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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04OKT2022
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Wenn demnächst die Corona-Zahlen tatsächlich wieder steigen, dann gehöre ich zu einer sogenannten Risikogruppe. Denn ich bin alt, und alte Menschen sollen sich ja besonders vor Ansteckung und heftigem Krankheitsverlauf schützen. Also wieder impfen und vorsichtig sein.

Das ist logisch und richtig. Trotzdem sagt mir mein Herz etwas anderes. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, wegen Corona zu einer besonderen Risikogruppe zu gehören. Ich sehe viel mehr, dass die jungen Menschen das eigentliche Risiko tragen. Ihnen wurden in den vergangenen Jahren Schulzeit und Chancen, Arbeit und Einkommen von der Pandemie geraubt. Sie mussten raus ins Leben, das Ansteckungsrisiko tragen. Und sie werden an den Staatsschulden noch lange zahlen, die in Coronazeiten unvermeidlich aufgehäuft wurden. Auch gesundheitlich ist ihr junges Leben in Gefahr. Bei ihnen stehen viele Lebensjahrzehnte auf dem Spiel – und nicht die wenigen Jahre, die mir als altem Mensch vielleicht noch bleiben. Ich durfte mein Leben ja schon leben.

Als alter Mensch trage ich kein besonderes Risiko. Als Rentner kann ich mich nicht am Arbeitsplatz anstecken, muss auch nicht um meinen Arbeitsplatz bangen, kann mich schützen, wenn ich das will, und setze insgesamt viel weniger aufs Spiel. Deshalb kann ich auch mehr riskieren, kann jungen Menschen etwas von ihrer Belastung abnehmen, auch wirtschaftlich. Ich kann Aufgaben übernehmen, bei der Kinderbetreuung helfen und anderes mehr. Ohne dass ich eine besondere Angst vor Ansteckung haben müsste.

Und das alles gilt nicht nur für Corona. Wenn ich sehe, was auf die Jungen zukommt – aus dem Überfall auf die Ukraine, aus dem Klimawandel, aus der Wirtschaftskrise -, wenn ich diese Lasten sehe, dann wird mir deutlich: Sie sind die Risikogruppe, sie tragen auch in den kommenden Jahren die Risiken. Risiken, die ihnen übrigens oft meine Generation aufgebürdet hat, ohne sie zu fragen. Da ist es nur recht und billig, wenn ich mich als alter Mensch verstärkt an diesen Risiken und Lasten beteilige.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

03OKT2022
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Es gibt religiöse Bilder, die passen offenbar nicht mehr in unsere Zeit. Dazu gehört das Bild von der Kirche aus Hirten und Schafen. Ich sehe das richtig vor mir: Die Herde folgt dicht gedrängt, ohne eigene Absicht und in heiliger Einfalt dem Hirten. Der weiß, was für die Tiere gut ist, er führt sie auf saftige Wiesen, und mehr brauchen sie auch nicht. Ab und zu trägt der Hirte dann noch ein schwaches Lamm auf der Schulter. Wenn dieses Bild dann allzu glatt auf die Kirche übertragen wird, wenn Priester und Bischöfe die Hirten sind, während das Kirchenvolk als führungsbedürftige Schafherde übrigbleibt, dann fühle ich mich sehr unwohl.

Vielleicht beruht mein Unbehagen darauf, dass dieses Bild mit den Hirten in der Bibel überhaupt nichts zu tun hat. Dort sind die Hirten keine romantischen Naturburschen, die gerne mal mit Lämmern schmusen. Sie sind Kämpfer und Kenner. Kämpfer, weil ihrer Herde viele Gefahren drohen, von wilden Tieren und von Räubern. Deshalb sind sie bewaffnet, zum Beispiel mit einem massiven Stock und einer Schleuder. Sie sind geübt und bereit, Angriffe auf die Herde abzuwehren. Und die Hirten sind – bis heute – echte Kenner. Tiere, Wetter und Landschaft sind ihnen vertraut, sie kennen die Futterplätze und Wasserstellen, sie schützen die Herde vor Hunger, Durst und Verirrung. Sie halten die Herde am Leben, sogar unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Nicht romantische Tierliebe, sondern harter Einsatz für jedes einzelne Schaf machen den guten Hirten aus. Und die Schafe, die sind in der Bibel auch nicht eine tumbe Masse von einfältigen Tieren. Es sind kluge Tiere, die gelernt haben, dass sie dem guten Hirten etwas zutrauen können – sofern er eben für sie kämpft und sich für sie einsetzt.  Als kraftvolle, kämpferische und kenntnisreiche Menschen stellt die Bibel die Hirten vor. So wünsche ich mir auch die kirchlichen Führungskräfte, wenn sie denn schon Hirten sein wollen. Zu allererst aber sehe ich mit der Bibel Gott als den guten Hirten, zu dem ich im Psalm beten kann: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen, Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Meine Lebenskraft bringt er zurück.“

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02OKT2022
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Heute ist Erntedankfest. Nachher im Gottesdienst werden wieder Körbe mit Feldfrüchten, Obst und Lebensmitteln vor dem Altar stehen. Als Zeichen für alles, wofür wir heute dankbar sind.

In den vergangenen Jahren kam mir das ein wenig wie religiöse Routine vor. Wenn es alles im Überfluss gibt, drängt sich Dankbarkeit nicht allzu heftig auf. Das ist dieses Jahr anders. Der Anblick leerer Regale und die heftigen Preissteigerungen machen mir deutlich: Manches wird knapp. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass ich bekomme, was ich brauche. Jetzt sehe ich bewusster, was ich habe, und bin dafür ehrlich dankbar. Nicht nur für die Dinge um mich herum, sondern auch für Beziehungen, Chancen und anderes. Ich bin dankbar für die Menschen, mit denen ich lebe und arbeite und die all das hervorbringen, wofür ich danken kann. Und letztlich danke ich Gott, dem ich alles verdanke.

Vieles, für das ich danke, ist reines Geschenk. Es ist nicht mein Verdienst, dass ich nicht in einem der Krisengebiete dieser Erde leben muss oder gerade auf der Flucht bin. Es ist nicht meine Leistung, dass ich in einem sicheren, wohlhabenden Land aufwachsen konnte, mit einer soliden Schul- und guter Berufsausbildung. Für all das bin ich heute dankbar.

Und ein Zweites kommt hinzu: Die Lebensmittel rund um den Altar werden nach dem Gottesdienst an eine Einrichtung für Obdachlose abgegeben, um deren Speisezettel aufzufrischen. Das ist nur ein Tropfen auf einen heißen Stein, zugleich aber ein wichtiges Symbol: Dankbarkeit öffnet den Blick für die Not anderer. Wenn ich dankbar bin, weiß ich, dass nicht alles meine Leistung ist, dass vieles in meinem Leben Geschenk ist. Doch nicht jeder ist so reich beschenkt. Deshalb weiß ich zugleich, dass andere, denen es nicht so gut geht wie mir, meinen Beitrag brauchen. Dankbarkeit lädt zum Teilen ein. Zu teilen ist deshalb für mich die schönste und wirksamste Form des Dankes.

Das Erntedankfest ist mehr als religiöse Routine. Es zeigt, worüber wir froh und dankbar sein können. Und es zeigt, wie wir diesen Dank angemessen ausdrücken können:

Durch ein herzliches Dankeschön an Gott und unsere Mitmenschen und durch freigiebiges Teilen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16JUL2022
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Waffen für die Ukraine. Die katholischen Bischöfe finden Waffenlieferungen gerecht, die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche begrüßt sie ausdrücklich. Viele Christinnen und Christen sind sich einig: Dem verbrecherischen Überfall russischer Truppen auf die Ukraine kann nur mit Waffen begegnet werden. Und der bisherige Kriegsverlauf gibt ihnen recht. Nur wo sie auf heftigen bewaffneten Widerstand stößt, zieht sich die russische Armee zurück. Putin und seine Handlanger verstehen offenbar nur die Sprache der Stärke und des Widerstands.

Christinnen und Christen, die für eine Welt ohne Waffen eintreten, haben es dagegen derzeit schwer. Es scheint nicht die Zeit für Pazifismus zu sein.

Doch ich sehe das anders. Nein, auch ich halte den Abwehrkampf der Ukrainer für gerechtfertigt und wünsche ihm Erfolg, und ich sehe keine Alternative zu den Waffenlieferungen. Aber gerade weil viele von uns den bewaffneten Widerstand für alternativlos halten, gerade deshalb ist es wichtig, die Friedensbotschaft des Christentums wieder stark zu machen. Damit Krieg nicht zum Selbstzweck wird, damit wir uns nicht an seine Schrecken gewöhnen und die Toten und Verwundeten nur noch Statistik sind - darum müssen wir hervorheben, worum es eigentlich geht: Um den Frieden. Um einen Frieden, der nicht aus den Kanonenrohren kommt, sondern aus der Verbundenheit der Menschen. Aus dem Mitleiden mit den Männern, Frauen und Kindern in der Ukraine. Auch aus dem Mitleiden mit den jungen russischen Soldaten, die aus ihrer sibirischen Heimat in einen verbrecherischen Krieg gezwungen werden. Viele von ihnen kommen darin um. Im Gerassel der Panzerketten darf die Botschaft Jesu nicht untergehen: Der Friede sei mit euch. Meinen Frieden gebe ich euch. Und wenn sie beide dieses Ziel verfolgen, den Frieden, dann können auch ein christlicher Soldat und ein christlicher Pazifist noch miteinander im Gespräch bleiben. Sie mögen die Lage unterschiedlich sehen, sich nicht über die Mittel einigen, aber in einem können sie sich einig sein: Dass sie den Frieden wollen. Einen Frieden, wie ihn Jesus gibt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15JUL2022
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Wohin sollen nur die Kirchen mit all ihren Kirchen und Kapellen!? Immer weniger Christen haben immer mehr Platz. Oft habe ich im Gottesdienst eine ganze Bank für mich. Für viele Gemeinden ist das ein Problem: Sie können die großen Kirchen nicht mehr angemessen nutzen und die Kosten nicht mehr tragen. Deshalb suchen sie nach anderen Nutzungsmöglichkeiten. Nicht alle überzeugen mich.

Eine Gemeinde geht einen eigenen Weg: Sie hat in einem Gymnasium ein Schulprojekt angestoßen. Die Schülerinnen und Schüler sollen kreative Lösungen für eine andere Nutzung des Kirchengebäudes finden. Die Vorschläge sind teils originell: Ein Modell zeigt, wie die Kirche in einen Sakralraum für Gottesdienste und ein Café als Begegnungsstätte aufgeteilt wird. Ein anderer Vorschlag platziert ein mobiles Schwimmbecken in der Kirche. Hier sollen künftig Ganzkörpertaufen stattfinden. Viele Ideen gehen mit dem Kirchenraum behutsam um, vergrößern die Kirchenfenster, schaffen ein anderes Farbkonzept und tauschen Bänke gegen Stühle und Tische. Damit das Gebäude auch für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt werden kann. Doch was ist daran besser, als aus der Kirche eine florierende Kneipe zu machen?

Der Projektleiter erklärt, worauf es bei der Veränderung ankommt: Der Kirchenraum ist ein „Anders“-Raum. Er muss sich auch künftig von alltäglichen Räumen unterscheiden und eine geistliche Erfahrung ermöglichen.

Die Kirche als Anders-Raum. Mir drängen sich Bilder auf, worin die Kirche anders ist. Hier wird nichts verkauft, kein Eintritt für den Gottesdienst genommen und keine kommerzielle Werbung gemacht. Ist die Kirche offen, ist sie für alle offen, unterschiedslos. Gerade in den großen Kirchen kann ich mich alleine hinsetzen, ohne einsam zu sein. Der Raum umgibt mich und verbindet mich zugleich mit dem, der fünf Reihen weiter sitzt. Hier kann ich einfach da sein, ausruhen, Pause machen vom Alltag.

Allein das macht Kirchen schon zu einem Anders-Raum: Kein wirtschaftlicher Zweck, Raum für alle, Möglichkeit für Ruhe und Stille. Das sollte auch bei einer Umnutzung erhalten bleiben. Als Dienst für alle Menschen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14JUL2022
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Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe. So beginnt das wichtigste Gebet der Christinnen und Christen. Und gleich am Anfang die Bitte: Gottes Wille soll geschehen. Das klingt richtig und schlüssig: Was auch immer passiert – Gottes Wille geschehe. Jesus hat selbst vor seinem Tod gebetet: Vater, nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.

Aber was ist Gottes Wille, um den ich da bitte? Nicht alle Antworten auf diese Frage überzeugen mich: „Gottes Wille ist, dass ich moralisch handle“. Nein, für diese Antwort brauche ich nicht Gott, da reicht mein Gewissen.  „Eine Katastrophe wie die Flut an der Ahr vor einem Jahr, das war nun mal Gottes Wille.“ Nein, gegen einen solchen Satz sträubt sich in mir alles.

Was Gottes Wille wirklich ist, lerne ich aus einem kurzen Jesuswort. Er sagt zu den Menschen, die ihm folgen: Ich will, dass die Menschen das Leben haben und dass sie es in Fülle haben. Das scheint mir die richtige Spur zu sein: Überall wo das Leben von Menschen sich entfalten kann, wo es zunimmt an Fülle und Reichtum, da könnte Gottes Wille am Werk sein. Wo Menschen einander neue Möglichkeiten eröffnen und in Not einander bestehen, wo Zuneigung ihr Leben bereichert und Menschen einander vergeben und sich versöhnen, wo sie teilen und durch all das Leben ermöglichen, ihm Fülle und Weite geben, da kann ich gut beten „Dein Wille geschehe“.

Und wo das alles nicht geschieht? Wenn menschliches Leben durch Gewalt und Unrecht, durch Lieblosigkeit und Ausbeutung beschädigt oder unmöglich gemacht wird?  Oder wenn durch Naturgewalten und Katastrophen Menschenleben und Existenzen zerstört werden wie im Ahrtal? – Kann ich da auch noch beten „Dein Wille geschehe“? Ja unbedingt: Da wird diese Bitte nämlich zum Aufschrei, zum Hilferuf: Vater, lass deinen Willen auch hier geschehen! Warum so vieles existiert und geschieht, das nicht dem Willen Gottes entspricht, darauf habe ich keine abschließende Antwort. Ich weiß nur: Wer sich gegen Unrecht und Not aufbäumt und Verzweifelten beisteht - der hat Gott an seiner Seite. Denn Gott will niemals das Leid und Elend der Menschen. Er will, dass sie das Leben haben und dass sie es in Fülle haben.

 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23APR2022
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Für mich ist mein Ehering ein ganz besonderes Zeichen. In der Beziehung zu meiner Frau verkörpert er auch, was ich nicht mit Händen greifen kann – Treue und Liebe, Verlässlichkeit und Zuneigung. Der Ring ist für mich mehr als ein Vereinsabzeichen für Eheleute. Er ist auch mehr als ein bloßes Symbol. Anders als das Kreuz wurde der Ehering auch nie zum Modeschmuck degradiert. Dieser Ring bewirkt etwas: Er bekennt die Zusammengehörigkeit zweier Menschen. Er unterstreicht ihre Gemeinsamkeit. Und er charakterisiert sie als Eheleute. Wenn sie den Ring sichtbar tragen, macht er ihre Beziehung quasi öffentlich.

Viele Eheleuten wissen um diese mehr als symbolische Bedeutung des Rings. Das wird sofort deutlich, wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau ihren Ring verliert und alles daransetzt, ihn entweder wieder zu finden oder zu ersetzen. Oder wenn ein Ehemann auf ein erotisches Abenteuer aus ist und als erstes seinen Ehering auszieht, damit er nicht als Ehemann erkennbar ist.

Der Ehering ist kein religiöser Gegenstand. Menschen können in einer guten, liebevollen Ehe leben, ohne religiös zu sein. Und sie können das mit und ohne Ehering.

Aber umgekehrt macht es mir der Ehering mit seiner Bedeutung leichter, manche religiöse Wirklichkeit besser zu verstehen. Wie der Ehering nicht einfach nur ein vordergründiges Symbol ist, sondern ein Zeichen mit Wirkung, so kann etwa auch das Wasser bei der Taufe mehr sein als nur eine symbolische äußere Reinigung. Es ist für mich Zeichen einer ganzheitlichen Erneuerung. Oder Brot und Wein im Gottesdienst können mehr sein als bloße Erinnerungssymbole an Jesu Mahlzeiten mit seinen Freunden. Sie können mir vielmehr den Gastgeber selbst repräsentieren, Jesus Christus.

Dass wir so etwas ahnen und ansatzweise verstehen können, hängt damit zusammen, dass religiöse Zeichen nicht einfach vom Himmel fallen. Sondern sie knüpfen an unsere urmenschliche Erfahrung an, dass manche Dinge mehr sein können als nur - Dinge. So wie mein Ehering. Deshalb kann ich in ihm mehr sehen als nur einen goldenen Reif.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22APR2022
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„Meide das Böse und tue das Gute, suche den Frieden und jage ihm nach.“ Diese Handlungsanweisung aus der Bibel ist für mich ein starkes Programm. Meide das Böse - konsequent und wachsam. Dann die Steigerung: Tue das Gute – kraftvoll und kompetent. Und schließlich der Gipfel: Suche den Frieden und jage ihm nach. Wenn die Bibel von Frieden spricht, dann meint sie keinen bloßen Waffenstillstand oder Gewaltverzicht. Friede in der Bibel – das ist Freiheit und Gerechtigkeit, Solidarität und Sicherheit, Vergebung und Versöhnung zwischen Gott und den Menschen und der Menschen untereinander. Und diesen Frieden soll ich aktiv suchen und ihm hinterherjagen. Anscheinend liegt er nicht offen zu tage. Er ist eher verborgen, vielleicht verdeckt und versteckt. Ich muss vielleicht erst anderes zur Seite räumen, bevor ich ihn finden kann: Vorurteile und Ängste, Hass und Ablehnung und vieles mehr. Deshalb heißt es: Suche den Frieden, lass dich nicht entmutigen, wenn du ihn nicht auf den ersten Blick entdeckst. Er ist gewiss da, aber du musst ihn finden.

Zugleich ist der Frieden nicht nur verborgen, er ist offensichtlich auch scheu und flüchtig: Suche den Frieden und jage ihm nach. Nachjagen – das heißt auf der Spur bleiben, nicht nachlassen, nicht aufgeben – bis der Friede erreicht ist. Dabei steht für die Bibel außer Zweifel: Friede ist möglich. Auch wenn er Anstrengung kostet.

Mich ermutigt diese Sicht der Bibel auf den Frieden. Sie ist nicht naiv, sondern realistisch. Sie kennt die Mühen, die das Suchen nach dem Frieden macht. Sie kennt die Ausdauer, die ich für die Jagd nach dem Frieden brauche. Die Bibel ist aber auch nicht pessimistisch. Sie resigniert nicht bei der Suche nach dem Frieden. Sie ermuntert vielmehr, dem Frieden so konsequent nachzustellen wie ein unermüdlicher Jäger.
Denn bei aller Suche und Jagd ist der echte Friede für die Bibel nicht nur Menschenwerk: Er ist Gottes Geschenk - für uns. Gott selbst will den Frieden. Deshalb ist es aussichtsreich, den Frieden zu suchen und ihm nachzujagen - auch bei widrigen, auch bei kriegerischen Umständen. Suchen wir den Frieden - und jagen wir ihm nach.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

21APR2022
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„Vater unser im Himmel“ – so beginnt das bekannteste Gebet der Christen. Und damit beginnen auch die Probleme: Gott als Mann, als Vater. So Manchem ist dieses Gottesbild schlicht zu einseitig. Wie oft vergleicht die Bibel Gott mit einer liebevollen Mutter! Die göttliche Weisheit wird verglichen mit einer Braut, und Gottes schöpferischer Geist ist eindeutig weiblich. Gott lässt sich nicht auf eine einzelne Männer- oder Frauenrolle reduzieren. Er bedient sich souverän vieler Rollen.

Wie Gott sich gewissermaßen selbst sieht, macht mir eine Stelle im Alten Testament deutlich: Moses soll zum Pharao gehen und die Freilassung der versklavten Israeliten fordern. Der unsichere Moses will wissen, in wessen Auftrag er auftreten kann, in welchem Namen. Und Gott gibt seinen Namen bekannt: Jahwe. Dieser geheimnisvolle Gottesname ist nicht leicht zu verstehen. Er wird übersetzt mit „Ich bin der ich bin“ oder „Ich bin für euch da“, und es gibt noch mehr Varianten. Am besten gefällt mir die Übersetzung: „Ich bin doch da.“

„Ich bin doch da“ – das kann eine Mutter oder ein Vater am Bett eines ängstlichen Kindes sagen, das aus einem Alptraum aufschreckt. Oder ein Ehemann oder eine Ehefrau, eine Freundin oder ein Freund sagt das, wenn der geliebte Mensch nicht mehr ein oder aus weiß: „Ich bin doch da“. Das kann auch der große Bruder sagen, der den kleineren ermutigt und vor Rüpeln auf dem Pausenhof in Schutz nimmt. Viele Beispiele lassen sich finden, wo diese Worte – ich bin doch da – ermutigen und schützen, Liebe und Vertrauen ausdrücken, Stärke und Zuwendung vermitteln. So versteht sich Gott selbst: Ich bin der „Ich bin doch da“, sei getrost, habe keine Angst.

Jesus wusste das alles. Er kannte das Mutter- und Vaterbild der Bibel. Zugleich hat er wie kein anderer Gott als seinen Vater und als Vater aller Menschen angesprochen. Deshalb kann auch ich beten „Vater unser“. Und genauso können andere Gott als Mutter ansprechen. Hauptsache ist, dass in beiden Fällen mitklingt, was zu der Erfahrung mit Gott dazu gehört: Das Mütterliche und Väterliche, das Freundschaftliche und Brüderliche – kurz alles was dazu gehört, wenn Gott spricht: Ich bin doch da.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26JAN2022
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Die Pandemie hat mir den Auftrag der Kirche wieder deutlich vor Augen gestellt:
Mich sorgt zunehmend, wie sich die Debatte um Corona auswirkt. Ich erlebe in meinem Bekanntenkreis, dass der Streit um Schutzmaßnahmen Familien regelrecht spaltet. Oder dass Menschen über die Impfpflicht streiten und dabei vergessen, was sie seit Jahren verbindet. Das setzt sich im Großen fort. Impfskeptiker werfen der Mehrheit vor, Ungeimpfte würden aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Geimpfte zucken die Schultern, haben oft nur ein „Selber schuld“ übrig und machen die Ungeimpften verantwortlich für die Verbreitung der Pandemie. Dass einer auf den anderen hört, findet häufig nicht mehr statt. Spaltung vertieft sich bis hin zur Gewalt.

Zusätzlich übersehen wir in unserem Egoismus Menschen in anderen Ländern. Während wir über Boostern und vierte Impfung nachdenken, fehlen anderswo die Mittel für eine ernsthafte erste Impfkampagne. Weitgehend ungehört verhallt der Ruf der Weltgesundheitsorganisation, vor weiterem Boostern doch erst mal genug Impfstoff für ärmere Länder zur Verfügung zu stellen.

Da reicht nicht, dass die Kirche für`s Impfen wirbt oder Dome zu Impfzentren macht.
Ich erinnere mich an eine Botschaft des 2. Vatikanischen Konzils. Dort sieht sich die Kirche als das Zeichen und Werkzeug der Einheit der ganzen Menschheit. Einheit unter den Menschen zu stiften und zu fördern, das ist der Auftrag der Kirche. Wenn Impfgegner und Impfbefürworter nicht mehr miteinander reden. Wenn Familien und Freundschaften zerreißen beim Streit um Corona-Maßnahmen. Wenn der Zusammenhalt bedroht ist und Egoismus triumphiert, dann muss die Kirche gegen den Trend arbeiten. Sie muss das Gespräch mit allen aufrechterhalten. Sie muss für eine Atmosphäre werben und sorgen, in der Menschen trotz unterschiedlicher Meinung noch miteinander reden und füreinander da sind. Auch weltweit. Trotz aller Ängste. Damit wir Beziehungen, Freundschaften und Werte nicht der Angst opfern. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Kirche Vorsichtsmaßnahmen einhält, aber zugleich alle gemeinsam zum selben Gottesdienst einlädt. Geimpfte wie Ungeimpfte. Damit rechtfertigt sie keine einzige schräge Meinung oder gar Gewalt. Aber sie ermöglicht Gemeinschaft trotz aller Gegensätze. Als Zeichen und Werkzeug der Einheit.

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