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SWR4 Sonntagsgedanken

Wir lieben sie und erzählen sie. Die Geschichten von Schwangerschaft und Geburt. Immer wieder geben wir sie zum Besten.

Die Weihnachtsgeschichten der Bibel tun es genauso.

In den Gottesdiensten heute wird vorgelesen, wie die beiden schwangeren Frauen Elisabeth und Maria aufeinandertreffen. Johannes und Jesus werden sie ihre Kinder später nennen.

Bei den  Schwangerschaften der beiden Frauen läuft nicht alles nach Plan.

Elisabeth ist hochbetagt und zunächst kinderlos. Obwohl sie mit einem Priester verheiratet ist, sind ihr in der antiken patriarchalen Gesellschaft als unfruchtbare Frau Demütigungen jeglicher Art sicher.

Die Hoffnung auf ein Kind hat sie ihr Leben lang nie aufgegeben. Dann wird sie im hohen Alter doch noch schwanger. Eine Problemschwangerschaft würde man heute wohl sagen. Sicherlich ist sie von Neuem dem Gerede der Leute ausgesetzt. Lange braucht sie um allen Erniedrigungen zum Trotz ihre unerwartete Schwangerschaft zu akzeptieren.

Und Maria ? Alles spricht gegen sie. Ein junges Mädchen, vielleicht gerade mal 14 Jahre alt, wird unehelich schwanger. Nach jüdischem Recht hätte sie gesteinigt werden können. Doch tiefgläubig vertraut sie darauf, dass Gott mir ihr ist. Unsicher und verwirrt sucht sie Unterstützung und Ermutigung bei der alten und lebenserfahrenen Elisabeth.

So nimmt sie einen mühsamen und nicht gerade ungefährlichen Weg auf sich. Quer durch das judäische Bergland. Das ist kein Spaziergang für ein junges Mädchen. Im 3. Monat.

Anrührend erzählt die Bibel wie Elisabeth bei der Begrüssung das freudige Bewegen des Kindes in ihrem Leib deutet. Für sie ist es ein Zeichen, dass wohl das Kind das Maria in sich trägt ein göttliches Kind sein muss. Und Maria selbst stimmt voller Freude über ihr Kind ein Loblied an.

Als erwachsene Männer werden Johannes der Täufer und Jesus Jahrzehnte später wieder aufeinandertreffen. In einem sind sie sich ganz einig. Alles muss sich ändern, damit Gott ankommen kann in der Welt und bei den Menschen.

Johannes hat es zunächst mit allen Mitteln versucht auf Gott hinzuweisen.  Er gibt Anweisungen. Erteilt Mahnungen. Macht Vorwürfe. Er droht mit düsteren Schreckensbildern. Spricht Verwünschungen aus. In den Jordan letztendlich, so seine Botschaft,  müsse man eintauchen und sich buchstäblich gründlich von ihm den Kopf waschen lassen.

Doch dieser Johannes kommt mit seiner Schreckenspredigt  nicht weiter. Er braucht Jesus. Er kann nur auf einen verweisen, der nach ihm kommen wird. Und der so ganz anders als er auftreten wird.

MUSIK

Johannes der Täufer. Wegbereiter Jesu wird er genannt. In den katholischen Gottesdiensten heute erzählt die Bibel ergreifend schön wie seine hochschwangere Mutter Elisabeth seine Bewegung und Freude im Leib spürt, als sie von der ebenfalls schwangeren Maria besucht wird. Um diese beiden Frauen und ihre Söhne geht es heute in den Sonntagsgedanken.

Wir schreiben das Jahr 1741. Der Komponist Georg Friedrich Händel steht am Tiefpunkt seiner Karriere. Am Ende aller Hoffnungen. Seine Musik ist aus der Mode gekommen. Schulden, leere Konzertsäle und abgesagte Veranstaltungen machen ihm zu schaffen. Apathisch und lustlos und vom Schlaganfall gezeichnet sitzt er in London.

Da gibt ihm ein Freund ein scheinbar langweiliges Sammelsurium von Bibelzitaten. Was da steht treibt ihn in schöpferischen Wahnsinn. 3 Wochen lang. Und dann ist eines der  populärsten Werk der Musikgeschichte vollendet: Sein Messias.

Tröste dich mein Volk, spricht dein Gott !  Vernehmt die Stimme Johannes des Täufers in der Wüste. Bereitet unserem Gott den Weg.

Händel ist wie elektrisiert. Das ist mir gesagt !  sagt er sich und macht sich wie im Rausch an die Arbeit und beginnt die Worte vom Trost und von Johannes dem Täufer zu vertonen.

Es sind Worte die Händel selbst zum Trost werden. Aus tiefer Depression steht er auf. Wie neu geboren fühlt er sich.

Gott kommt dort an wo wir ihn nicht erwarten. Weihnachten steht dafür. Das Kind im Stall, das uns bald landauf landab in Krippen anlächeln wird, stellt alles auf den Kopf was wir uns Menschen von Gott denken.

Klein. Armselig. Hilflos. Auf Heu und auf Stroh. Bei einfachen Leuten. Die ganz unten sind. Am Ende. Dort ist er anzutreffen. Vor allem dort.

Jesu Leben steht dafür. Er wird nicht müde Geschichten zu erzählen für Menschen, die nur noch etwas von Gott erwarten. Geschichten, die wie ein Angebot sind sich Gott anzuvertrauen, der den Verlorenen und Schwachen nachgeht. Geschichten von Gott, der wie ein Arzt Menschen sieht und heilt. Das eine verlorene Schaf ist ihm immer wichtiger als die neunundneunzig anderen. Die kleinen Leute von damals verstehen das und laufen ihm nach.

Ich besuche einen Mann, der im Sterben liegt. Es ist Advent. Hochbetagt und hellwach ist er. Sein Zimmer ist mit Kerzen erleuchtet. Ich bestaune seine Bilder, die er selbst gemalt hat. Wunderschön und im Schein der Kerzen wirken sie geheimnisvoll.

Wir sprechen mit einander, beten und singen sein Lieblingsadventslied: Macht hoch die Tür die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit. 

Da holt er unter seiner Bettdecke ein Bild hervor. Selbst gemalt hat er es. Vor Jahren schon. Das will er mir schenken.

Er hat kurzerhand die Geburt Jesu in einen Grubenstollen gemalt. Düster ist das Bild. Mit einer Ausnahme. Vom Kind und seiner Mutter geht ganz viel Licht aus. Josef, die Hirten und all die Tiere können sich dem nicht entziehen. Ganz nah stehen sie beisammen. Beim Kind. Im Licht. Mitten im Dunkel des Stollens.

Schwer sei es gewesen, das zu malen. Licht und Dunkel.

So sei auch sein Leben gewesen. Dunkelheit ist ihm nicht fremd. Doch das Licht war immer stärker. Sagt er. Sein Vertrauen in Gott.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Leicht gehen mir die Worte Jesu, die ich heute im Gottesdienst aus der Bibel vorlesen werde, nicht über die Lippen. Das soll frohe Botschaft sein?

 

Können wir Jesus nur dann nachfolgen, wenn wir Kreuze zu tragen haben?  Haben wir nicht genug davon?  Ist nicht jedes Kreuz, das wir Menschen tragen müssen eines zu viel? Und Gott, den Jesus buchstäblich anhimmelt, hat er ihn am Kreuz nicht ins Unheil laufen lassen? 

Theologen kommen angesichts des Kreuzes bis heute in Erklärungsnöte und verirren sich in Formeln die niemand versteht. Wir kennen sie. All die hilflosen Erklärungsversuche, die man niemals glauben will und kann. Er musste sterben. Gott habe seinen Sohn hingegeben. Als Sühne für die Sünden der Menschheit. Gehorsam sei er. Er habe sich buchstäblich am Kreuz geopfert um uns zu erlösen. Ein sadistischer und brutaler Gott ist das, der seinen Liebsten buchstäblich ins Messer laufen lässt. Und ein ins Leid verliebter Jesus, dem man nur kreuztragend nachfolgen kann. Mein Glaube ist das nicht. 

Der Religionspädagoge Hubertus Halbfas fragte einmal kritisch was man in Gottes Namen alles machen könne und stellt fest:

Man kann im Namen Gottes Kriege führen, Menschen verdammen und töten und sagen, das sei Gottes Wille.

Man kann mit dem Ruf "Gott will es!" Angriffe als "Kreuzzüge" tarnen und auf Soldatenuniformen „Gott mit uns“ schreiben.

Das alles aber ist gott-los. Man kann mit Gott nichts "machen", weder ihn gebrauchen noch ausnutzen, denn Gott ist Liebe und daran hat nur Anteil, wer diese Liebe in sich selbst groß werden lässt.

So traurig es auch ist. Er hat Recht. 

„Im Zeichen des Kreuzes siege!“ Überlieferungen berichten, Kaiser Konstantin habe im 3. Jahrhundert in einer Vision diese Inschrift auf einem Kreuz am Himmel gesehen. Das war für ihn Zeichen genug siegreiche Schlachten im Namen Gottes gegen feindliche Truppen zu führen. Bis heute wird das Kreuz mit in den Kampf genommen.  Bis heute wird der Name Gottes missbraucht, um mit allen die anders, oder überhaupt nicht glauben kurzen Prozess zu machen. So wurde auch mit Jesus verfahren. Im Namen Gottes wurde er qualvoll und schändlich hingerichtet. Zur Abschreckung für Nachahmer und Andersgläubige. 

M   u   s   i   k 

„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ 

Missverständlich kommt es daher. Das Wort Jesu, das in den Gottesdiensten heute vorgelesen wird. Viel Unheil hat es schon angerichtet. Wer Jesus nachfolgt, darf niemals aggressiv und gewalttätig gegen andere Menschen vorgehen. 

Das Wort vom Kreuz tragen meint aber auch nicht das, was der Philosoph Friedrich Nietzsche karikiert. Er fällt ein hartes Urteil über alle die sich Christen nennen. Sie würden krumm zu Kreuze kriechen. Das Kreuz sei ein Zeichen für Schwächlinge, Duckmäuser und Versager, die sich nichts trauen und alles erdulden. 

Da muss ich an das alte Ehepaar denken, das ich vor Tagen besuchte.  Der Mann geht an zwei Krücken. Nach einer schwierigen OP ist er gerade vom Krankenhaus zurückgekommen. Erschöpft und schwach ist er. Seine Frau ist dement und ohne ihn verloren. Ein neues Kreuz will er sich kaufen. Er hat klare Vorstellungen wie es auszusehen hat. Ich soll ihm bei der Auswahl und beim Kauf helfen. Als gäbe es bei den Zwei keine anderen Probleme. Doch im Gespräch mit ihm werde ich nachdenklich.

Ja die Zwei haben ihr Kreuz zu tragen. Davon weiß er zu erzählen. Und gerade deshalb wollen er und seine Frau auf Jesus schauen, der sich selbst dem Leid aussetzt und so den leidenden und erniedrigten Menschen und auch ihnen solidarisch nahe bleibt. Ihr gekreuzigter Gott leidet mit ihnen. Daran glauben sie ganz fest.  Keine Macht der Welt kann sie davon abbringen. 

Mitleiden ist Kern des Christentums. Einen Friedrich Nietzsche hat das bis zur Weißglut aufgeregt, dass das Christentum eine Religion des Mitleids ist. Für ihn zählt der Übermensch. In Kraft und Herrlichkeit schafft er sich selbst und braucht keinen Gott und schon gar kein Mitleid. 

„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“  

Das Wort von der Kreuzesnachfolge bleibt unbequem. Dass Jesus am Kreuz gottverlassen stirbt ist das Unerhörte des Christentums. Das Kreuz ist  Gegenentwurf zu einer Welt, die vorgibt, keine Opfer zu kennen, sondern nur Sieger oder Versager. Ein Gott am Kreuz ist der schärfst mögliche Einspruch gegen die Vergötterung von Macht und Erfolg und ewiger Gesundheit. 

Das alte Ehepaar könnte ein Lied davon singen. Von all dem Schweren, das ihnen widerfahren ist. In einem langen Leben. Mit all   seinen Kriegs – und Krisenzeiten.

Ich werde dem Mann  bei der Suche nach einem Kreuz helfen. Denn für die zwei bedeutet es unendlich viel. Jesus bleibt nicht vor ihrer Tür stehen. Nimmt nicht Reißaus. Er bleibt ihnen nahe, wie damals bei den Kranken, den Blinden und Lahmen.   Er lässt sie nicht im Stich. Gott lässt sie nicht im Stich. Darauf vertrauen die Zwei. Sie folgen ihm nach. Mit ihrem Kreuz. Ganz treu. Schon ihr liebes langes Leben lang.

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SWR4 Feiertagsgedanken

Ihr haben wir den freien Tag heute zu verdanken. Der frommen Nonne Juliana von Lüttich. Acht Jahrhunderte liegt es jetzt schon zurück.

Die hatte eine Vision.  Eine unvollständige Mondscheibe, aus der ein Stück herausgebrochen war. Christus selbst, so die fromme Frau, habe ihr in diesem Bild gesagt, dass dem Kirchenjahr ein Fest fehle, an dem die Eucharistie  besonders verehrt werden solle.

Selbstbewusst erzählt sie ihrem Bischof von der seltsamen Mondscheibe und der ordnet umgehend an, das Fronleichnamsfest in den Festkalender des Kirchenjahres aufzunehmen.

Bis heute feiern katholische Christen Fronleichnam. Das Brot der Eucharistie wird vom Pfarrer in einem goldenen Gefäß, das Monstranz heißt,  aus der Kirche getragen.

In festlichen Gewändern. Unter einem Tragehimmel. Begleitet von den Kommunionkindern. Ministranten. Chören und Musikkapellen.

Das Brot wird gezeigt auf Straßen und auf Plätzen. Und die sind geschmückt mit Fahnen und bunten Teppichen aus Blumen. So richtig feierlich geht es zu.  

Ein Fest aus dem Mittelalter. Unser Fronleichnamstag.

Szenenwechsel.

Alles ist vorbereitet. Ein weißes Tischtuch. Zwei Kerzen. Blumen. Ein Kreuz. Eine Schale mit Weihwasser. Ich bringe einmal im Monat einem Mann, der im Rollstuhl sitzt die Kommunion. Seine Frau ist dabei. Hält seine Hand. Und sein ganzer Stolz daneben: sein Enkelkind. Er freut sich. Ist so dankbar. Wir sitzen am Küchentisch. Beten. Singen und schweigen miteinander. Auch wenn es mit dem Sprechen seit dem Schlaganfall nicht mehr so recht geht, beim Singen klappt es umso besser. Und wie groß ist das Vertrauen, dass er und seine Frau in das kleine Stückchen Brot setzen.   

Ich breche es in der Mitte durch und lege es geteilt in die offenen Hände der beiden. Es entfaltet seine Kraft bei den zwei am Küchentisch, der für sie zum Altar geworden ist.

Brot. Geteilt für ein Ehepaar, dass zusammenhält.

Nach unserem kleinen Gottesdienst bleibe ich noch ein wenig. Ich bekomme noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen.

Wir feiern Kommunion. Zu deutsch: Gemeinschaft. Mit Gott und untereinander.

Krankenkommunion. Einmal im Monat. Fronleichnam. Einmal im Jahr.

 

M u s i k

 

Wir Menschen sind miteinander verbunden. Ohne Schranken. Ohne Abstand. Ohne Vorwurf. Das ist Vision Jesu.

Ausschluss von irgendjemandem. Das ist ihm fremd. Sein Mahl. Seine Tischgemeinschaft. Gerade nicht die Versammlung der Erwählten, der Perfekten, der Supermoralisten und Vollkommenen. Einer solchen Prozession kann ich mich guten Gewissens anschließen. Doch es drängen sich mir Fragen auf.

Es ist absurd. Jesus feiert das Abendmahl als Zeichen seiner tiefen Verbundenheit mit seinen Freunden und mit Gott. Dass sie eins sind und solidarisch verbunden bleiben ist sein Herzensanliegen. Das eine Brot, dass er an alle verteilt soll sie daran erinnern. Sie sollen es immer wieder tun zu seinem Gedächtnis. Warum steht denn dann noch immer Altar gegen Altar ? Warum teilen christliche Kirchen noch immer nicht gemeinsam dieses Brot von Jesus ?

Warum dieses hin und her unter katholischen Bischöfen, wenn es darum geht, wer zur Kommunion gehen darf und wer nicht ? Das Lebensbrot gehört doch nicht ihnen. 

Nie standen wir Menschen einander so nah. So wie an einem Tisch einander gegenüber wie heute. Global verbunden und vernetzt. Wir sitzen miteinander an einem Tisch. Der Eine macht den Gewinn, der Andere hat das Nachsehen. Der Eine ist der Gläubiger, der Andere versinkt in Schulden. Jesu Tischgemeinschaft soll prophetisches Zeichen sein, für eine Menschheit, deren Geschichte Zukunft haben soll. Und die hat sie, wenn sie teilt und solidarisch zusammenhält.

In einer Kirche in Krefeld befindet sich an der Rückwand ein modernes Abendmahl.

Auf einem großen Plakat sieht man ein kaltes Büfett mit festlich gekleideten und wohlgenährten Männern, die sich bedienen und es sich offensichtlich auch schmecken lassen. Vor dem Foto an der Kirchenwand steht real im Raum ein einfacher Holztisch mit Papptellern, alle gefüllt mit Steinen.  An jedem Teller steht eine Karte mit den Namen der ärmsten Länder der Erde. Bei jeder Eucharistiefeier hat man dort also den Altar vor sich und dieses Abendmahl im Rücken.

Die Aussage ist klar. Wer Eucharistie, das Mahl mit Jesus feiert macht sich bewusst wo er steht. Er bedenkt sein Tun und Lassen, angesichts des geteilten Brotes Jesu. Die Zerrissenheit wird uns bewusst, nicht nur als konfessionelle Spaltung, nein auch die soziale Kluft von arm und reich. Eine gefährliche und befreiende Erinnerung ist das wenn wir tun was Jesus uns hinterlassen hat.

Fronleichnam. Darum lasst uns tief verehren, ein so großes Sakrament, singen alle die heute hinter dem Brot laufen. Wenn wir Eucharistie feiern und Jesu Brot verehren und teilen, tun wir was Jesus uns aufgetragen hat. Wir verpflichten uns zu Brot füreinander zu werden, da zu sein für unsere Mitmenschen. Ganz nah und in der weiten Welt. Am Küchentisch und am Welttisch. Alles andere wäre eine Perversion des großen Sakraments.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Festtag.

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SWR4 Sonntagsgedanken

Wunder soll es ja immer wieder geben. Doch was tun wenn sie ausbleiben. Wenn meine Gebete nicht erhört werden. 

Hast Du nicht genug gebetet !? Die Frage, die der sechsjährige Moritz in der Kindertagesstätte der Frau im Rollstuhl stellt kommt frei heraus.

Nicht genug gebetet. Wie meinst du das ? meint die ziemlich verwundert. Und auch da hat der kleine Moritz sofort seine Erklärung parat: Weil bei dir der Jesus kein Wunder gemacht hat. So wie bei all den gelähmten Menschen in meiner Kinderbibel, die wieder gehen konnten.

Fast die Hälfte der Deutschen glauben, laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach, an Wunder.

Landauf landab gibt es Berichte von wundersamen Ereignissen, die faszinieren und weitererzählt werden. Wir können nicht genug davon bekommen. Von dem, der nach dem Sturz von der Leiter im Rollstuhl saß und kurze Zeit später kerngesund auf beiden Beinen im Leben steht. Vom Tumor im Kopf, der plötzlich aufhört zu wachsen und schließlich ganz verschwindet. An Wallfahrtsorten steht auf unzähligen Gebetstafeln selbstbewusst mit Name und Datum versehen: „Maria hat mir geholfen“. 

Auch die Bibel berichtet Wunderbares. Da sehen die Blinden wieder das Licht der Sonne, die Tauben lernen wieder hören und die Gelähmten lassen ihre Gehhilfen einfach so stehen und laufen los. Selbst Tote stehen von ihrer Bahre auf und sind lebendiger denn je.

All die wundersamen Geschichten verleihen unserer kühlen und durchrationalisierten Welt übernatürlichen Glanz und werden auflagenstark verbreitet und weitergeleitet.

Im Evangelium, das heute in den katholischen Kirchen verlesen wird, heilt Jesus einen Menschen der an Aussatz leidet. Aussatz bedeutete damals lebend tot zu sein. Nicht nur gesundheitlich am Ende waren solche Menschen, sondern auch und das war noch viel schlimmer, völlig isoliert.  Die Angst vor Ansteckung war groß. Schon von Ferne mussten sie andere auf ihre Krankheit aufmerksam machen und lautstark rufen: „Vorsicht. Ich bin krank und unrein“. 

Der Aussätzige im Evangelium missachtet all diese Regeln. Er schafft es bis zu Jesus hin, fällt vor ihm auf die Knie und bittet: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Jesus hat Mitleid. Er macht was keiner macht. Was zudem strengstens verboten ist. Er berührt ihn mit der Hand. Jesus scheint davon überzeigt zu sein: Nur so kann das Wunder geschehen. Der kranke wird geheilt.

Doch was er dann sagt ist schwer zu verstehen. Nimm dich in Acht.Erzähl niemandem etwas davon. Lediglich zu einem Priester schickt er ihn. Das war damals so üblich. Der musste die Heilung offiziell bestätigen und damit die Quarantäne aufheben.

Aber die Heilung herumerzählen ? Niemals ! Und das hatte seinen Grund. 

Jesus hat viele schwerkranke Menschen geheilt. Aber er wollte nicht, dass sie damit hausieren gehen. Menschen die ihren Glauben an Gott nur auf Wunder aufbauen, die ihm buchstäblich nur wegen seiner Wunder nachlaufen und nicht mehr in Ruhe lassen – das geht für Jesus schon gar nicht. So bringt er es an einer anderen Stelle in der Bibel auf den Punkt, indem er sagt:  Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Glauben an Gott in der Hoffnung, dass ein Wunder geschieht. Eine herbeigesehnte Heilung und ein Ende der Schmerzen. Eine Prüfung, die bestanden werden muss. Eine Rettung aus einer ausweglosen Situation. Wem ist das zu verübeln.

Doch wie gehe ich damit um, dass viel öfter die Wunder ausbleiben. Die Gebete nicht erhört werden. Die Krankheit bleibt. Jemand für immer im Rollstuhl sitzen muss oder ein Tumor nicht kleiner, sondern größer wird. Jesus scheint da realistisch zu sein. Wer seinen Glauben nur von Wundergeschichten her begründet und lebt wird schnell eines Besseren belehrt. Er hat es selbst erlebt und erlitten. Jahr für Jahr hören wir davon, wenn wir von Aschermittwoch an seine letzten Wege betrachten. Bis ans Kreuz. Nach der ausgelassenen und so schönen Faschingszeit.

Auch bei ihm bleiben die Wunder aus. Sein Kreuzweg erinnert bis heute an die Kreuzwege von uns Menschen. Was er durchmacht ist auch vielen Menschen heute leider nicht fremd. Verurteilung und Verhör vor selbsternannten Richtern. Misshandlung und Brutalität. Verlassenheit und Verzweiflung.

Seine letzten Worte am Kreuz werden bis heute verzweifelt ausgesprochen. Mein Gott, warum hast du mich verlassen. Wo bist du? Hörst du mein Beten und Rufen überhaupt?

Selbst er, der so sehr auf einen guten Gott vertraute, wird buchstäblich Gott – los im Sterben.

An Gott glauben. Ohne Wunder. An Gott selbst dann noch glauben wenn wir ihn  suchen und an ihm zweifeln.  Wo Schreckensmeldungen, Todesfälle, Hass und Terror uns von allen Seiten bedrängen. Wo sich fundamentalistische Streiter auf ihren Gott berufen, der angeblich mit ihnen in den Kampf zieht, um eine in ihren Augen ungläubige Welt nieder zu metzeln.

Auch wenn es sich seltsam anhört. Vielleicht sind gerade Zweifel und Erfahrungen der Gottlosigkeit wichtig für meinen Glauben. Wichtiger noch als alle Wunder der Welt.

Vor Menschen, die Gott suchen, ein Leben lang, brauche ich keine Angst zu haben. Sie sind oft ganz treu und so ehrlich. Von denen, die meinen ihn zu besitzen, buchstäblich behaupten ihn im Griff zu haben geht Gefahr aus. 

Der große Theologe Karl Rahner meinte einmal, Glauben heißt nichts anderes, als die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten. Er hat recht. Vielleicht kennen sie ja Menschen, oder gehören gerade selbst dazu, die sich durch Wüsten schleppen müssen und die Hoffnung nicht aufgeben. Die Gott suchen in ihrem handicap. Ihr Glaube, der ohne Wunder auskommt und ihr Vertrauen machen mich oft sprachlos.

Übrigens. Der kleine Moritz staunte nicht schlecht, als ihm die Frau mit dem Rollstuhl zeigte, welche Hindernisse sie überwinden kann und muss. Ganz alleine. Und wie sie es schafft in ihr Auto zu kommen um loszufahren. Auch wenn ein Wunder bei ihr ausgeblieben ist. 

Ich wünsche Ihnen – und schon wieder kommt dieses Wort – einen wunderschönen Faschingssonntag und ab Mittwoch eine gute Zeit der Vorbereitung auf Ostern zu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25888
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