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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30SEP2020
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Ein Lob anzunehmen ist nicht leicht. Viele können sich nicht wirklich freuen, wenn sie gelobt werden. Solche Menschen nenne ich Lobmuffel. Ich bin auch einer von ihnen.

Typisch ist folgende Szene: Freunde sind zum Abendessen eingeladen. Es macht mir Spaß, neue Rezepte auszuprobieren und etwas frisch zuzubereiten. Mein Gericht schmeckt allen sehr gut, die Gäste sind voll des Lobes. Und wie reagiere ich? „Naja, die Pasta war zu weich und an der Soße war eine Spur zu viel Rosmarin…“. Anstatt mich darüber zu freuen, dass es meinen Gästen schmeckt, schaue ich auf die Fehler und werte das eigene Werk ab. Woher kommt das nur?

Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich im Laufe meines Lebens so viele Erfahrungen mit Fehlern gemacht habe. Ich habe Kritik erlebt, schlechte Noten, manchmal hat man mich ausgelacht. Das sitzt ganz tief in meiner Seele und ich weiß einfach nicht, wie ich mit einem Lob umgehen soll. Mit meiner Selbstkritik bleibe ich sozusagen auf der sicheren Seite.

Es kostet viel Mühe, diese inneren Abwertungen zum Schweigen zu bringen und sich über ein Lob zu freuen und zu sagen: „Danke, das freut mich!“ Denn eigentlich ist ja schön zu sehen, wenn man Menschen eine Freude gemacht hat oder ihnen etwas Gutes tun konnte.

Diese Freude hat Jesus genutzt, um noch etwas tiefer zu blicken. Er hatte seine Jünger in die Dörfer zu den Menschen geschickt und es war ihnen viel gelungen: Sogar Kranke konnten sie heilen und Dämonen austreiben. Ganz euphorisch berichteten sie Jesus. Da hat er zu ihnen gesagt: Freut euch nicht über das, was ihr geleistet habt. Sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. – Damit wollte er sagen: Bindet eure Freude nicht an das, was ihr leistet. Denn es gibt einen, der sich über euch freut, ganz egal, was ihr könnt und was euch gelingt: Gott!

Das macht mich unabhängig von Lob und Kritik. Ich bin wertgeschätzt – einfach so, als Mensch. Das hilft mir, ein Lob gern und mit Freude annehmen

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29SEP2020
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Bei manchen Dingen im Leben zählt das Gewicht: Je schwerer, desto wertvoller. Das gilt zum Beispiel für Diamanten oder Gold. Deshalb sagen wir auch: „Der oder die ist schwer reich.“ Und „schwer in Ordnung“ sagen wir über jemanden, dem wir Anerkennung zollen.

Für eine gute Freundin von mir ist genau das Gegenteil der größte Wert: Leichtigkeit. In den Ferien habe ich sie besucht. Ich war grade angekommen, da klingelte es an der Tür. Die Nachbarin bat sie um einen kleinen Gefallen. Doch meine Freundin sagte ihr, dass sie jetzt keine Zeit hat und hat sie weggeschickt. Ich fand das etwas schroff und fragte, warum sie ihr nicht schnell geholfen hat. Meine Freundin erklärte mir, warum sie so reagiert hat: „Weißt du, diese Nachbarin hat die große Gabe, mir Zeit und Energie zu rauben. Sie hat bestimmt gehört, dass ich Besuch bekomme – wieso muss sie ausgerechnet jetzt klingeln? Es war ja kein Notfall. Auch sonst redet sie ohne Punkt und Komma und beklagt sich am laufenden Band. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich gemerkt habe, wie schwer das für mich ist, aber jetzt grenze ich mich einfach ab. Ich will nicht mehr mit Leuten zusammen sein, mit denen es so schwer ist. Ich finde, wir sollten uns gegenseitig das Leben leicht machen.“

Im ersten Moment regt sich bei mir Widerstand. Ich bin ein leistungs-orientierter Mensch, und da gehört das Tragen, das sich anstrengen für etwas, aber auch Hilfsbereitschaft dazu. Also: erst wenn es richtig schwer war und ich mich angestrengt habe, dann ist es richtig. Und hat Jesus nicht auch gesagt: Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt, der kann nicht in den Himmel kommen?

Aber er hat auch gesagt: Kommt zu mir, wenn ihr euch mit einer schweren Last abmüht. Ich will euch erquicken. – Also: Eigentlich will er es uns leicht machen! Da muss ich schmunzeln: Wenn Gott es mir leichter machen möchte und mir Hilfe anbietet, dann muss ich es mir selbst nicht schwer machen.

Eigentlich hat meine Freundin recht. Wenn es mir einer schwer macht, dann stimmt was nicht. Gott sei Dank können wir es uns gegenseitig leichter machen. Ich bin sicher, das ist das, was Jesus mit Nächstenliebe meinte.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28SEP2020
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Zeugnisse, Schulnoten, Klassenarbeiten – für viele Kinder ein Albtraum. Jetzt, ein paar Wochen nach Schulbeginn, geht es wieder los damit.

Die Angst, nicht gut genug zu sein, kann einen bis ins Erwachsenenalter begleiten. Ein Soldat hatte sich bei mir zu einem Gespräch angemeldet. Er hat mir erzählt, dass er sich ganz kraftlos fühlt, müde und ohne Antrieb. Das habe wohl damit zu tun, dass er einen guten Job machen möchte und viel von sich fordert. Er erzählt, dass das schon immer so war, auch als Kind. Er hat immer viel gelernt und eigentlich auch immer Einsen mit nach Hause gebracht.

„Eigentlich?“ hake ich nach. „Ja, einmal hatte ich nur eine Zwei. Ich habe den ganzen Schulweg nach Hause geheult …“ – „Und wie hat ihre Mutter da reagiert?“ will ich wissen. – „Sie hat gesagt: Naja, beim nächsten Mal schreibst du wieder eine Eins.“

Dieses System hat den Jungen weit gebracht: Er war auch später sehr erfolgreich und wegen seiner vorbildlichen Leistungen anerkannt. Jetzt aber wird deutlich, wie anstrengend das ist.

Um ihm zu zeigen, dass es auch anders geht, erzähle ich ihm ein Gleichnis, das ich von Jesus kenne. Zwei Männer gehen in den Tempel, um zu beten. Der eine steht ganz vorne. Er erzählt Gott, was er alles tut und leistet. Und er dankt Gott, dass er nicht so ein Versager ist wie der andere. Der steht hinten an der Wand und betet einfach nur: „Gott, sei mir gnädig.“ – Und Jesus hat seinen Zuhören gesagt: „Dieser zweite geht erlöst und befreit nach Hause.

Mir sagt diese Geschichte: Gott freut sich über unsere Leistungen, aber er braucht sie nicht, um uns lieb zu haben. Und wenn etwas schief geht, dann verzeiht er uns. Grade dann, wenn wir selbst uns nicht verzeihen können.

Dem mutlosen Soldaten habe ich gesagt: Eine Zwei – das war ja keine Fehlleistung. Die Aufmunterung, dass es beim nächsten Mal besser klappt, war wichtig. Wichtiger finde ich: Gott hat seine Menschen lieb. Nicht, weil sie etwas leisten, sondern weil sie seine Töchter und Söhne sind.

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Anstöße sonn- und feiertags

27SEP2020
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Den Sternen folgen – dabei geht es heute nicht mehr nur ums Horoskop oder Navigation auf Hoher See. Wenn ich im Internet zum Beispiel nach einem Restaurant suche, kann ich mich an Sternen orientieren. 5 Sterne: Alles bestens. 1 Stern: Miserabel. Die Sterne zeigen mir einen Weg durch die vielen Angebote.

Aber die Sache hat einen Haken. Das habe ich bei Susanne und Jörg gemerkt.
Sie führen ein kleines Geschäft, in dem richtig Herzblut steckt. Ihre Kunden haben das im Internet mit 4,9 Sternen bewertet. Guter Service, nette Atmosphäre, kleines aber feines Angebot.

Doch Susanne schildert mir ein interessantes Phänomen: Es gibt einige Rückmeldungen mit 4 Sternen. Die Kommentare im Netz sagen: Eigentlich alles perfekt. Warum also keine 5 Sterne

Jesus ging es ganz ähnlich: Er hat auch viel Herzblut in seine Aufgabe gesteckt. Aber auch er bekam nicht immer beste Bewertungen. Ganz im Gegenteil: Die Bibel erzählt zum Beispiel, dass Jesus 10 Aussätzige heilt. Aber nur einer kommt zu Jesus zurück, um sich zu bedanken und ihn zu loben dafür, was er getan hat! „Und die anderen neun?“ fragt Jesus.

Hier ist viel Enttäuschung zu spüren. Aber so ist das mit der Liebe – man kann alles geben, seine ganze Energie, Phantasie, Zeit, Zuwendung in Menschen oder eine Aufgabe stecken. Aber nicht immer kommen Anerkennung und Dank zurück. Deswegen habe ich Susanne gefragt: „Woran orientierst du dich? An den Bewertungssternen oder an deiner Hingabe? Würdest du nicht alles geben, auch wenn du nur 4 Sterne dafür kriegst??“ – „Doch, selbstverständlich!“ antwortet sie. „Ich liebe unseren Laden, die Begegnungen, all die Arbeit!“

Jesus hat auch nicht aufgehört, alles zu geben, bloß weil er Kritiker hatte. Die hätten ihm wahrscheinlich am liebsten nicht mal einen Stern gegeben. Und trotzdem hat er sogar sein Leben gegeben.

So ist die Liebe – sie gibt, ohne zu fragen, was es bringt. Und sie trotzt all den Meinungen und Bewertungen. Die Liebe folgt einem anderen Stern.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25JUL2020
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Manchmal ist der Name wie eine Eintrittskarte.

Ich arbeite als Militärseelsorger im Verteidigungsministerium. Ich darf das Gelände betreten, indem ich an der Schranke meine Eintrittskarte – sprich: meinen Hausausweis vorzeige. Darauf ist mein Name, ein Bild von mir und meine Dienststelle.

Wenn wir Besucher von außerhalb zu einer Veranstaltung einladen, müssen wir die anmelden. Wenn Sie zur Wache kommen, wird ihr Name auf der Liste gesucht, dann bekommen sie einen Besucherausweis und werden eingelassen. Wenn jemand nicht auf der Liste steht, ruft die Wache mich an und fragt, ob ich diese Person kenne und sie wirklich zu mir will. Wenn ich selbst weder Haus- noch Personalausweis dabei habe – was durchaus schon mal vorkommen kann – dann habe ich ein Problem und muss schon großes Glück haben, dass mich einer der Wachleute kennt und ein Auge zudrückt…

Das gibt mir einen neuen Blick auf einen Satz aus der Bibel: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein!“ Vor Jahrtausenden hat ein Prophet die Menschen so getröstet: „Gott sagt: Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein!“

Ich verstehe das so: Gott ist so etwas wie mein Heimathafen, mein Stützpunkt. Mein Zufluchtsort. Da gehöre ich hin. Und Gott sei Dank gibt es bei ihm keinen Ausweis, keine Schranke, keinen Wachmann. Denn Gott kennt mich bei meinem Namen. Das bedeutet: Er kennt mich durch und durch. Er braucht keinen Ausweis.

Und bei Gott brauche ich auch keine Eintrittskarte, die ich teuer bezahlen muss, mit meinem Geld, meinen Leistungen, meinem Verhalten.

Ich gehöre zu Gott. Es tut mir gut zu wissen, dass er mich kennt und ich immer zu ihm kommen oder zurückkommen kann. Ich brauche keine Berechtigung nachzuweisen und ich muss nicht fragen: Darf ich reinkommen?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

24JUL2020
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Erlösung – ein großes Wort. Aber was ist eigentlich damit gemeint?

Ursprünglich hat dieser Begriff eine ganz materielle Bedeutung. Wenn einer seine Schulden nicht bezahlen konnte, z.B. weil es eine Missernte gab, dann wurde er in den Schuldturm geworfen. Das hat seine Lage und vor allem die seiner Familie nicht grade verbessert. Ein naher Verwandter konnte ihn aber freikaufen. „Lösen“ nannte man diese Befreiung aus dem Gefängnis.

Ein älterer Freund hat mir eine sehr anschauliche Geschichte dazu erzählt: Es war kurz nach dem großen Krieg. Hunderte deutsche Männer waren als Kriegsgefangene in einem Lager eingesperrt. Sie mussten Hunger und schlimmen Durst aushalten und waren schutzlos dem Wetter ausgeliefert. Und sie wussten nicht, was man mit ihnen vorhatte: Deportation, Zwangsarbeit, vielleicht sogar Hinrichtung? Viele haben mit dem sicheren Tod gerechnet.

Eines Nachmittags kam ein französischer Offizier zu ihnen. Er sagte nur drei Worte: Vous ete libre! – Ihr seid frei!

Manche dachten, das sei ein Hinterhalt – sie konnten es einfach nicht glauben. Doch das Tor stand sperrangelweit auf. Sie durften gehen. „Seither weiß ich: So fühlt sich Erlösung an“, hat mein Freund gesagt: „Wie eine Befreiung aus der Gefangenschaft“.

Manchmal ist es nicht Stacheldraht, der einen gefangen hält. Mir fallen viele Dinge ein, die ich mir selbst vorwerfe. Ich fühle mich schlecht, weil ich etwas getan oder gerade nicht getan habe. Und dieses Gefühl begleitet mich mein Leben lang. Das ist auch eine Art von Gefängnis.

Aber Gott sagt nicht „Ich schreibs auf. Die Rechnung kommt dann zum Schluss.“ Sondern er sagt: „Ich habe dich erlöst! Du bist frei.“

„Ja, so ist es“, sagt Gott zu allen Menschen, die sich mit einem schlechten Gewissen abmühen und unter ihrer Schuld leiden. „Ihr sollt aufrecht und frei durchs Leben gehen.“ – Was für ein Geschenk!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23JUL2020
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„Spring schon, du brauchst keine Angst zu haben.“ Ich kann mich noch gut erinnern, als ich als kleiner Junge das erste Mal auf dem 5er stand. Unten war ich noch ganz mutig, aber oben schien alles viel höher. Ich hatte weiche Knie und habe mich gefragt, ob das eine gute Idee war. Und da hat es mir auch nicht geholfen, dass die Kameraden unten „keine Angst“ gerufen haben. –

Ich erinnere mich oft an dieses Erlebnis, wenn ich in der Bibel lese: „Fürchte dich nicht!“ Wie soll einem so ein Zuruf helfen? Was hilft denn überhaupt, wenn man sich fürchtet, weil man vor etwas Unbekanntem steht, das man nicht kennt?

Was auf jeden Fall nicht hilft, ist grübeln. Wie bei einer jungen Soldatin, die wie alle anderen auch vor dem Einsatz zwei Wochen in der isolierten Einzelunterbringung war, eine Corona-Schutzmaßnahme. Viel Zeit zum Grübeln.

Ich habe ihr zugehört. Sie hat mir erzählt, dass sie im Krisengebiet Kommandantin eines Sanitätsfahrzeuges und oft auf Patrouille unterwegs sein wird. Voller Fragen und Angst war sie, dass sie auch wirklich alles richtig macht, denn es war ihr erster Einsatz.

Offen über ihre Sorgen sprechen zu können, das hat ihr gut getan. Und dann konnte ich ihr noch einen Kontakt zu einem anderen Soldaten vermitteln, der genau die gleiche Funktion ein Jahr zuvor hatte. Mit dem hat sie lange geredet, und das hat sie sehr beruhigt. Vor dem Abflug habe ich sie noch einmal erinnert, dass sie erstens auf sich, ihre Fähigkeiten und ihre Ausbildung vertrauen kann. Und dass sie zweitens darauf vertrauen kann, dass Gott bei ihr ist, egal was kommt.

Dann ist sie in den Einsatz geflogen und hat den ersten Schritt ins Unbekannte gemacht. Vielleicht auch mit weichen Knien, aber sicher mit etwas mehr Vertrauen, dass sie diese Herausforderung meistern wird.

ich glaube: Wenn Gott sagt: „Fürchte dich nicht“, heißt das eigentlich: „Vertrau mir! Auch wenn du hinfällst, wirst du die Kraft haben, wieder aufzustehen. Dafür sorge ich. Vertrau mir.“

Wer auf Gott vertraut muss sich nicht fürchten. Es lohnt sich, das zu wagen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29APR2020
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Ein großer Greifvogel am Himmel: Das hat mich schon immer fasziniert. Mit weit ausgebreiteten Schwingen nutzen Greifvögel die aufsteigende Luft und können scheinbar mühelos stundenlang in der Luft schweben. Das hat einfach was Majestätisches!

Flügel haben aber noch eine zweite Aufgabe, die mich sehr berührt. Mit ihnen beschützen die Vögel ihre Küken im Nest vor Kälte, Regen und davor, gefressen zu werden. Deswegen gibt es dazu auch die Redensart „jemanden unter seine Fittiche nehmen“ – Fittiche – das ist ein poetisches Wort für „Flügel“. Wir Menschen können das Gleiche tun: Jemanden beschützen. Sogar Kinder können das.

Wie zum Beispiel Philipp. Er hatte nach den Ferien einen neuen Mitschüler bekommen. Der war anscheinend ein bisschen schüchtern. Deshalb hat seine Mutter Philipp vorgeschlagen: „Dann kannst du ihn ja unter deine Fittiche nehmen und ihm helfen, sich einzugewöhnen“. Und so hat sich Philipp dafür entschieden, den Neuen zum Spielen einzuladen. So hat der sich bald wohl gefühlt.

Das Bild von den starken, schützenden Fittichen wird auch für Gott verwendet. „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln“. Gott nimmt mich unter seine Fittiche! – Wie schön!

Denn wir brauchen nicht nur in den ersten Lebensjahren jemanden, der uns schützt und Wärme gibt. Von dem wir lernen können. Der Geduld mit unseren Fehlern hat. Kurz: Der uns Raum gibt, damit wir wachsen und reifen können. Das kann jedes Lebewesen ganz von selbst: Sich entwickeln. Es muss nur den entsprechenden Raum dafür haben. Das ist auch mit 30 oder 40, ja sogar mit 60 und noch später so.

Natürlich nehme ich auch gerne jemanden unter meine Fittiche. Was gibt es schöneres, als anderen Menschen zu helfen, sich zu entwickeln.

Aber ich freue mich auch darüber, dass ich bei Gott nicht immer stark sein und alles können und wissen muss. Wenn ich mal nicht weiterweiß, mich elend fühle oder Angst habe, dann lacht er nicht über mich. Gott nimmt mich unter seine Fittiche. Bis ich wieder selbst weitermachen kann.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

28APR2020
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Schatten ist etwas Zwiespältiges. „Er stand immer im Schatten seines großen Bruders“ sagt man. Im Schatten kann man sich nicht richtig entfalten. Man möchte lieber auf der „Sonnenseite“ des Lebens stehen. Das steht für Glück und Erfolg.

Manchmal ist Schatten aber wohltuend. Als ich in Ägypten gelebt habe, hat Peter mir die Wüste gezeigt. Ich habe oft über ihn gelächelt, weil er immer den Schatten gesucht hat. Dann hat er ein australisches Sprichwort zitiert: „From eleven to three jump under a tree.“ – Von elf bis drei, also in der Mittagshitze, setz dich unter einen Baum.

Heute, 30 Jahre später, bin ich so alt wie Peter damals und verstehe besser, was er gemeint hat. Ich gehöre nicht mehr zu denen, die jeden Sonnenstrahl ausnutzen, um sich zu bräunen. Im Sommer im Biergarten suche ich mir eher einen Platz unter einer schattigen Kastanie.

Mit Gott kann man ganz ähnliche Erfahrungen machen. In der Regel wird Gott beschrieben als Licht, weil man in seiner Nähe Leben und Hoffnung bekommt.

Aber in einem alten Gebet, das ein Mensch in einer sehr kritischen Zeit gesprochen hat, höre ich: „Wer im Schutz des Höchsten sitzt, der ruht im Schatten des Allmächtigen.“

Wenn ich mir diese Worte sage, dann denke ich an eine mächtige Blutbuche im Park, die bestimmt schon 150 Jahre alt ist. Im Sommer, wenn es heiß ist, nehme ich mir eine Decke und lege mich in ihren Schatten unter die weit ausladenden, dicken Äste. Dort unter der Buche ist es angenehm kühl. Hier kann ich ausruhen, meinen Gedanken nachhängen, ein kleines Nickerchen machen – eben Kraft tanken.

Im Schatten des Allmächtigen ausruhen, das bedeutet: Nicht kämpfen müssen, keine Angst haben. – Allein diese Vorstellung richtet mich auf und gibt mir Kraft. Jederzeit. Auch mitten in der Hitze des Tages, kann ich meine Gedanken auf dieses Bild sammeln: Gott gibt mir Schatten, wie die mächtige Buche. Das tut mir grade in dieser hitzigen Zeit sehr gut!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27APR2020
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Im Wartezimmer einer radiologischen Praxis habe ich ein Poster gesehen . Darauf stand: Sie sehen eine Walnuss? Ja stimmt, dachte ich, sieht aus wie eine Walnuss. Aber eigentlich war ein menschliches Gehirn dargestellt.

Dann habe ich weitergelesen: Wir sehen einen Schlaganfall! Tja, ein Arzt sieht eben mehr als ein medizinischer Laie wie ich. Ich musste schmunzeln. Was man sieht, hängt von dem ab, was man weiß und welche Erfahrung man hat.

Heute gehen meine Gedanken noch weiter. Es ist ja nicht nur so, dass mein Wissen meine Sicht verändert. Sondern auch anders herum: Das was ich sehe, verändert mein Wissen und Denken.

Wenn ich ununterbrochen Bilder einer Katastrophe sehe, dann lösen die keine guten Gedanken aus. Wenn ich dagegen viel in der Natur bin und mir Zeit nehme, Blüten, Bäume und das aufbrechende Leben zu betrachten, dann macht das auch was mit mir. Forscher haben herausgefunden, dass Menschen, die viel im Wald sind, hilfsbereiter sind als Menschen, die nur in der Stadt leben.

Eine unglaublich positive Ausstrahlung hat die Skulptur eines Kopfes, die ich auf Bali bei einem Holzschnitzer gekauft habe. Auf dem Gesicht liegt ein ganz tiefes Lächeln! Das tut mir gut.

Doch die Augen sind geschlossen. Er schaut quasi nach innen. Er sieht eine unsichtbare Wirklichkeit, die hinter den Dingen liegt, die wir sonst sehen können. Vielleicht sieht er das, was wir Gott nennen.

Dieser kleine „Holzkopf“ ist für mich das Sinnbild eines Menschen, der mit Gott verbunden ist. Und zwar mit dem Gott, über den es in einem alten Gebet aus der Bibel heißt: „Wer im Schatten des Allmächtigen ruht, der kann sagen: Du! Meine Zuversicht, meine Burg!“ – Zuversicht: eine positive Sicht in dem, was grade geschieht.

Vielleicht ist es manchmal ganz gut, für einen Augenblick die Augen vor den Katastrophenbildern zu verschließen, um das zu sichten, was mir Halt, Trost, Sicherheit gibt. Damit ich mit Zuversicht in den Tag gehe. Weil ich auf Gott geschaut habe.

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