben märchenhaft. Im richtigen Leben läuft es da nicht immer so glatt. In einem klassischen Liebesfilm wird deshalb „…beim Happy End abjeblendt“ – meint Kurt Tucholsky in einem Gedicht. Weil es dann auch schwierig werden kann und vielleicht unschön. Und das wollen wir nach den schönen Bildern ja nicht wirklich sehn.

Fragt man junge Menschen, so wünschen sich die meistens eine Liebe, die ihnen bleibt, in guten und in bösen Zeiten, ob nun mit oder ohne Trauschein und dem Segen der Kirche. Bei einer kirchlichen Trauung wird sehr oft zur Lesung ein besonderer Text ausgesucht, ein Abschnitt aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Darin lobt Paulus die Liebe in höchsten Tönen und zum guten Schluss heißt es: „Die Liebe hört niemals auf!“ Das klingt ein bisschen wie eine Versicherung für Liebende - doch die gibt es nicht! Aber dass die Liebe zwischen zwei Menschen bis ans Lebensende bleibt, dass sie glücklich miteinander sind, eine so lange Zeit, das ist möglich!

Allerdings nicht gratis, es wird einem dafür manchmal auch ganz schön was abverlangt. Weil das Leben oft ganz anders verläuft, als man sich das erträumt hat. Es stellt uns vor so manche Herausforderung. Es gibt Schwierigkeiten Probleme, einer kann krank werden. Dann müssen beide füreinander da sein, sich unbedingt aufeinander verlassen können. Dann zeigt sich, was eine Liebe aushalten kann. Ob sie daran wachsen kann, eine neue Qualität bekommt. Manches ist mit den Jahren nicht mehr so wichtig, anderes gewinnt an Bedeutung. Eine Liebe muss sich weiterentwickeln, sonst ist sie nicht stark genug Krisen zu überstehen.

Krisen entstehen auch, wenn Menschen sich verändern. Manche Fehler und Schwächen zeigen sich oft erst im Laufe des gemeinsamen Lebens. Darauf muss ich mich einstellen und darf darüber nicht die schönen Seiten eines gemeinsamen Lebens, einer Liebe vergessen. Papst Franziskus sieht das in seinem kürzlich veröffentlichten Schreiben "Zur Freude der Liebe“ auch so. Darin ermutigt er Paare mit der Unvollkommenheit ihrer Liebe zurechtzukommen, weil es die vollkommene Liebe nicht gibt. Wir müssen akzeptieren, dass wir verschieden sind, Dinge anders sehen, anderes erleben. Gerade dieseVerschiedenheit  kann uns gegenseitig bereichern und uns anregen auch mal was Neues zu probieren, gemeinsam. Und ich finde es wichtig, die eigenen Bedürfnisse auch mal zurückstellen zu können. Dem anderen zu zeigen, ich will dass es dir gut geht. Dann kann eine Liebe glücklich machen bis zum Lebensende und darüber hinaus.  

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SWR4 Abendgedanken

Alle sollten kommen - zu einem Fest im sommerlichen Garten. Keine ungewöhnliche  Einladung, die Freunde freuen sich darüber. Doch diesmal ist es anders gewesen. Denn der Mann, der sich gewünscht hatte, seine Freunde in schöner Runde um sich zu versammeln, war todkrank. Eine schlimme Diagnose hatte ihn und seine Familie völlig aus der Bahn geworfen. Nur noch wenig Zeit sollte ihm zum Leben bleiben. Unvorstellbar, dass er seine Frau und die drei Kinder im Teenageralter schon bald allein lassen sollte. Alle waren geschockt. Und jetzt hat dieser todkranke Mann seine Freunde eingeladen… Alle sind gekommen, mit ganz mulmigen Gefühlen. Jeder hatte etwas mitgebracht zu essen und zu trinken, das, was er besonders gern mochte. Eine ganz eigenartige Stimmung, mit Kloß im Hals und Tränen in den Augen. „Ich wollte euch alle noch einmal in vertrauter Runde erleben, solange ich dazu noch in der Lage bin“, hat er gesagt. Und er hat sich gewünscht, dass sich die Freunde nach seinem Tod weiter hier mit seiner Familie treffen sollten. Es ist ein schönes Fest gewesen, habe ich gehört. Sie haben gemeinsam gegessen und getrunken und erzählt von schönen gemeinsamen Unternehmungen. Über manche Erinnerung haben sie sogar gemeinsam lachen können…

Wie befürchtet, ging es dem Mann immer schlechter und er ist bald gestorben.

Gerade heute, an Gründonnerstag, muss ich an dieses Abschiedsfest denken. Denn heute erinnern sich die Christen an das letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Freunden gefeiert hat, ehe er gefangen genommen wurde, verurteilt zum Tod am Kreuz. Jesus mit seinen Jüngern an einem großen Tisch und es sieht nach einer fröhlichen Runde aus. Vielleicht haben auch Sie jetzt eines der vielen Bilder im Kopf, die es vom letzten Abendmahl gibt. Jesus hat gewusst, dass ihm der Tod unmittelbar bevorstand und dass dies das letzte Mal sein würde, dass er mit seinen Freunden in so vertrauter Runde zusammensitzen würde. Und als er das seinen Freunden sagt, erschrecken sie gewaltig, wollen sich dagegen wehren, Jesus zu verlieren. Doch er weiß, dass es geschehen muss.  Damit sich seine Freunde, an ihn erinnern, wenn er nicht mehr unter ihnen ist, teilt er Brot und Wein mit ihnen auf ganz besondere Weise. Immer wenn sie das später ohne ihn tun, sollen sie sich ganz bewusst an ihn erinnern, dann würde er wieder bei ihnen sein. Ich kann mir denken, dass die Jünger damit völlig überfordert waren. Wie Jesus leiden musste, gestorben und dann auferstanden ist.

Das ist auch für mich schwer zu verstehen. Aber ich hoffe tief in mir, und das lasse ich mir nicht nehmen, dass mit dem Leben hier auf der Erde nicht alles zu Ende ist.

Und soviel ich weiß, hat auch der Mann, der seine Freunde in den Garten eingeladen hat um sich zu verabschieden, diese Hoffnung gehabt.

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SWR4 Abendgedanken

Manchmal hält sich mein Mitleid in Grenzen: Wenn Skifahrer in gesperrten Gebieten unterwegs sind und von einer Lawine verschüttet werden. Oder wenn ich so aggressiv angebettelt werde, wie es mir neulich passiert ist, dann interessiert mich das Schicksal eines Menschen in diesem Moment überhaupt nicht, dann will ich nur weg. Dabei bin ich durchaus ein Mensch, dem das Leben anderer nicht gleichgültig ist. Der mitfühlen kann und immer helfen und trösten will, wenn es jemandem schlecht geht. Aber manchmal klappt das halt nicht: Wenn ich mich über jemanden ärgere, sein Verhalten für mich unverständlich ist. Bei einem Fremden. Mit einem Menschen, den ich gut kenne, der mir sympathisch ist, habe ich dagegen auch Mitleid, wenn er vielleicht eine Dummheit gemacht hat. Auch wenn ich eine Sache mal ganz anders sehe als er oder sie, versuche ich zu trösten, sage dass es mir leid tut.

Mitgefühl ist lebensnotwendig - für alle Menschen. Wir brauchen ein Klima der Sympathie, also des Mitfühlens, hat der Schriftsteller Max Frisch gesagt, ein generelles Wohlwollen, das uns trägt. Und deshalb ist es für unser Zusammenleben so wichtig, dass wir offen bleiben füreinander, ganz grundsätzlich, uns füreinander interessieren, so unterschiedlich wir auch sein mögen.
Auch wenn mir manche Menschen nicht so sympathisch sind, weil sie ganz anders sind als ich. Es ist gut, wenn ich wenigstens versuche, mich in sie hineinzuversetzen, damit ich ihre Probleme, ihre Nöte verstehen kann, mitfühlen kann.

Mitgefühl ist der Kitt einer Gesellschaft. Er hält die großen Unterschiede, die es da gibt, zusammen. Das gilt besonders, wenn die sozialen Unterschiede immer größer werden. Die verschiedenen Milieus wenig miteinander zu tun haben. Wenn es immer mehr alte Menschen gibt. Verschiedene Lebensmodelle. Menschen aus fremden Kulturen die Gesellschaft verändern. Um eine Gesellschaft, in der die Menschen verlernen, sich in andere hineinzuversetzen, oder es gar nicht wollen, ist es schlecht bestellt. Mitgefühl ist nicht angeboren, es gibt kein Gen, das dafür zuständig ist. Wie alle sozialen Fähigkeiten, kann sich Mitleid nicht ohne Anregung entwickeln. Deshalb müssen Kinder schon ganz früh Mitgefühl üben. Ein Gespür dafür bekommen, wie es sich anfühlen kann, anders zu leben, anders zu sein. Wie lebt man ohne die Dinge, die für einen selbstverständlich sind. Wie kann es sich anfühlen, abends hungrig schlafen zu gehen, zu frieren oder niemanden zu haben, der einen tröstet, wenn man Kummer hat. Wenn Kinder verstehen, dass sich nicht alles nur um sie dreht, dann  können sie sich zu Erwachsenen entwickeln, denen ihre Mitmenschen nicht gleichgültig sind.

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SWR4 Abendgedanken

Es ist schon merkwürdig, wenn ich das Wort Leidenschaft  verwende, denke ich überhaupt nicht an Leiden, an etwas, das mir weh tun kann, mich leiden lässt. Im Gegenteil! Leidenschaft ist etwas Schönes, etwas dass mit restloser Begeisterung für eine Sache zu tun hat. Für die Musik zum Beispiel. Mir fällt da ein junger Organist ein, der bei seinen Konzerten Raum und Zeit zu vergessen scheint (und seinem Instrument unglaubliche Töne entlockt). Er ist sicher ein großes musikalisches Talent, aber eben auch ein leidenschaftlicher Mensch. Damit meine ich, dass er mit Leib und Seele dabei ist. Dass ihn seine Musik mehr als alles andere interessiert, glücklich macht. So geht es meinem Bruder mit der Malerei. Die Ideen für neue Bilder gehen ihm nicht aus. Wie beneidenswert sind doch Menschen, die so leidenschaftlich für eine Sache brennen! Oder für einen Menschen! Weil man ihn verehrt, weil er einem imponiert. Und natürlich, weil man ihn über alles liebt. Diese Leidenschaft für einen Menschen kann das größte Lebensglück bedeuten. Das muss aber durchaus nicht für immer so sein – wie schnell kann eine Leidenschaft auch eine andere Seite zeigen, eine leidvolle! An die denken wir oft gar nicht. Aber wenn nun eine leidenschaftliche Liebe nicht erwidert wird, das tut eben sehr weh. „Die Leidenschaft, die Leiden schafft" - dieser Spruch bringt es auf den Punkt. Es gibt Leidenschaften, die zu menschlichen Tragödien führen: Wie die Spielleidenschaft. Wenn Grenzen überschritten werden, kann es im äußersten Fall sogar zu einem Verbrechen kommen. Diese andere Seite macht deutlich wie verwandt das Wort Leidenschaft mit dem Wort Passion ist. Aus dem ist das deutsche Wort Leidenschaft im 17. Jahrhundert entstanden. Die „Passion“  ist ein zentraler Begriff des Christentums und bezeichnet den Leidensweg Jesu.  An ihn denken die Christen jedes Jahr in der Karwoche, also in dieser Woche. (Passion geht zurück auf lateinisch „pati", das heißt erdulden und „passio" das Leiden.) Auch das Wort Passion ist doppeldeutig. Manchmal spricht man statt von Leidenschaft von einer Passion für etwas. Auch hier denkt doch niemand an leiden oder gar an das Leiden Jesu! Mir ist dennoch eine Verbindung zwischen beiden Bedeutungen eingefallen: Jesus hat für die Menschen gelitten. Er ist ein leidenschaftlicher Menschenfreund gewesen, wollte dass sie gut leben können. Und wenn sich heute Menschen leidenschaftlich für andere einsetzen, den Menschen Gutes tun wollen, dann handeln sie in seinem Sinn, bewusst oder unbewusst.

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SWR4 Abendgedanken

Nie hätte ich gedacht, dass wir uns mal aus dem Weg gehen könnten. Meine Freundin und ich. Nichts schien unsere Freundschaft erschüttern zu können. Doch irgendwann hat sich alles geändert. Ich verstehe heute noch nicht, wie es dazu kommen konnte, dass wir uns schließlich nicht mal mehr gegrüßt haben. Plötzlich bin ich auch bei anderen Personen, die ihr nahe gestanden haben, auf Ablehnung gestoßen. Was mag sie denen über mich erzählt haben? Sie hat mir keine Gelegenheit gegeben darüber zu reden. Ich bin mir keiner Schuld bewusst gewesen und habe mich verletzt zurückgezogen. Es hat mich erschreckt, wie schnell Menschen sich fremd werden können. Und ich hab mich an einen Spruch erinnert, den eine Schulkameradin in den ersten Schuljahren in mein „Poesie Album“ geschrieben hatte: „Christina, lerne Menschen kennen, denn sie sind veränderlich, die dich heute Freundin nennen, reden morgen über dich.“ Später konnte ich mit ähnlichen Erfahrungen besser umgehen. Ich habe verstanden, dass Menschen sich verändern zum Positiven oder Negativen. Sie entwickeln sich. Ändern ihre Ansichten. Durch andere Lebensumstände und nicht zuletzt durch Menschen, die in ihr Leben treten. Menschen lassen sich nun mal beeinflussen. Durch andere. Manchmal viel zu schnell und ohne zu hinterfragen. Machen die Meinung anderer, die sie im Moment beeindrucken, zu ihrer eigenen. So muss es auch im Fall meiner zerbrochenen Freundschaft gewesen sein. Da haben wohl Neid und Eifersucht eine Rolle gespielt. Das habe ich damals nicht wahrhaben wollen. Missgunst und Neid - das ist ganz gefährlich und vergiftet so manche Beziehung und Freundschaft. Und es tut weh, wenn es nicht gelingt dagegen etwas zu unternehmen. Wenn einzelne versuchen sehr viele Menschen mit ihren negativen Gedanken zu beeinflussen und mit Unwahrheiten, dann kann das schlimme Auswirkungen haben. Das hat sich in der Geschichte vielfach gezeigt.

Gestern war Palmsonntag, an diesem Tag beginnt für Christen die sogenannte Karwoche. Die Woche vor Ostern, in der sich die Christen an das Leiden und den Tod Jesu erinnern. Am Palmsonntag ist Jesus unter großem Jubel in Jerusalem eingezogen. Die Menschen haben Palmwedel vor Begeisterung geschwenkt. All ihre Hoffnung auf ein besseres Leben haben sie mit ihm verbunden, er sollte ihr König sein. Doch schon bald änderten viele ihre Meinung. Am Karfreitag von Pilatus gefragt, was mit Jesus geschehen sollte, riefen sie „Kreuzige ihn“. Vergessen waren all der Jubel und die Begeisterung vom Palmsonntag. Unglaublich und erschreckend: So beeinflussbar, so veränderlich sind Menschen!

Und deshalb ist es wichtig, dagegen zu halten, wenn ich merke, da werden Unwahrheiten verbreitet. Ich weiß es besser. Doch dafür muss ich glaubwürdig sein und nicht selten auch mutig.           

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SWR4 Abendgedanken

Eine Frau muss sterben, weil sie sich zum christlichen Glauben bekennt, das war vor 1700 Jahren. Viele Legenden ranken sich um das Leben der Heiligen Barbara, heute ist ihr Gedenktag.

Es gibt viele Menschen, die wegen ihres Glaubens sterben mussten. Auch Christen haben da viel Unheil angerichtet. Sind fehl geleitet gewesen. Aber das Christentum hat sich grundlegend geändert. Christen setzen sich heutzutage für die unterdrückten und Not leidenden Menschen in der Welt ein. So wie es Jesus vor mehr als 2000 Jahren vorgelebt hat. Und es ist dabei gleichgültig, welchen Glauben ein Mensch hat. Das ist für mich als Christin selbstverständlich und diese Einstellung erwarte ich auch von anderen Religionen. Und deshalb macht es mich traurig, wenn in vielen Ländern besonders Christen wegen ihres Glaubens diskriminiert werden. Sie können sich nicht so einfach zu Gottesdiensten treffen. Und sie haben in der Gesellschaft nicht die gleichen Chancen, weil sie eine Minderheit sind.

Aber viel schlimmer ist, dass weltweit viele Christen in großer Bedrängnis leben müssen. Es ist vielen gar nicht bekannt, dass das Christentum die meist verfolgte Religion der Welt ist.
In Saudi-Arabien zum Beispiel ist der Übertritt in eine christliche Religion ein „todeswürdiges Verbrechen“. Wie ist das möglich?
In arabischen Ländern des Nahen Ostens und in Afrika werden die christlichen Minderheiten schon lange verfolgt  und sie flüchten verzweifelt und mittellos aus ihren Heimatregionen.
Die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates greifen die Christen im Irak und in Syrien ganz gezielt an, zerstören ihre Kirchen und ihre Dörfer – die Christen sollen ganz vertrieben werden. Die Bischöfe dieser Regionen rufen die Mitglieder ihrer Gemeinden auf zu bleiben, aber die Menschen wollen leben und nicht als Märtyrer sterben. Über den Nordirak sind viele Christen nach Jordanien geflohen und werden in großen Lagern, die die jordanische Caritas eingerichtet hat, mit dem Nötigsten versorgt. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart engagiert sich dort sehr stark. Mit Projekten wie dem Bau von Schulen für die Flüchtlingskinder.Doch die meisten Menschen haben die Hoffnung verloren, in Syrien oder im Irak je wieder in Frieden leben zu können. Viele wollen nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, weil sie meinen dort keine Zukunft zu haben. Sie fragen, warum es den christlichen Kirchen in Europa nicht möglich ist, ein paar Tausend Christen aus ihrer aussichtlosen Situation herauszuholen. Ich habe gehört, dass es große Hindernisse gibt, die das im Moment nahezu unmöglich machen.
Umso wichtiger ist es, den Menschen dort zu helfen, wo sie jetzt leben. Sie leben von dieser Hoffnung auf ein neues, friedliches Leben. Bei uns in Europa. Und besser noch in ihrer alten Heimat.

 

 

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